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Re: [ox] Was ist Medienfeudalismus?



liste oekonux.de schreibt:
Hi Franz!

Ist die folgende Definition richtig?

 Medienfeudalismus ist ein durch geistige "Eigentumsrechte",
 d.h. Urheberrecht, Patentrecht, Gebrauchs- und
 Geschmacksmusterschutz, erzeugter Monopolkapitalismus.

Wer hat den Begriff nochmal eingeführt? Ulrich Sigor?

Tschüß,
Thomas
}:o{#


Der Begriff stammt von ihm, ich poste ein unveröffentlichtes Papier
von 1996.
Ist auch zu verstehen als Beitrag zur Freiheits- und  Automationsdebatte,
was besonders am Ende klar rauskommt.
Auch eine Theorie der Funktion des Gebrauchswerts ist implizit
angesprochen,
der Gegenbegriff könnte "Nötigungskraft" heißen, das Spektrum wäre zu 
analysieren - diese Analyse würde uns die Wahrheit über die
Warengesellschaft
eher vermitteln als alle quantitativen ökonomischen Tauschwertspielchen.
Ich freue mich daß der Autor seine Zustimmung gegeben hat.

Franz

***********************


Medienfeudalismus (1996)

von Ulrich Sigor

Es fehlt an klaren Ansätzen für die Beschreibung, Erklärung und
Perspektivenbildung zur neueren Entwicklungsrichtung von Arbeit,
Wirtschaft und Gesellschaft. Daher bilden wir auch kaum Vorstellungen von
durchgriffsfähigen globalen Strategien und operativen Leitbildern, von
Handlungsmodellen, die im Konkreten nutzen, ohne die Kräfte aufzureiben.

Starrheit und mangelnde Ernsthaftigkeit in der Handhabung von Theorie und
auch Begründungsdefizite haben zudem eine unzuträgliche allgemeine
Dogmatikfeindlichkeit gegenüber politisch- ökonomischer Theorie mit sich
gebracht. Darunter leiden insbesondere systematische Analyse und dringend
nötiger normativer Entwurf.

Die angesprochene neuere Entwicklung der Wirtschaft stellt sich stark
verdichtet so dar: Auf der Seite des Kapitals verfällt der objektive
Faktor,auf der Seite der Arbeit verleugnet sich der subjektive Faktor.Für
beide Seiten bestehen neuartige und erhebliche taktische Chancen - das
Kapital scheint seine erkannt zu haben, die Arbeit weder die ihre noch die
der anderen Seite.

Aus der Sicht einer Folge von Produktionsweisen und spezifischer
gesellschaftlicher Verhältnisse müssen wir ein zusätzliches Paradigma
definieren, in der Nachfolge kapitalistischer Produktionsweise (im engeren
Sinne). Das hier im Folgenden vorgeschlagene Schema soll provisorisch und
aktuell provokativ "Medienfeudalismus" heißen. Dazu ist es erforderlich
etwas weiter auszuholen:

Der zentrale Sinn des Wirtschaftens liegt in der Vergrößerung der
Handlungsspielräume der Menschen - darin, bestmögliche Bedingungen der
Selbstbestimmung zu realisieren (Autonomie-Perspektive). Stellt man dazu
die Zielsetzung einer willkür-und gewaltfreien Organisation des
politischen Verbands, so ergibt sich ein altes Bild der Triade von
Ökonomie, Ethik und Politik, in idealisierter Form.

Menschliche Arbeit hat den allgemeinen Zweck, diese Vergrößerung der
Handlungsspielräume zu erreichen, sie schafft Wissen und Strukturen, die
es erlauben, Arbeitsvorbereitung zu bevorraten, zu schematisieren, und zu
objektivieren, d.h. der Allgemeinheit zugänglich zu machen. Wichtig ist:
Man unterstellt dabei einen Fortschrittsprozeß, einen Aufbau, der Mühen
und Nutzen mit sich bringt, was beides zu verteilen ist.

