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Re: [ox] Re: Doppelt Freie Software



Hallo Stefans und Liste!

Im Grunde nur Zustimmung:

At 17:35 22.04.02 [PHONE NUMBER REMOVED], Stefan Merten wrote:
Last week (7 days ago) Stefan Meretz wrote:
> Thomas Berker wrote:
>> Es gaebe noch eine andere Sicht auf den Zusammenhang zwischen "Werk"
>> (hier also das Stueck Software), Produktion und Konsumption (der
>> Gebrauch) in der "doppelt freien" Software. Demnach waere die Grenze
>> zwischen allen drei Bereichen schwaecher, das "Werk" dynamischer (nie so
>> richtig fertig und stets anpass- und veraenderbar), die Konsumption und
>> die Produktion enger miteinander verkoppelt.

Diesen Trend kannst du seit Beginn der Industrialisierung beobachten.
Er hängt überaus eng mit den verfügbaren Produktionsmitteln zusammen,
die eben im Laufe der Zeit auch immer mehr (technische) Freiheitsgrade
bekommen haben und damit einerseits mehr Freiheitsgrade bei der
Produktgestaltung erlauben (incl. Individualisierung) und andererseits
durch Abfordern von Kreativität bei den mit ihnen Schaffenden mehr
Selbstentfaltung ermöglichen.

Ja, vielleicht aber durch eine ein bisschen mehr dialektische statt evolutionistische Brille gesehen: Industrialisierung fuehrte im Taylorismus durch die _Trennung_ von Planung und Ausfuehrung der Produktion zu nie geahnter Produktivitaet. Das Paradigma setzte sich quer zu allen Systemgrenzen im Lauf des 20. Jahrhunderts durch. Im Fordismus mit seinem Massenkonsum wird das um die Trennung von Produktion und Konsumtion ideal ergaenzt. Das Ergebnis ist ein "Konsument" auf der einen Seite, der/ie weder in der Fabrik noch sonstwo irgendwie an der Produktion (im engeren Sinne von Gestaltung) beteiligt ist, und ein "Spezialist" auf der anderen, der/ie als TechnokratIn die Sachzwaenge verwaltet. Und das nur nebenbei: Der Do-it-yourself Hobbyist (immer maennlich) ist eine Variante des reinen "Konsumenten", in ihm und seinen Stammtischen und Basteleien steckt immer schon schon viel von Freier Software.

Gegen beide Trennungen gabs einen Haufen Rebellion in den 70ern, die Konsumkritik fuehrte recht schnell in die asketische Landkommune, die wir alle nicht moegen und ein paar von den Spezialisten waren auch nicht so recht gluecklich mit was sie da taten und wollten ihre "Kreativitaet" nicht weiter beschnitten wissen.

Dieser historische Megatrend wird aber in der Tat erst...

Oder: Diese historische Situation schlaegt aber erst um als der allseitige Widerstand sich mit Produktivitaetskrisen des Taylorismus und Fordismus vereint.

>> Das ist die Folge aus
>> Prinzipien, wie "release early, relaese often" und der damit
>> zusammenhaengenden kontinuierlichen "Peer Review" ebenso wie aus dem
>> eigenen Bedarf fuer das Produkt ("developer's personal itch"). Und nicht
>> zuletzt sind offene Quellen natuerlich die Einladung, das Produkt
>> weiterzuproduzieren.

...durch das in Freier Software verwirklichte Produktivkraftmodell
wirklich auf den Punkt gebracht. In der Tat scheint es sich auch mir
um eine ganz andere Art der Produktion zu handeln, wenn das
eigentliche Produkt so ungeheuer flüssig ist wie (nicht nur) bei
Software an der Tagesordnung.

Ja, es bringt Anti-taylorismus und Anti-fordismus auf den Punkt. Hier ist es mit dem der untergegangenen New Economy Fuzzies verwandt, die haben auch versucht, die radikale Antithese von Ford und Taylor zu formulieren (und zu leben). Ihre Versprechen waren auch Selbstentfaltung und viel bessere Arbeit (als Produkt und als Prozess). Sie warens offensichtlich nicht.

Und schliesslich:

>> Dem Produkt, also der Software sieht man diese einfache Freiheit dann
>> halt doch an, entweder es kommt als geschlossene Blackbox, also als
>> fertiges Produkt oder es laesst die Box offen und legt die Quellen bei.
>
> Hm, das setzt aber die "Wertfreiheit bzw. "Zeitfreiheit" nicht notwendig
> voraus. Das geht auch mit "einfach freier Software (im alten Sinne)".
> Mehr noch: Das Absenken der Barriere zwischen Produktion und Konsum
> bedeutet IMHO nicht automatisch eine Minimierung der Entfremdung, wenn
> der dahinterstehende Zweck ein dritter ist: Geld zu machen. Dann sind
> bestimmte Bedürfnisse - in Produktion und Konsum - eben schlicht nicht
> realisierbar, weil sie nicht der Rationalität der Warenproduktion
> unterliegen.

Hier würde ich Stefan zustimmen. Du kannst die Trennung zwischen
Konsumtion und Produktion soweit aufheben wie du willst: Unter
Geldbedingungen werden dennoch nur die zahlungskräftigen
Konsumtionswünsche erfüllt werden.

Muss ich nochmal drueber nachdenken und das mache ich wahrscheinlich besser im Subsistenz-Thread: Denn Selbstversorgung, das radikalste Ineinsfallen von Produktion und Konsumtion, das ich mir vorstellen kann, hat freilich zwangslaeufig nicht viel Sinn fuer Geld, q.e.d. Aber vielleicht bin ich damit auch genau in der Sackgasse meines Arguments. Mal sehn!

thomasb

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