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Re: [ox] Re: Monopole und Kooperation



Am Donnerstag, 23. August 2001 11:09 schrieb PILCH Hartmut:

Das Monopol von Post, Bahn und Telekom ist gesetzlich herbeigeführt,
klar... Die Inkompatiblitätsmonopole sind aber ebenso gesetzlich
gewollt: Urheberrecht und Geschmacksmusterschutz geben ein Monopol auf
eine Implementation, Patentrecht und Gebrauchsmusterschutz sogar auf
sämtliche Implementationen einer Spezifikation.

Hierbei ist das Monopol, zumindest in der Theorie, nicht Ziel sondern
notwendiges Uebel, welches es in Kauf zu nehmen gilt, damit Leistungen
verwertet werden koennen.  Das Monopol fuehrt auch nicht unmittelbar zu
Inkompatibilitaeten.  Diese werden unabhaengig vom Rechtschutz verfolgt
und wuerden auch dann existieren , wenn der Rechtsschutz entfiele und etwa
mit elementaren Mitteln wie Betriebsgeheimnis und Vertraegen gearbeitet
wuerde.

Also kann von einem gezielten Einrichten von Monopolen durch
Rechtsschutzsysteme nicht die Rede sein.

Im Bereich der "Informationsökonomie", wo "Netzwerkeffekte" (aka: network 
externalities) in großem Umfang zum Tragen kommen, sichern proprietäre 
"Standards" die Position eines marktbeherrschenden Unternehmens auch ohne 
Rechtsschutz gegen Wettbewerber ab, _wenn_ sie geheim sind und bleiben. Wenn 
Mitbewerber auf legalem Weg in der Lage sind, den jeweiligen "Standard" 
nachzubauen (clean room implementation), so sind sie anschließend in der 
Lage, die Position des marktbeherrschenden Unternehmens mit 
Konkurenzprodukten anzugreifen.

Gegen solche Angriffe kann man sich als Unternehmen im Markt nicht legal 
schützen, sondern nur außerhalb des Marktes, wozu der Rechtsschutz das 
bestgeeignete Mittel ist. 

["If a monopoly firm's profits are to persist in the long run, effective 
entry barriers must prevent the entry of new firms into the industry. [...] 
Many entry barriers are created by conscious government action and are, 
therefore, officialy condoned. Patent laws, for instance, may prevent entry 
by conferring on the patent-holder the sole legal right to produce a 
particular product for a specific period of time. [...] In monopoly, however, 
profits can persist in the long run whenever there are effective barriers to 
entry. Entry barriers frustrate the adjustment mechanism that would otherwise 
push profits toward zero in the long run."; Richard G. Lipsey, K. Alec 
Chrystal: Principles of Economics, 9th ed., Oxford University Press, Oxford, 
1999]

[Kartellbildung, ein anderes Mittel, ist da wesentlich riskanter für die 
Unternehmen, da vom wettbewerbsbehördlichen Wohlwollen abhängig.]

Im Bereich des gewerblichen Rechtsschutzes greifen die Kartellbehörden 
allerdings, das hat die Praxis der letzten Jahrzehnte gezeigt (Stichwort: nur 
eine einzige Zwangslizenzierung bei Patenten in der Geschichte der BRD), 
praktisch _nie_ ein (von ein, zwei oder ein Dutzend Ausnahmen abgesehen). Und 
das, obwohl die rechtliche Möglichkeit durchaus besteht. (Siehe z.B. Thomas 
C. Vinje: Softwarelizenzen im Lichte von Art. 85 des EWG-Vertrages, Computer 
und Recht 7/1993)

Im Gegenteil, zum Schutz der nationalen Wirtschaftsinteressen vor 
internationalen Wettbewerbern (insbesondere seit der 2. Hälfte des 20. Jhd.), 
wird Rechtschutz-Kartellen oft der Segen der nat. 
Kartell-/Wettbewerbsbehörden erteilt. Klassische Beispiele sind die 
Buchpreisbindung und das Sammelrevers im dt. Buchhandel oder auch der 
Patentpool der American Automobile Manufacturers Association. Im Falle der 
Buchpreisbindung hat z.B. die EU nur solange etwas dagegen, wie es 
grenzüberschreitend erfolgt und in Deutschland kein entsprechendes Gesetz zum 
Schutz der Preisbindung erlassen worden ist. Das kommt aber mit Sicherheit 
noch, der Börsenverein arbeitet zielgerichtet darauf hin, u.a. auf Anregung 
der EU-Kommission.