Der inneren Rationalität dieses Aufbaus sind bislang fast keine
methodischen Ansätze zugute gekommen. *)
Solange er sichtbar voranging oder vorangehen kann, lehnt er sich an
Selbstverständlichkeiten an und wird nicht als Ganzes reflektiert.
(Volkswirtschaft entwickelt sich inhaltlichauf traditionale Weise, nicht
wissenschaftlich gestützt).

Dagegen sind Fairneß und Logik der Verteilung von Mühen und Nutzen schon
immer Gegenstand umfangreicher Überlegungen und darauf aufbauender
Gesamtgesellschaftssichten; der Handlungsbedarf ist hier - auch historisch
begründet - offenbar sehr viel plausibler als derjenige einer qualitativen
Analyse der Produktivkraft; sie wurde und wird vernachlässigt.

Die Abschaffung der Unterdrückung des Menschen durch den Menschen ist
sinngemäß Losung eines bekannten Programms. Dies erfährt unter der oben
eingenommenen fundamentalen Autonomie-Perspektive die Deutung, daß
verfügbare gesellschaftlich erreichte Handlungsspielräume nicht
willkürlich oder gewaltsam verteilt werden sollen; insbesondere, daß
Spielräume auf einer Seite nicht auf einen Mangel daran auf anderer Seite
gründen dürfen. Dafür sollte universeller Konsens unterstellbar sein.

Das Marx?sche Programm sowie seine Geschichtsinterpretation geht nun davon
aus, daß tatsächlich ein Aufbauprozeß vorliegt, und daß dessen
Gestaltungsmittel als Schlüssel für die jeweiligen Machtverhältnisse
wirken. Privateigentum an Produktionsmitteln und lebendige Arbeit stehen
in einem Spannungsverhältnis, haben aber gleichwohl die Produktion von
Nutzen als gemeinsamen Gegenstand. Diese letztere Prämisse trifft jedoch
immer weniger zu. 

Die Definition einer kapitalistischen Produktionsweise genügt der neuen
Situation nicht mehr.Das gilt für den Gesichtspunkt des Eigentums und den
der Produktivkraft, und insbesondere für den der (Produktions-)Krisen;
(Wertschöpfung wandelt sich in ihre eigene Negation - das wäre hier
darzulegen).

Allgemeine Automation als Kern der Entwicklung der Produktivkraft
verringert faktisch den Anteil lebendige Arbeit ; im Spiel der Märkte
verringern sich aber auch Wert und Effizienz der Produktivkraft im ganzen
für die Akkumulation von Kapital. Wir haben eine schleichende latente
Vergesellschaftung der Produktionsmittel durch die Automation selbst; sie
bricht aber nicht durch, sondern wird raffiniert kompensiert:

Produktionsziele, für welche bei rationaler Handhabung kaum noch
betriebliche Rentabilität sichtbar ist, werden entdifferenziert und
überprofiliert und künstlich als Zentrum der Wirtschaften erhalten:

Nutzvolle und sinnvoll umfangreiche Integration lebendiger Arbeit in die
automatisierten Prozesse wird blockiert, sie wäre unnötiger Kostenfaktor
und letztlich drohende Konkurrenz, die im eigenen Produkt aufkeimt.

Etwas anders akzentuiert: Kapitalvermehrung kann nur noch mit sachwidrigen
Verrenkungen innerhalb realer Produktionsprozesse stattfinden. Latent
(gesellschaftlich) nachgefragte Arbeitskraft, ohne nennenswerten
Kapitalbedarf wird in ihrer Entfaltung behindert - durch die Agonie des
Investiertriebs auf obsolet strukturierten Märkten. Das Grundproblem ist
auch über die Verteilung der Gewinne oder der Arbeit nicht zu lösen - es
liegt weiterhin in der Produktionsweise.

Die heutigen Volkswirtschaften entwickeln sich nun dahin, daß sie vom
Abbau vorgängiger Wertschöpfung, bzw.der dabei anfallenden konjunkturellen
Energie angetrieben werden. Es werden keine Bedingungen weitergebracht,
die generell eine Vergrößerung der Handlungsspielräume des Menschen
erlauben, die dann zu verteilen sind. Die gegebenen Machtverhältnisse
werden einfach nur noch mißbraucht, um eine Pokerrunde der Inhaber
angesammelter Handlungsspielräume gegen ihre
eigentlichen Erzeuger abzugrenzen. Reale Produktionsmittel und die
Handhabung der Produktionsverhältnisse
sind eher lästige Accessoires eines Companopoly.

