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Thread: oxdeT03658 Message: 20/29 L2 [In index]
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Re: [ox] Der wilde Dschungel der Kooperation



Hi Stefan und alle Koops,

Stefan Merten wrote:

>>Hätte ich früher die Unterschiede und Defizite
>>hervorgehoben, um die Schärfe und Stärke meiner eigenen Sprachwelt
>>hervorzuheben,
>
> Das "um zu" hatte ich gestern glatt überlesen - oder war es da noch
> nicht drin? Aber dieses "um zu" ist natürlich ein Mega-Problem. Es ist
> eine Entfremdung von deinem eigentlichen Gegenstand. Du
> instrumentalisierst dein Gegenüber dann einfach nur für deine je
> eigenen Zwecke. Das ist nicht nur entfremdet, sondern auch einfach
> doof.

Entfremdung von meinem eigentlichen Gegenstand? Das verstehe ich nicht.
Instrumentalisieren heisst für mich, einen anderen zum Instrument meines
Weiterkommens zu machen, also mich auf Kosten des anderen durchzusetzen.
Das hatte ich doch auch geschrieben, oder?

>>so kann ich heute die Gemeinsamkeiten herausholen und
>>dadurch ein gemeinsames Lernen einleiten. Wenigstens bei mir.
>
> So, wie du das unten tust, ist es - sorry - aber leider auch nicht
> weit von der o.g. Instrumentalisierung entfernt.

Wieso? Weil ich elegant mir die FK hinbiege, um doch wieder als "Sieger"
dazustehen? So hört sich für mich deine Kritik an. - Ich meine nicht,
dass ich mich auf Kosten von Christoph profiliere, sondern woran mir
gelegen ist, ist gemeinsam weiter zu kommen.

> Was ich bei dir lese,
> hat mit dem Spehrschen Begriff der Freien Kooperation kaum noch was zu
> tun. Das ist dein Begriff - dem ich mich natürlich sehr viel näher
> fühle (um mal den Koalitionskreis zu schließen ;-) ).

Gute Basis:-)

> Für mich ist das dennoch ein falscher Ansatz, weil ich den
> Spehrschschen Begriff von Freier Kooperation für so sehr fundamental
> falsch halte, daß da nichts Richtiges mehr bei rauskommen kann -
> zumindest nicht, wenn mensch ihn nicht vollständig entkernt ;-) .

Also entkernen (StefanMn) oder erweitern (Benni) oder reformulieren
(StefanMz).

>>Mir wird
>>dabei klar, dass der alte, abgrenzende Modus strukturell dem Modus der
>>warenproduzierenden Gesellschaft entspricht, in der sich der Einzelne
>>stets auf Kosten anderer behauptet.
>
> Ja. (Merten'sche) Konkurrenz und Eigennutz statt Selbstentfaltung.
>
>>Ein integrierender Modus hingegen
>>guckt erst einmal auf die gemeinsame Schnittmenge,
>
> Hmm... Ich plädiere da lieber für das Zusammen- aber auch
> Auseinandersetzen. Die (bloße) Kelle Harmoniesoße deckt mehr zu als
> auf.

Mein Text war doch inhaltlich nicht anbiederisch? Ich habe doch die
Kritik deutlich beschrieben. Nur habe ich die FK erstmal in einer
bestimmten Weise gelesen - das hatten wir ja schon festgestellt.

>>Er erfordert viel
>>mehr Anstrengung, die Übersetzung zu leisten, weil beim Übersetzen das
>>eigene Gedachte in einer anderen Weise herausgefordert wird, als in
>>der bloße Abgrenzung.
>
> Genau diese Übersetzung habe ich in meinem Abschnitt zur
> Zweckmäßigkeit gemacht: Die Übersetzung des Spehrschen Begriffs der
> Freien Kooperation in die Realität. Leider mit anti-emanzipativem
> Ergebnis.
>
> Aber grundsätzlich hast du Recht. Die Übersetzung in die eigenen
> Sprachspiele ist eine sinnvolle Angelegenheit. Auf die Weise lerne ich
> auch oft viel - wie auch jetzt so langsam in diesen Threads.

:-) Geht mir auch so.