Der Rechtsschutz, insbesondere im Bereich der Patente, versetzt 
marktbeherrschende Unternehmen in die Lage, ihre Stellung nicht nur zu 
behalten, sondern ggf. -auch mit wettbewerbswidrigen Mitteln- auszubauen. 
Siehe dazu das Urteil von Richter Jackson im Microsoft-Prozeß.

Der Rechtsschutz (von Informationsgütern in der information economy mit ihren 
inhärenten network effects; siehe dazu z.B. Shapiro/Varian: Information 
Rules) untermauert also die Position von Monopolisten und erleichtert die 
Erlangung und Verteidigung von Monopolstellungen (bzw. Oligopolen mit wenigen 
Unternehmen). (Zu den Konsequenzen -"joint profit maximization" im engen 
Oligopol bzw. "monopoly profits" im Monopol- siehe z.B. Ingo Schmidt: 
Wettbewerbspolitik und Kartellrecht, 6. Aufl., S.138ff.)

Was an sich alles keine neuen Erkenntnis ist, sondern bereits früh z.B. von 
Walter Eucken (z.B. "Grundsätze der Wirtschaftspolitik") erkannt worden ist.

"The formation of monopolies can be encouraged by the state itself trough, 
for example, its patent policy, trade policy, tax policy et cetera. This has 
happened often in recent times. The state first encourages the formation of 
private economic power and then becomes partially dependent on it." Eucken 
zitiert bei Vanberg: The Freiburg school of law economics, in The New 
Palgrave Dictionary of Economics and the Law.

In modernen Lehrbüchern über den Rechtsschutz, die Wettbewerbspolitik, die 
Wirtschaft etc. wird es auch entsprechend dargestellt, z.B. in Edwin 
Mansfield, Gary Yohe: Micro Economics, 10th ed., W.W.Norton & Company, New 
York, 2000, heißt es:

"Why do monopolies exist? There are many reasons, but four seem to be 
particularly important. [...] Third, a firm may acquire a monopoly over the 
production of a good by having patents on the product or on certain basic 
processes that are used in its production. [...]"

Insofern könnte man mit einiger Berechtigung von einem "(un)gezielten" 
Einrichten und Schützen von Monopolen durch Rechtsschutzsysteme sprechen. Das 
war seinerzeit ja auch durchaus beabsichtigt bei der Einführung der Gesetze - 
in Grenzen allerdings.

Dort, wo Netzwerkeffekte besonders ausgeprägt sind, kommt aber die 
Unterlassung einer _effektiven_ Politik gegen den Monopolmißbrauch der 
mittelbaren Förderung einer Monopolbildung und des Monopolmißbrauchs gleich. 
Im Bereich der Software ist das "sehr schön" zu beobachten und führt direkt 
hin zu den Inkompatibilitäten - als Marktzutrittschranken gegen Wettbewerber.

Und das war _so_ (in dem gegenwärtig zu beobachtenden Maße) wohl ursprünglich 
nicht beabsichtigt, es wird aber _hingenommen_: "The state first encourages 
the formation of private economic power and then becomes partially dependent 
on it." (s.o.)

Rechtsschutzpolitik ist immer im Kontext zur Wettberwerbspolitik zu sehen, 
wenn es darum geht, über ihre (nicht) monopolisierenden Wirken zu urteilen.

MfG,
Robert Gehring

-- 
Von/From: Dipl.-Inform. Robert Gehring
E-Mail:   rag cs.tu-berlin.de
privat:   zoroaster snafu.de
________________________________
Web-Site: http://www.oekonux.de/
Organisation: projekt oekonux.de


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