Das Image der Ausbeutung im klassischen Verständnis läßt sich dabei sehr
opportun gleich mit der Arbeit selbst abstoßen. Die verursachten sozialen
Probleme fallen relativ zu klassischer Theorie in ein Erklärungsloch,
manchmal sogar noch mehr: sie bieten - wiederum relativ zu klassischer
Theorie -ein fragwürdiges Solidarisierungspotential (Bündnis für Arbeit).

Nun muß die wahrscheinlich etwas schwierige Perspektive eingestellt
werden, daß Kapital eben nicht mehr das Medium, sondern - wie o. bereits
angedeutet - nunmehr der Antagonist von realen Produktivprozessenist. 

Was heißt das?

Dem Menschen geht es weiterhin um Handlungsspielräume. Dafür gibt es also
eine Nachfrage. Und diese ist auch weiterhin von Produktivprozessen
(i.w.S.) zu erfüllen. Wenn die Produktivkraft nun an industrieller
Relevanz verliert - jedenfalls aus der individuellen Sicht der
individuellen Investoren -und Kapital aus diesen Gründen von
Produktivprozessen abläßt (und sich aufs "Spekulieren" verlegt), werden
Produktivprozesse sozusagen herrenlos. Könnte "freie" Arbeitskraft die
Lenkung der
Prozesse aufgreifen, und würde an üblichem Kapitalbedarf vorbei (autonom)
produktiv, dann entstünde eine Konkurrenz ganz neuer Art. Zur Konkurrenz
*der* Handlungsspielräume (alias Angebote wirtschaftlicher Nutzleistung)
kommt eine solche *um* Handlungsspielräume.

Die undurchsichtige Welt der qualitäten- und lebendarbeitreduzierten
Attrappen könnte nur schwer ihren Absatz gegenüber den
redundanzreduzierten und qualitätenverdichteten wirtschaftlichen
Lei-stungen lebendiger Arbeit durchsetzen. Die Währung würde schizophren.
Und das führt auf die Konkurrenz um! Handlungsspielräume: wenn sich
Kapital nicht mehr vermehrt, kann sich vorhandenes Vermögen Nutzleistung
zwar noch kaufen, (denn man sieht dem Geld nicht an, woher es kommt,
sofern es überhaupt jemand darauf anlegen will) aber die
Finanzinfrastruktur und "Lebensstile" großer Teile der Wirtschaft gerieten
ins Wanken. Der Reichtum der privilegierten Schichten verbrauchte sich.

Um dem Ausdruck "Medienfeudalismus" schon etwas näher zu kommen, sehen wir
nochmals, worauf der Reichtum und wirtschaftliche Macht sich heute gründen:

Klassisch kapitalistisch ist es der (juristische) Eigentumsbegriff, der
die Aneignung von Mehrwert unter Schutz nimmt. Kapitalistisches Eigentum
ist aber nur dann von Wert, wenn es den Konsum seiner Produkte erzwingen
kann. Das geschieht (scheinbar) bislang über ihren Gebrauchswert.

Die innere Logik der Kapitalvermehrung "mindert"/reduziert diesen
Gebrauchswert und sie mindert den Wert des automatisierten Prozesses
selbst und stetig durch seine Perfektionierung bis hin zur impliziten
Vergesellschaftung; (die nicht aufzuhalten ist, weil der Anteil
Information an der Perfektionierung der Automation immer maßgeblicher wird
und letztlich nicht geschützt werden kann - dahinter steht ein technisches
Argument: Automation macht physische Produkte langfristig zum
Allgemeingut).

Das Dilemma der Automation: sie führt kapitalabhängige Macht zur Blüte und
zur Auflösung. Auf der Basis kapitalistischer Produktionsweise wäre das
Spiel der Pokerrunde bald am Ende!

Auf der anderen Seite führt dabei auch eine Sozialismusidentität ins
Leere, die mit einem abstrakten Eigentumsbegriff über die
Verteilungsgerechtigkeit kapitalistisches Eigentum tolerieren kann. 