>>Ich will deutlich machen, dass ich im Nichterkennen
>>der qualitativen Unterschiede von <i>personalen</i> Kooperationen und
>>der <i>gesamtgesellschaftlichen</i> Kooperation in der Theorie der
>>Freien Kooperation den wesentlichen blinden Fleck erblicke.
>
> Ja, das deckt sich mit einem Teil meiner Kritik an der Spehrschen
> Begriffsbildung.
>
>>(10) Die Unverhandelbarkeit gesamtgesellschaftlicher Kooperation hat
>>für den Einzelnen einen eminenten Vorteil. Da sie überindividuell und
>>überdauernd besteht, wird meine Existenz auch dann miterhalten, wenn
>>ich mich an der gesamtgesellschaftlichen Kooperation nicht beteilige. >>Diese allgemeine Aussage ist nicht zu verwechseln mit dem konkreten,
>>tausendfach realen Existenzentzug. Dies ist keine Eigenschaft
>>gesamtgesellschaftlicher Kooperation überhaupt, sondern Ausfluss
>>historisch konkreter gesellschaftlicher Kooperations<i>formen</i>. Aus
>>der prinzipiellen Eigenschaft, die je eigene Existenz
>>bedingungsunabhängig erhalten zu können, leitet sich die >>grundsätzliche
>>Möglichkeit ab, eine gesellschaftliche Form zu finden, in der die
>>grundsätzliche Potenz gesellschaftlicher Kooperation auch konkret und
>>für jeden Einzelnen wirksam entfaltet wird. Die Entfaltung aller
>>Menschen ist also keine bloß utopische Idee, sondern genuine Potenz
>>gesamtgesellschaftlicher Kooperation.
>
> Das ist ein wichtiger Gedanke!

Ich freue ich, dass du das hervorhebst (hab ich mir fast gedacht;-)).
Ich halte das nämlich auch für ziemlich wichtig.

>>(12) Die Stärke der Theorie der Freien Kooperation ist, dass sie sich
>>mit einem blinden Fleck anderer emanzipatorischer Theorien sehr
>>ausführlich befasst: Sie spricht über die Sphäre des gesellschaftlich
>>vermittelten Handelns, über den so schwierig thematisierbaren
>>Vermittlungsraum zwischen dem Einzelnen, dem Individuum, und dem >>großen Ganzen, der Gesellschaft. Sie diskutiert den je konkreten
>>Möglichkeitsraum, also all die Handlungsmöglichkeiten, über die ich
>>verfüge auch ohne eine befreite Gesellschaft vorauszusetzen. Sie >>spielt heute und verweist nicht auf ein imaginiertes Morgen. Sie ist >>dabei weder normativ (»du sollst...«) noch moralisierend (»sei ein >>guter Mensch...«), sondern sie spricht über den Alltag, den ganz >>persönlichen und den emanzipatorischer Bewegung.
>
> Das ist aber nicht gerade neu. Im Anarchismus gibt's das an jeder
> Ecke.

Die FK kommt ja wohl auch da her...(auch wenn dir das nicht gefällt)

>>(14) Produkte werden im Kapitalismus als Wertdinge hergestellt, denn >>im Tausch interessiert nicht ihre konkrete Sinnlichkeit, sondern nur >>ihr Wertsein. Das produktive Tun nimmt folglich die Gestalt abstrakter
>>Arbeit an. Ware - Wert - Geld - Arbeit sind unsinnliche Abstrakta, die
>>sich selbst organisierend bewegen, wobei jede Bewegungsrunde auf
>>erweitertem Niveau stattfinden muss. Die Arbeitenden, gleich, ob als
>>Funktionäre der Wert-Selbstbewegung oder als Verkäufer ihrer
>>Arbeitskraft, exekutieren die unerbittliche Eigenlogik dieser Form
>>gesellschaftlicher Kooperation in der Konkurrenz. Die
>>Eigengesetzlichkeit ist nicht verhandelbar, und ob ich rausgehe, ist
>>zwar meine Wahl, einen Einfluss auf die Gesetze der Kooperationsform
>>habe ich damit jedoch nicht. Die Logik ist: Ich behaupte mich nur >>dann, wenn sich andere nicht behaupten. Meine Durchsetzung erfolgt >>notwendig auf Kosten Anderer.
>
> Das finde ich BTW ein bißchen zu verkürzt. Der Handel - also jetzt
> wirklich Geschäftsbeziehungen - kann durchaus eine Win-Win-Situation
> sein.

Nein. Das kommt im nächsten Satz. Grrr, es ist also nicht klar geworden,
das ist wirklich schlecht:-(

> Wie schon bei Christoph halte ich die Reduktion von Gesellschaft auf
> Herrschaftsbeziehungen für eine deutlich zu enge Sichtweise.
>
>>Das gilt für Einzelne wie für personale
>>Kooperationen. Was uns heute als Win-Win-Kooperationen präsentiert
>>werden, sind doch auch nur Win-Win-Loose Verhältnisse.
>
> Du meinst vermutlich "Win-Loose"-Verhätnisse.

