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Monopole und Kooperation (was: Re: [ox] GPL-Gesellschaft - Vergangenheit, Gegenwart, Zukunft -- Teil 2)



Hi Benni und alle!

Schön, daß du den Gedanken nochmal aufgreifst. Das hilft mir, ihn noch
tiefer zu explorieren und weiter zu denken. Und wie an so vielen
Stellen in diesem Paper ist das sicher nötig.

2 weeks (14 days) ago Benni Bärmann wrote:
On Wed, Aug 08, 2001 at 11:48:09AM [PHONE NUMBER REMOVED], Stefan Merten wrote:
3.2.5. Globale Kooperation häuft sich
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Auch auf dem Feld der globalen Kooperation entwickeln sich in den
letzten Jahren interessante Phänomene. Kooperationen zwischen Firmen,
die eigentlich konkurrieren häufen sich immer mehr. Auch die
Übernahmen können als globale Kooperationen interpretiert werden.

Die im Kapitalismus notwendige Konkurrenz wird durch solche Übernahmen
und Kooperationen zunehmend ausgehebelt. Was im Kapitalismus
                                            ^^^^^^^^^^^^^^^^^^^
allerdings als eine negative Entwicklung gesehen werden muß,
   ^^^^^^^^^^^^^^^^^^^^^^^^^^^^^^^^^^^^^^^^^^^^^^^^^^^^^^^^^^^
kann in
einer GPL-Gesellschaft eigentlich nur als positiver Faktor gesehen
werden. Wie bei Freier Software werden nicht mehr unnötig Ressourcen
durch Parallelentwicklungen und Betriebsgeheimnisse verschwendet.
Vielmehr kooperieren alle Interessierten beim Erreichen des
bestmöglichen Ziels.

Nach dieser Argumentation ist ein M$-Monopol als klasse, weil es Kooperation
bedeutet anstatt Konkurrenz?

Nun, das habe ich sogar explizit nicht gesagt - im Gegenteil.

Wie Du ja weisst, hab ich eine bisschen andere Einstellung zur Kooperation
und an diesem Beispiel kann man das gut sehen. Kooperation ist nicht immer
gut und Konkurenz nicht immer schlecht. Das scheinst Du aber vorauszusetzen.

Nehmen wir doch unseren Hauptbezug die Freie Software. Wenn du dir da
das Verhältnis zwischen Kooperation und Konkurrenz anschaust und mit
demselben Verhältnis auf dem Markt vergleichst, dann wirst du schnell
feststellen, daß Kooperation bei der Freien Software deutlich
überwiegt - bis hin zu "Monopolen" wie (lange Zeit und seit längerer
Zeit wieder) `gcc'/`egcs' - um nur ein Beispiel von vielen zu nennen.
Oder nimm' die ganzen GNU-Tools der Kategorie `diff' und Konsorten. Da
gibt es schlicht keine Alternativen - wozu auch.

Was ich also zunächst feststelle ist, daß Kooperation bis hin zur
Monopolbildung in Freier Tätigkeit scheinbar die für alle Beteiligten
einsehbar besser, intersubjektivierbar ist.

Während die Monopolbildung im Bereich Freier Software aber zu
überragenden Ergebnissen führt, führt die Monopolbildung im
Kapitalismus - M$ - zu den bekannten Problemen. Ich meine ein
M$-Betriebssystem ist ja ein Schlag ins Gesicht einer jeden
InformatikerIn. Und das mit zunehmender Tendenz: Während Freie
Software sich im Laufe der Zeit verbessert - zuweilen bis hin zu einem
stabilen Zustand, der keiner weiteren Verbesserung bedarf - wird der
M$-Kram immer schlimmer: Alte Bugs bleiben drin und werden aber
freundlicherweise mit neuen ergänzt...

Und der Grund liegt ja eigentlich auch auf der Hand: Während M$ ein
Interesse an Profitmaximierung und also kein Interesse an guter
Software hat - erst recht nicht mehr, wenn die Monopolstellung
erreicht ist -, ist bei Freier Software die Monopolsituation kein
Hindernis für die permanente Weiterentwicklung sondern begünstigt
diese sogar, weil in einem Konsensprozeß tendenziell alle guten Ideen
in ein Produkt integriert werden können.

Klar, wenn ich noch eine brandneue supergute Idee zu `diff' hätte,
dann würde ich natürlich kein neues Produkt mit diesem zusätzlichen
Feature machen, sondern würde das in den Entwicklungsprozeß
einzubringen. Die Exklusivität einer Idee, die im Kapitalismus mit
Patenten und Copyright geschützt werden muß, und die die Basis für
Konkurrenz und diese oft überflüssige Produktvielfalt bildet, diese
Exklusivität ist bei Freier Software schlicht kontraproduktiv.

Die derzeit wichtigste Konkurrenzsituation bei der Freien Software
besteht wohl zwischen KDE und GNOME. Und spannenderweise ist diese
Konkurrenz letztlich aus ideologischen Gründen entstanden (wegen der
(anfangs?) nicht-freien QT-Library bei KDE) - nicht wegen technischer
Fragen. Ähnlich kannst du auch die zeitweilige Konkurrenz zwischen
`gcc' und `egcs' sehen, bei dem sich das alte GNU-Modell gegen das
neue Linux-Modell nicht behaupten konnte.

Konkurrenz brauchst du im Kapitalismus, um den Profitinteressen
überhaupt irgendetwas entgegenzusetzen. Nur durch die Konkurrenz der
ProfitmaximiererInnen untereinander ist gewährleistet, daß sie nicht
völlig machen können was sie wollen, sondern daß ihre Produkte einen
gewissen Gebrauchswert haben müssen - weil sonst die Konkurrenz ihren
Profit maximiert. Wichtig(er) aber: Daß ihre Produkte einen ständig
fallenden Arbeitseinsatz haben müssen. In einer Monopolsituation kann
das Monopolunternehmen bei mangelnder Qualität seinen Profit dennoch
steigern und ist sogar nur noch mäßig an der Einsparung lebendiger
Arbeit interessiert - Preiserhöhungen haben schließlich den gleichen
Effekt. Das kannst du übrigens unter kapitalistischen wie unter
realsozialistischen Bedingungen studieren.

Der entscheidende Punkt ist hier der Fetisch, demzuliebe die gesamte
Produktion statt findet: Das Geld. Und exakt das ist bei Freier
Produktion anders. Da geht es um den je konkreten Nutzen eines
Produkts und der liegt u.a. auch darin Arbeit einzusparen. Du brauchst
keine äußere Peitsche wie die Konkurrenz um die ProduzentInnen im Zaum
zu halten - weil sie schon tun, was von ihnen zu erwarten wäre.

Konkurrenz mag für den Kapitalismus das Lebenselixier schlechthin
sein. In einer GPL-Gesellschaft wäre es ein Phänomen, das vorkäme,
aber keine dominante Rolle spielen würde - wie in früheren
Gesellschaftsformationen auch.


						Mit Freien Grüßen

						Stefan

________________________________
Web-Site: http://www.oekonux.de/
Organisation: projekt oekonux.de


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