Der Nutzen als solcher löst sich auf und die auf ihn gründende Macht. Wo
verankert sie sich wieder?

Um das Spiel zu retten, muß potentiell autonome Arbeitskraft "unsichtbar"
wiederangebunden werden und daran gehindert werden, sich selbst zu
versorgen und am Kapital vorbei eine eigene Ökonomie zu installieren !

Dabei nimmt der Faktor Information nun die zentrale Rolle ein, die Medien
haben dabei einen Status wie Grund und Boden.**) Der Begriff eines
"Medienfeudalismus" drängt sich geradezu auf.

Die Restauration geschieht auf verschiedene Weisen und in Übergangsformen:

* Verlängerung der Attrappenwirtschaft - die Runderneuerung von
Absatzchancen

Das Erschweren der Evaluierbarkeit von wirtschaftlichen Leistungen
erleichtert den Absatz von Attrappen erheblich: das bereitet den Boden für
die Überleitung der Betriebe von der Produktion zur Pokerrunde, die
relativ langsam und stetig erfolgt. 

Hier erhält auch der Wettbewerb seine tatsächliche  Bestimmung und eben
nicht in der Ausreifung der Nutzqualitäten der Güter.Attrappenwirtschaft
ist eine Veranstaltung der Spekulation, die mit inhaltlicher Tarnung in
immer neuen Bereichen Raubbau treibt und damit kurzfristig brauchbare
Investitionsgelegenheiten schafft.

* Behinderung des Zugangs zur Automation und der Entwicklung einer
geeigneten Welt sozialer Rohlinge -Eigenleistung und Selbsthilfe werden
erschwert.

Alles was sich dank der technischen Entwicklung autonome Arbeit selbst
erschaffen könnte, wird durch individuell unzugängliche hochintegrierte
Erzeugnisse aus industrieller Produktion bereitgestellt und die
basistechnologischen Errungenschaften werden auch nur dafür aufbereitet.
Menschliche Arbeitskraft wird in instrumenteller Hinsicht amputiert und
sekundär prothetisch versorgt. Eine sehr abstrakte Vorstellung, die aber
für fast alle Lebensbereiche plausibel sein sollte. Insbesondere
Fördermittelpolitik ist unter diesem Gesichtspunkt sehr genau zu
untersuchen. Sie fördert Rentab-lität von Serien, aber nicht komfortable
allgemeine Überhaupt-Verfügbarkeit (situativer Bedarf).

* Qualitätsplanung und Orientierung werden behindert - wer Qualität nötig
hat, wird schikaniert und
diskriminiert und abgewertet

Die Ordnung der Dinge wird künstlich verkompliziert, die Orientierung
erschwert, dadurch steigt -relativ zur Entwicklung der Technik - selbst
die zur Reproduktion notwendige Arbeit in der Gesamt bilanz. Der "Markt"
ist vielfach nur das Blindekuhspiel mit merkantilen Wucherungen der
Wirtschaft.

Auch hier wird Arbeitskraft unsinnig gebunden: Der Einsatz der Attrappen
verschleißt Kräfte und schwächt sie durch Verstrickungen, in die sie sich
bei ihrer Selbstorganisation hineinnötigen lassen. Das sind
Absatzförderungen, wie im ersten Punkt, und Konkurrenzbannung, wie im
vierten Punkt. Hier ist aber vornehmlich eine Hackordnung angesprochen,
die hinter der Hierarchie produktiver Gebundenheit steht; je unberührter
von der Produktion, desto freier und mächtiger.Oder andersherum:
potentielle Sachmacht wird durch Verstrickungen kaltgestellt. Man
beobachtet eine neuartige Verteilung von Macht, die vom Geld wieder
unabhängiger ist, sobald nach dem Einstand in einen Rang der Status seine
Eigendynamik entfaltet hat.

*** Angebots-Nachfrage-Logistik der Kooperationen autonomer Arbeit wird
behindert

Die wichtigste Strategie setzt aber dort an, wo nicht Eigenbedarf (ob
betrieblicher oder der des Endkonsumenten) und Reproduktion betroffen ist,
sondern autonome Schaffenskraft im strengen Sinne.