Nein, ich meine gerade, das die Behauptung, es gäbe
Win-Win-Kooperationen, verschleiert, dass das in Wirklichkeit
Win-Win-Loose Verhältnisse sind: Wo Win-Win gibt es immer auch einen
Looser. Wenn zwei ein Geschäft machen, macht ein anderer nicht etc. Das
ist strukturell so. Win-Win unter wertförmigen Verhälnissen zu
behaupten, ist Ideologie.

> Eigentlich müßten wir argumentieren, daß es sich um
> Loose-Loose-Verhältnisse handelt, da der Energieeinsatz der
> Beteiligten unter Selbstentfaltungsbedingungen für alle noch viel
> nützlicher wäre. Hier wäre für mich - um das zu x-ten Mal zu
> wiederholen - auch die konkrete Interessenlage *aller* aus diesen
> Loose-Loose-Verhältnissen rauszukommen.

Das finde ich wichtig! Ja, es sind *eigentlich*
Loose-Loose-Verhältnisse. Danke, guter Punkt.

>>Allgemein- und Partialinteressen
>
> Ab hier wird's richtig spannend :-) .

:-)

>>(18) Die Freie Kooperation beginnt hier und heute. Eine Kooperation >>muss sich jetzt als besser erweisen, es muss sich in und mit ihr >>besser leben als ohne sie, es muss sich »lohnen«: »Unter Gleichen >>definieren wir 'es lohnt sich' als: 'Diese Kooperation ist besser für >>mich als wenn ich sie nicht hätte'.
>
> Und auch hier scheint das instrumentelle Verhältnis des atomisierten
> Individuums durch: "Diese Kooperation nutzt je meinem Zweck." - "Und
> wenn ich diese Kooperation ausbeuten könnte, würde sie mir noch mehr
> nutzen." finde ich die ganz natürliche Ergänzung. Wie ich in meiner
> Eingangskritik schon bemerkt hatte, unterscheidet sich die Spehrsche
> Freie Kooperation (z.B.) in dieser Hinsicht nicht vom Liberalismus.

Darauf hat Uli geantwortet - das teile ich.

>>Wir definieren 'es lohnt sich' <i>nicht</i> als: 'Diese
>>Kooperation lohnt sich, weil ich dir weniger gebe als du mir'« (S. >>14).
>
> Eine oekonuxige Sichtweise würde ich mir eher so vorstellen: Die
> Kooperation macht mir Spaß. Da lebe ich einfach drin und tue was ich
> für richtig halte. Wenn ich wenig gebe und viel bekomme ist das
> genauso ok wie umgekehrt.

Diesen Punkt finde ich wirklich einen signifikanten Unterschied. Benni
hat zwar auch mit einem Zitat darauf hingewiesen, dass Christoph das
sieht - aber nur für den Ausstiegsfall. Darin steckt doch die
Überlegung, dass Selbstentfaltung ein Selbstzweck ist: schon die
Tatsache, dass ich mich dort entfalten kann, ist für mich eine so gute
Handlungsmöglichkeit, dass es sekundär ist, was ich von der Kooperation
"noch obendrein" bekomme. Das haben wir ja herausgearbeitet: Geben und
Nehmen sind nicht kontingent verknüpft. Tausch findet nicht statt.

>>Dennoch handelt es sich nicht einen »Tausch«, der etwa »gerecht« sein
>>solle. Darum geht es nicht.
>
> Doch exakt darum geht es. Christoph kann sich aus diesem
> Tauschkontinuum mit den logisch folgenden instrumentellen Beziehungen
> nicht lösen - das ist wie angedeutet m.E. das fundamentale Problem.

Diesen Vorwurf kann ich nicht vom Tisch wischen. Die FK setzt hier und
heute an, und will mit auch den Tausch- und resultierenden
Instrumentalverhältnissen umgehen. Ich habe sie aber so verstanden, dass
sie - da sie als FK _nicht_ "vom Tausch lebt" - diesen also nicht
braucht, mithin auch ablegen kann. FK ist weder tauschfrei oder
tauschbedingt. Sie ist als Prozess offen (insofern auch
instrumentalisierbar).

>>Es geht nur darum, dass die Kooperation so
>>beschaffen ist, dass sich niemand auf je meine Kosten durchsetzt.
>
> Das ist exakt die Definition von Gerechtigkeit, die Christoph mit dem
> "vergleichbaren und vertretbaren Preis" sogar expliziert. Ich verweise
> in diesem Zusammenhang nur auf eine Mail von Petra, die ich wegen
> ihrer Knappheit hier komplett zitiere.
>
> 10 months (300 days) ago RAUNHAAR wrote:
>
>>In einer eMail vom 09.12.2000 16:50:28 (MEZ) Mitteleuropäische Zeit >>schreibt smerten dialup.nacamar.de:
>>
>><< Und noch einen Schritt weitergedacht - und da würde es vielleicht
>> wirklich spannend: Die Tätigkeit von allen, die sich aus der
>> Grundsicherung reproduzieren, müßte per Definition wertlos sein. D.h.
>> die Produkte, die so hergestellt würden, sind grundsätzlich Frei. Das
>> klingt doch nett :-) .
>>
>>... und wäre dann endlich - in einem emanzipatorischen Sinne - >>"Ungerecht". Auch die Vorstellung von "gerecht" und "Gerechtigkeit" >>ist historisches Produkt. "Gerecht" ist Tausch von Äquivalenten. Es >>wäre spannend, eines neues/besseres Wort für den gemeinschaftlichen >>Aufwand und die "Fruchtziehung" in den Kategorien von Bedürfnis(sen) >>und Möglichkeit(en) zu finden.
>>Liebe Grüße, Petra
>
> Wie wahr das ist, daß Gerechtigkeit exakt mit dem Tausch von
> Äquivalenten zusammenfällt, ist mir in den vergangenen zehn Monaten
> immer klarer geworden.

Da stimme ich zu. Deswegen verwende ich den Gerechtigkeitsbegriff auch
nicht (mehr - hab ich doch nicht, oder?). Benni wies darauf hin, dass es
hier nicht um den "liberalen" Gerechtigkeitsbegriff geht (in der FK-Def.
kommt er auch nicht vor), sondern um die strukturell gleichmäßige
Verteilung von Folgen des Scheiterns von Kooperationen. Gerade unter
Bedingungen der globalen Nichtfreiheit (also heute), ist das eine
wichtige und notwendige Überlegung.

>>Ob das
>>gelingt, ist Sache der Kooperation und der Vereinbarungen in ihr.
>
> Wie eine Kooperation sich gestaltet ist aber auch eine Frage der
> Rahmenbedingungen. Und die Spehrsche Freie Kooperation setzt m.E.
> denkbar ungeeignete Rahmenbedingungen.

Bestimmte Rahmenbedingungen werden von PK nicht erreicht (nämlich wie
ausgeführt die auf der Ebene der GK). Andere Rahmenbedingungen schon,
nämlich die Regeln der Koop selbst.

>>(20) Die beiden Bewegungsmodi personaler kooperativer Zusammenschlüsse
>>lassen sich noch schärfer formulieren: Freie Kooperationen sind >>solche, in denen die Entfaltung des Einzelnen die Entfaltung der >>Anderen erfordert.
>
> Wo liest du denn das bitte bei Christoph raus? Das ist die Meretzsche
> oder meinetwegen Oekonux'sche Freie Kooperation.

Ich meine, dass es implizit in der FK drin steckt. Puh, das ist ein
Dreh- und Angelpunkt, ertappt. Ich versuche es mal anhand der drei
Essentials der FK herzuleiten. Das geht allerdings nur, wenn meine
anderen Differenzierungen (PK und GK, Charakter der WVG) klar sind.

(1) Keine Regel (Verfügung etc.) ist sakrosankt, alles ist änderbar.

Das bedeutet, dass es keine Logiken, auch eben gerade auch die der
Wertvergesellschaftung nicht, also des Durchsetzens-auf-Kosten-Anderer,
akzeptieren muss. Ich kann die Regeln der Koop sozusagen wider die Logik
der Wertvergesellschaftung gestalten. Da es das aber nicht als "festen
Regelsatz" gibt, muss es immer wieder hinterfragbar sein.

(2) Einfluss auf Regeln durch zur-Disposition-stellen des Koopbeitrages

Da es keine Möglichkeit gibt, "objektiv" die "richtigen" Regeln zu
bestimmen, müssen sie von den Beteiligten in der Praxis selbst bestimmt
werden. Dabei sind die Regeln für je mich gut und damit für die Koop
selbstverstärkend, die allen die Entfaltung ermöglichen. Die
Intervention der Beteiligten ist die entscheidende Möglichkeit für mich,
von Bedingungen zu erfahren, die anderen ihre Entfaltung schwer machen -
auch wenn sie mir oberflächlich passen sollten. Ich brauche die
Intervention, da es die für die Kooperation die entscheidende sein
könnte, die meine langfristige Entfaltung beschränkt.