Die gesellschaftliche Produktivität autonomer Arbeitskräfte ist in
höchsten Maße angewiesen auf funktionstüchtige Infrastrukturen für den
Tausch, die Kooperation, und die Darstellung und das Auffinden von
Angeboten und Nachfragen. Um so mehr, je weiter sich Arbeit auf die
konzeptionelle Administration und Entwicklung automatisierter
physikalischer Produktion hin verschiebt, also zur Kopfarbeit wird.

Das Stören, Behindern und Zerstören klarer Informationsgefüge bzw. ihrer
Entwicklung tritt innerhalb der Attrappenwirtschaft als Privilegiengarant
des Kapitals auf.

Die Störfunktion als Einsatzzweck von rührigen Investitionsvolumina auf
der Objektebene der direkten Konkurrenz geht schließlich über in eine
Erpressungsfunktion auf der Metaebene und es tritt Medienbesitz an die
Stelle des alten Eigentums an den Produktionsmitteln. Die Verkehrswege
werden nicht mehr vornehmlich blockiert, sie werden bezollt:

Man wird die Unabhängigkeit der Arbeit von Kapital einräumen, ihre
Selbständigkeit; dafür belagert man ihre Infrastrukturen und läßt sie
zahlen, wenn sie tätig werden will; eigene aktive Produktivität stellt das
Kapital ein. Diese Bezollung ist lukrativer und bequemer als das
Anarbeiten gegen einen schleichenden Wertverfall aufrechterhaltener
Produktion. Die Herrschaft über die Medien ermöglicht eine Bezollung der
Marktflächen autonomer Arbeit, bzw.der jeweiligen wirtschaftlichen
Identität, die als Kopfarbeitsidentität eine hohen kontinuierlichen
rationalen Darstellungsbedarf hat.

Die innere Struktur der Objekte - mit denen Kopfarbeit sich befassen muß,
d.h. der automatisierte Prozeß physikalischer Produktion, in seiner
faktischen Gestalt, bindet dann häufig autonome Arbeit noch in
proprietären produktuellen Domänen der Industrie-Investoren. Wo Kapital
schon längst (als akkumulierendes) sich zurückgezogen hat, bietet sein
informationales Erbe immer noch die Möglichkeit autonome Kopfarbeit an
sich zu binden (der nn-Hersteller pflanzt sich fort in die nn-Komplett-
Dienstleister,..., nn-Politikberater).

Perspektiven

Die Festigung des Status autonomer Arbeit ist historisch sicher nicht
aufzuhalten. Attrappenwirtschaft als Versuch kennzeichnet ein
Übergangsstadium der kapitalistischen Produktionsweise in den hier sog.
Medienfeudalismus. Dieser ist dann als eine reife Form eines neuen
Produktionsverhältnisses anzusehen, in welchem sich wiederum Herrschaft
des Menschen über den Menschen realisiert.***)

Eine freie Entfaltung der Symbiose von Kopfarbeit und Automation in
Verbindung mit einer Vergesellschaftung (Allgemeinverfügbarkeit) der
elementaren basistechnologischen Versorgungsprozesse wäre die Utopie, die
Vision, die man jenem Medienfeudalismus politisch programmatisch
entgegenzusetzen hätte.

Faktisch haben wir mit einer Behinderung der Kopfarbeit, der
wünschenswerten Entwicklung, zu rechnen, d.h. mit der Herrschaft des
Spekulationskapitals in verschiedenen Formen. Damit geht eine weitere
Welle des absolut zu sehenden Rückschritts einher,die Unterlassung von
Automation dort, wo sie die Bestimmung eines wettbewerblich relevanten
Werkzeugs nicht erreicht: etwa im Bausektor, wenn Billigarbeit importiert
wird, die eigentlich ganz abgeschafft werden könnte.

 Besteht kein Druck seitens einer "Konkurrenz" dann wird jedenfalls nicht
zum Wohle des Menschen automatisiert !!