(3) Beitrag-zur-Disposition-stellen mit vergleichbaren Folgen

Das ist ganz offensichtlich der schwierigste Punkt: Wie bekomme ich
unter Bedingungen der Wertvergesellschaftung (an die ich erstmal nicht
heranreiche), eine Regelstruktur hin, die allen es in gleicher Weise
erlaubt, zu intervenieren (also 2 auch wirklich zu nutzen)? Bei der FS
ist das deswegen so idealtypisch gelöst (oder angenähert), weil die
individuelle Reproduktion von der FS getrennt ist. Das ist für andere
Koops viel schwieriger, weswegen uns vorgeworfen, es sei nicht
übertragbar. Mit der FK wird nun gesagt: Doch, das was FS quasi
automatisch geschaffen hat, kann man auch unter anderen Bedingungen
versuchen zu installieren.

So, warum folgt aus all dem, das Freie Kooperationen solche sind, in
denen die Entfaltung des Einzelnen die Entfaltung der Anderen erfordert?
Weil nur die Entwicklung einer Koop, die das ermöglicht hat, keine
erzwungene mehr ist. Mein Argument ist also: Es ist kein normatives
Ziel, sondern erreichtes (dynamisches) Ergebnis dann, wenn die drei
Bedingungen der FK voll erfüllt sind. Dabei ist das kein "Zustand",
sondern immer wieder herzustellender und zu überprüfender Prozeß. Es
gibt keine Garantie (auch für FS nicht).

Der Witz der FK-Essentials ist doch der: Wenn sie voll erfüllt sind,
dann gibt es (1) keine Notwendigkeit, Regeln infrage zu stellen - obwohl
sie nicht sakrosankt sind; (2) keine Notwendigkeit, je meinen Beitrag
einzuschränken, obwohl ich es jederzeit könnte; (3) keine Notwendigkeit,
irgendwelche Folgen ertragen zu müssen, weil alle mehr davon haben, in
der Koop zu sein als draussen, weil alle meine Intervention akzeptieren
und wollen - auch wenn nicht alles gemacht, was mir gefallen könnte.
Eine freie Kooperation ist also selbststabilisierend, während eine
erzwungene selbst-destabilisierend ist. Ich kann's nicht besser
ausdrücken im Moment.

>>Denn die Bedingungen sind es, die mir Entfaltung
>>ermöglichen oder nicht. Welche Ausstiegssicherheit brauche ich, um
>>Vertrauen in die Stabilität der Kooperation zu gewinnen? Denn nur die
>>Kooperation, die ich ohne Beschädigung verlassen kann, will ich
>>erhalten.
>
> Nochmal ein konkretes Beispiel: Ich hänge mich in diesen Laden hier
> ziemlich rein. Ich will nicht mal überschlagen, wieviele Stunden ich
> in dieses Projekt schon "investiert" habe. Ja genau: "investiert" ist
> schon die falsche Sprechweise, weil es sich eben gerade *nicht* um
> eine Investition handelt, von der ich mir eine Rendite erwarte. Auch
> wenn ich die natürlich durch euch alle so etwas wie eine
> Erkenntnisrendite kriege, so ist das aber weder etwas, was a priori zu
> erwarten war, noch etwas *weswegen* ich das hier mache. Ich mache es,
> weil es *für mich* wichtig ist. Weil es mir was bringt - nix sonst -
> kein Deal.

Jep, und das ist Klasse so! Du hast erkannt, dass eine freie Koop für
dich das beste Entfaltungsmedium ist und hast eine geschaffen. Perfekt!
Wie ich das oben beschrieben habe: Selbstentfaltung *an sich* ist schon
prima.

Aus der anderen Mail:

> Und genau diese selbstentfalterische Dynamik ist es, die Christoph
> strukturell nicht kapiert.

Kann sein, wird dann Zeit, mit ihm ins Gespräch zu kommen. Er kann sie
kapieren.

> So. Wenn ich nach dem obigen Diktum vorgehen würde, dann könnte ich
> diese Kooperation hier gar nicht mehr verlassen, weil ich die nicht
> ohne Beschädigung verlassen kann. Das hat so tief mit mir zu tun, daß
> ich das aus mir rausreißen müßte und erhebliche Teile meines Selbst
> unwiederbringlich verloren wären. Und glaubt mir: Ich weiß wovon ich
> rede, weil ich das vor ein paar Jahren in ähnlichem Zusammenhang schon
> mal tun mußte :-( .

Die Folgen sind nicht für uns alle gleich oder ähnlich. Jetzt müßten wir
länger und ausführlicher über diese Ungleichheit sprechen und überlegen,
ob wir da was ändern wollen oder nicht. Denn - das habe ich dir schon
öfter als Botschaft übermittelt - es ist mein Interesse, dass es für
dich weiter so bleibt, damit es für mich auch so bleibt.

> Jetzt mal die Regeln der Spehrschen Freien Kooperation angewandt.
> Einfaches und naheliegendes Beispiel wäre, daß es auf der Liste hier
> Entwicklungen gibt, die mir (d.h. meinem Partialinteresse) nicht
> entsprechen.

Partialinteressen sind immer solche, die auf Kosten Anderer durchgesetzt
werden. Warum solltest du das tun? Du würdest dir selbst schaden. Aber
vielleicht meintest du ja eigentlich deine "individuellen Interessen"
(die können partial oder allgemein sein):

> Nach Spehrschen Regeln müßte ich mich jetzt hinstellen
> und erklären: "Entweder ihr macht das jetzt soundso oder sagt dieses
> oder jenes nicht mehr, oder ich verweigere meine Kooperation mit der
> Liste." Das ist doch an sich schon kindisch - d.h. mit Mitteln, die
> ein Kind zur Verfügung hat, die aber deutlich hinter denen
> zurückbleiben, die einE ErwachseneR zur Verfügung haben kann.

Es gab solche Änderungswünsche schon, siehe die Konferenzvorbereitung,
und nicht nur von dir. Da ging es auch immer darum: wer macht wo mit
wieviel Einsatz mit? In einer FK ist es - wie ich schon darstellte -
überflüssig, die letzten Möglichkeiten auch auszuschöpfen. Es ist
hirnrissig, bei Oekonux jetzt ultimativ etwas durchsetzen zu wollen: Ich
muss doch immer gleichzeitig überlegen, was ich da tue, wie ich andere
einschränke, ob ich Prozesse zerstöre - alles Dinge, die ich für (je)
_mich_ brauche. In einer FK liegen alle diese potenziellen
Selbstfeindschaften auf der Hand, in einer erzwungenen Koop nicht, da
sie dort viel "verkleideter", "fetischisierter" daherkommen.

Deswegen schrieb ich auch, dass die FK-Prinzipien erst voll in einer
freien Gesellschaft zum Tragen kommen. Bis damit sind sie Werkzeuge zur
Umwandlung erzwungener in freie Kooperationen - ein offener Prozeß.

> Aber angenommen, ich kann mich mit der angedeuteten Erpressung nicht
> durchsetzen. Dann müßte ich mich trennen und einen Scheidungspreis
> verlangen - immerhin habe ich ja deutlich investiert (im Rahmen der
> Spehrschen Freien Kooperation dann ja ohne Anführungszeichen). Ja, was
> könnte denn das sein? Vielleicht das ich die Bezeichnung "Oekonux"
> mitnehme und hinfort den Rest verklage, wenn sie sie verwenden? Oder
> alle meine Mails aus dem Archiv entfernen? Oder einen Geldbetrag für
> die investierte Zeit fordern? Ihr merkt schon: Das ist einfach absurd.

Ist es. Weil du kapierst, dass du mit Erpressung dir selbst schadest,
weil Oekonux keine erzwungene Kooperation ist, sondern "ziemlich frei".
Und in einer tendenziell freien Koop hast du das nicht nötig, du musst
die grundsätzliche Möglichkeit nicht nutzen. Darin liegt ja der
selbstverstärkende Charakter freier Kooperationen.

> Und wir glaubt ihr, müßte ich mich unter solchen Bedingungen *schon
> vor dem Knall* verhalten? Ich meine, immerhin kann das ja jedeR
> jederzeit tun. Und jedeR kann jederzeit einen beliebigen
> Scheidungspreis fordern - es gibt ja keine sakrosankten Regeln. Glaubt
> irgendwer im Ernst, daß wir unter diesen Faustrechtsbedingungen das
> Klima entwickeln könnten, daß wir hier haben?