Die mangelnden Entfaltungsmöglichkeiten eines kooperativen Markts
autonomer Arbeit mit ihrer Konsequenz der Behinderung einer
Eigenversorgung der Arbeit, die via Entkopplung von Beschäftigung und
Kapital denkbar wäre, machen Arbeitskraft wieder zum Abhängigen aktiver
hoher Investitionsvolumina. Praktisch entwickelt sich ein Stand von
Sklavenarbeit, wo nicht-automatisierte Prozesse zu den Kosten
automatisierter von lebendiger Arbeit unterhalten werden.

In Gefahr befindliches Finanzkapital wandelt sich derart rechtzeitig in
langlebiges materialisiertes Vermögen um, das geringes
Produktivitätspotential hat und auch noch auf Kosten derer entsteht, die
bereits bei der Ansammlung des jetzt abzusichernden Kapitals nur die
Lasten getragen haben.

Da die vorhandenen radikalen Investitionsvolumina meist noch nicht einmal
einem Produktivprozeß entstammen, sondern Inflationsgewinne sind, haben
wir hier einen Phönix aus der Asche und dessen Rätsels Lösung ist
tatsächlich eine Art Sklavenarbeit.

Welche Aufgaben sind gestellt ?

1. (theoretisch politische Aufgabe)
Wir müssen im bekannten Erklärungsschema nach einer kapitalistischen
Produktionsweise, die sich auf den Sachverhalt des Privateigentums an den
Produktionsmitteln gründete, eine Medien-feudalistische Produktionsweise
definieren, die sich auf oligopoles Eigentum gründet und auf Einflüsse an
/ auf Tauschinfrastrukturen der Kopfarbeit.

2. (systematisch ökonomische Aufgabe)
Eine Verwissenschaftlichung der "Oikonomia" - im aristotelischen Sinne -
ist dringlichst voranzutrei-ben.
Wir brauchen sie, um erstarkende autonome Arbeit am Kapital vorbei zu
organisieren und zwar noch innerhalb etablierter Marktstrukturen. D.h. die
Theorie der Produktivkraft und der Güterqualitäten, bzw.der
Qualitätenkonvergenz muß ausgebaut werden. Hier konsolidiert sich der
kooperative Markt der Kopfarbeit.

3. (praktisch politische Aufgabe)
Die Steuerung der Entwicklung der Medienmacht muß rechtsfreie Räume so
ausfüllen und verfassungsmäßige Randbedingungen so nutzen, daß es nicht
gelingt, die unter dem Gesichtspunkt der Privilegienfestigung kraftlos
gewordenen juristischen Eigentumsverhältnisse an den Produktionsmitteln in
die Gestaltung der Medienwelt hineinzureproduzieren.

4. (Kultur-und Bildungsaufgabe)
Asyntagmatisches Denken, wie es der Multimedia-Trend zu installieren
versucht, sinnlose Diversifikation von Kompetenzen und Wissen muß eine
Gegenströmung erhalten. Informationsgesellschaft und Multimedia sind der
deutliche Überbau eines Medienfeudalismus.










*) (Anmerkung Franz Nahrada: als ich diesen Satz das erste mal las, konnte
ich ihn nicht fassen. Kilometerweise Bibliotheken über Arbeit, und keine
sollte ihren Gegenstand erfaßt haben? Was ist mit den "Arbeitsontologien,
die die "Krisis" so heftig kritisiert, Lukacs und andere Autoren...Doch
langsam wurde mir bewußt daß dieser Satz vielleicht stimmt. Ich erinnere
mich sehr genau als Klaus Haase an der Wiener Universität 1978 oder so
eine Diplomarbeit über den "emanzipatorischen Gehalt der Marxschen
Theorie" vorgelegt hat und darin die "Strukturanalogien von Arbeit und
Denken" etwickelte. Dia alten Linken haben diese Gedanken einfach nicht
verstanden)

**) Anmerkung Franz Nahrada: vgl. Ralf Krämers Analyse der
"Informationsrente!

***) Anmerkung Franz Nahrada: also durchaus als reale Perspektive! auf die
Geschichte und ihre objektive Notwendigkeit sich zu verlassen war schon
immer der beste Weg um auf ihrem Misthaufen zu landen.

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