Also faktisch bedeutet es: ich gehe einfach raus, fertig. Da ist die
Folge für alle ähnlich: ich bin nicht mehr drin (dein Fall - siehe
oben). Diese einfache Option des Rausgehens macht es auch so angenehm:
niemand zwingt mich. Theoretisch könnte wer einen anderen
"Scheidungspreis" fordern, aber warum? Nicht sakrosankt heisst doch
nicht, es muss in Frage gestellt werden. Es hat sich bewährt und bleibt
so, warum denn nicht, solange es gut funktioniert. Es ist *nur* nicht
sakrosankt.

>>(22) Gute Kooperationen machen automatisch das, was Freie Kooperation
>>als Theorie formuliert.
>
> Die Oekonux'sche Freie Kooperation. Die Spehrsche meiden gute - d.h.
> funktionierende - Kooperationen wie der Teufel das Weihwasser.

Ich habe versucht, zu beschreiben, das die Spehrsche FK eine Dynamik
innewohnen kann, die sich mit der Oekonuxschen deckt. Nicht von
"selbst", sondern dafür müssen wir was tun (nachdenken, diskutieren).

>>Die Tatsache des »hinter-dem-Rücken-Durchsetzens«
>>muss als Ganzes zur Disposition gestellt werden.
>
> Genau. Und die Grundlagen der Macht müssen als Ganzes zur Disposition
> gestellt werden. Genau das leistet die Spehrsche Freie Kooperation
> nicht, sondern bringt nur eine neue, leicht durchschau- und
> widerlegbare Trickkiste.

Sie leistet es teilweise, eben auch der Ebene der PK. Das ist keine
Trickkiste, sondern eine Dynamik, die Handlungsfähigkeit des je
Einzelnen in der Kooperation erweitern hilft.

Ich glaube, daher kommt auch die teilweise enthuisiastische Ausnahme:
Oops, stimmt ja eigentlich, nicht sakrosankt, ich kann ja doch was tun.
- Ein Anstoss, der für viele "Gold wert" ist und der uns, das wurde ja
nun deutlich, nicht weit genug geht.

>>Eine gesamtgesellschaftliche freie Kooperation, eine freie >>Gesellschaft, wirft noch ganz andere Fragen auf, als dies >>Kooperationen unterhalb der gesamtgesellschaftlichen Ebene tun.
>
> In der Tat - zumindest die Oekonux'sche. Die Spehrsche wäre nur die
> sekundäre Barbarei ausbuchstabiert. Aber das schafft uns der
> Kapitalismus auch schon ohne die Hilfe der Spehrschen Freien
> Kooperation.

Sie ist vereinnahmbar, das stimmt.

>>Wie muss ein gesellschaftlicher Vermittlungsmechanismus beschaffen >>sein, der einerseits individuell entlastend, also selbstorganisierend >>ist, andererseits aber von den Menschen nach ihren Kriterien, Regeln >>und Bedürfnissen gesteuert wird?
>
> So wie die Freie Software - zumindest tendenziell.

Jep.

>>(27) Ich hatte dargestellt, dass die freie Kooperation auf der
>>gesamtgesellschaftlichen Ebene an eine unverhandelbare Grenze stößt. >>Im Kapitalismus ist dies die subjekt- und endlose Verwertung des >>Werts, die den »selbstreproduktiven Kern« der warenproduzierenden >>Gesellschaft ausmacht. Auch in einer freien Gesellschaft wird es - wie >>in jeder Gesellschaft - einen solchen »selbstreproduktiven Kern« >>geben, nur wird seine Dynamik anders beschaffen sein. Die Fragen >>lauten nun also: Was kann ein solcher »selbstreproduktiver Kern« sein? >>Wie ist dann das Verhältnis der personalen Kooperationen zur dieser
>>gesamtgesellschaftlichen Kooperation beschaffen?
>
> Ja, das ist eine der spannenden Fragen.
>
>>(30) Daraus ziehe ich für eine freie Gesellschaft folgende Schlüsse:
>>- die gesamtgesellschaftliche Vermittelung ist personal-konkret >>strukturiert
>
> Uuh, unser altes Thema. Ich bin mal wieder unsicher :-( .
> Personal-abstrakt oder vielleicht kooperativ-abstrakt wäre mir lieber.

Bin ich auch unsicher. Abstrakt willst du drin haben, um den
verselbstständigten Charakter von GK drin zu haben, oder? Aber dieser
verselbstständigte Charakter konstituiert sich aus lauter konkreten,
personalen Vermittlungen und gerade nicht aus einem abstrakten
Mechanismus a la Wert. Das ist mir das wichtige daran.

>>- Träger der gesellschaftlichen Vermittlung ist die freie Kooperation
>
> Ja.

Oha - ein ja;-)  ... ja, oekonux'sch...;-)

>>- Kern der freien Kooperation ist die Selbstentfaltung des konkreten
>>einzelnen Menschen
>
> Ja.

Deswegen das "personal-konkret" - aber das müssen wir nicht hier
abschliessend festlegen.

>>- die Sphärentrennungen (Arbeit-Freizeit, Produktion-Konsum,
>>Wissenschaft-Kultur etc.) sind aufgehoben
>
> Ja. Alles ist einfach nur noch Leben mit je konkreten und
> individuellen unterschiedlichen Ausgestaltungen.

Grünau.

>>- eine freie Kooperation kann
>>alles sein, alles kann freie Kooperation sein
>
> Wenn's unbedingt sein muß... Aber dann nur die Oekonux'sche ;-) .

Frei ist frei;-)

>>(31) Welche konkrete Ausprägungsform die Kooperationen haben, wie groß
>>sie sind, wie sie ihre interne Struktur bilden, welche Regeln sie sich
>>geben, wie sie sich mit anderen vernetzen - all das ist Sache der
>>Kooperationen und der in ihnen tätigen Menschen.
>
> Jein. Wie du beschrieben hast, ist jede personale Kooperation
> eingebettet. Und ich würde denken, daß es da auch noch eine kulturelle
> Komponente gibt, einen Satz von kulturellen "Do's" und "Don'ts". Der
> würde die personalen Kooperationen sicher ähnlich vorstrukturieren wie
> es die Demokratie heute tut. Konsensverfahren geben hier m.E. wichtige
> Hinweise - neben der Freien Software natürlich, bei der diese ja auch
> häufig vorkommen.

Zustimmung, es schränkt das obige gesagte aber nicht ein. Es gibt immer
Vorstrukturiertes - nur ist diese nicht heilige Kuh.

>>Die drei Prinzipien
>>freier Kooperationen kommen erst in einer freien Gesellschaft voll zum
>>Tragen, da erst hier die individuelle Existenz bedingungslos, also >>ohne Kopplung an eine zu erbringende Leistung erhalten wird.
>
> Eins ist für mich klar: Eine Freie Gesellschaft muß auf der Grundlage
> von Überfluß stattfinden. D.h. die existentielle Absicherung für jeden
> einzelnen Menschen muß a priori gegeben sein.

Es muss aber einen Weg dahin geben - das ist das *eigentlich*
Schwierige. Setzt du es voraus, kannst du es knicken - wer soll es schaffen?

> Ob die gegenseitige Erpressung der Spehrschen Freien Kooperation da
> noch eine große Rolle spielen kann, ob Macht bei Menschen, die sich in
> Selbstentfaltung befinden, überhaupt noch greift? Ich habe da
> erhebliche Zweifel.

Eine Erpressung gibt es nur in erzwungenen Koops, deswegen wird es die
nicht mehr geben (Ja, ja, Ralf, es wird sie schon noch geben, aber nicht
mehr als dominantes Prinzip).

>>Erst dadurch
>>wird die je individuelle Entfaltung auch angstfrei möglich, erst >>dadurch können die je individuellen Potenzen zum Tragen kommen, erst >>dadurch gewinnen Konflikte ihre Eigenschaft als Anstoß zu neuen >>Entwicklungen zurück.
>
> Dazu brauchst du keine Freie Kooperation sondern nur einen klaren
> Verstand und manche vielleicht ein bißchen Auseinandersetzung mit sich
> selbst.

Mit ein paar Kriterien im Koppe setzt es sich leichter auseinander mit
sich selbst;-)

> Und noch kurz zu deiner anderen Mail dieses Threads.
>
> Yesterday Stefan Meretz wrote:
>
>>Was ich also bestreiten würde, ist der eigenständige Charakter der
>>anderen Formen (sei es Geschlecht, Alter, Ort, Kultur etc.). >>Vielleicht sieht man es auch daran, dass ich diesen "Kern" der >>Vergesellschaftung, diese Logik, durch eine andere ersetzt habe will - >>während die anderen Aspekte bleiben werden (in diesem Sinne auch gar >>nicht abschaffbar sind) und sich dann "nur" in ihrer Durchdringung >>durch den neuen "Kern" der Vergesellschaftung ändern werden. - Aeh, >>kann mir noch jemand folgen?
>
> Ja, und ich finde das sehr richtig. Meine Konferenzbeitrag sollte so
> etwas ähnliches andeuten.

Das sieht Benni anders und da will ich auch noch was zu schreiben - aber
nicht mehr heute. Puh.

Ciao,
Stefan

--
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