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Re: [ox] Begrifflichkeiten



Hallo Stefan und alle,

On Thursday 26 September 2002 00:09, Stefan Seefeld wrote:
Nicht nur "im Grunde", sondern es gilt für alle "abstrakten
Repräsentationen" der Welt, für alle Begriffe - verstanden eben als
von der Sinnlichkeit der Dinge abstrahierenden Symbolbedeutungen in
Sprachform (es gibt noch anderen Formen...). Aber "abstrakt" verwirrt
hier, denn es klingt wie "unsinnlich". Das trifft aber nicht zu, denn
für uns haben die sprachlichen Symbole eine Form von Sinnlichkeit
gewonnen, weil sie die Bedeutungen der Realität - unterschiedlich gut
- abzubilden vermögen. Das ist eine sehr praktische Angelegenheit.

kannst Du darauf ein bischen genauer eingehen ? Begriffe sind
nat"urlich immer abstrakt, sie klassifizieren / diskretisieren eine
Welt, die kontinuierlich ist. Aber je besser sie definiert (lies:
begrenzt) sind, um so konkreter und somit sinnlicher (um Deinen Begriff
zu gebrauchen) sind sie.

Begriffe sind nicht diskret, denn sie _sind_ diese Welt (ein Teil davon), 
die du kontinuierlich nennst, und nicht etwa von ihr getrennt. Eine 
Definition (ok: Begrenzung oder Abgrenzung) ist überhaupt nur möglich, 
wenn "irgendwie" eigentlich schon klar ist, was da begrenzt werden soll. 
Auch die Begrenzung selbst ist eigentlich nur möglich, wenn die Grenze 
"irgendwie" schon klar ist. - Das nenne ich das Definitions-Paradoxon.

Das muss man sich klar machen. In der Wissenschaft wird demgegenüber oft 
so getan, als ob mit der Definition quasi der Begriff auf die Welt kommt. 
Das ist natürlich Quark, aber man schafft sich eine Menge von Problemen 
vom Hals. Von der guten Definiertheit hängt aber nicht ab, ob ein Begriff 
konkret, sinnlich, also praktikabel wird. Sondern von dem, was das 
definiert, also abgegrenzt wird. Wenn ich Schrott klar definiere, bleibt 
es Schrott. Und es gibt viele undefinierte Begriffe, die ziemlich 
wirkmächtig sind. Aus Definiertheit folgt nicht Sinnlichkeit und 
umgekehrt.

Mal ein Beispiel: Arbeiter und Kapitalist. Diskret? Niemals, weiss doch 
heute jede/r: Ich-AG. Klar definiert? Klar, ist möglich. Haben 
Generationen von Marxographen getan. Deswegen konkret, sinnlich und 
praktikabel? Na ja, teilweise. Nämlich zu der Zeit, als die Definition 
noch halbwegs auf die Wirklichkeit passte. Heute: nicht mehr. Heute 
kapieren wir (potenziell): Das ist ein Dualismus, der das Denken 
verstellt. Er führt zu Personalisierungen (gut vs. schlecht) und 
statischem Denken. Dabei ist der Witz: Der Kapitalismus funktioniert 
subjektlos selbstgesteuert, eben wie eine kybernetische Maschine (musste 
ich doch mal wieder plazieren, hihi:-). Da quälen sich Generationen mit 
Arbeiter-Kapitalisten-Dualismen ab und am Ende stellt sich raus, das es 
"nur" verschiedene Funktionen im gleichen Prozess sind (G-W-G'), die 
zunehmend verschmelzen (die Frage der ungleichen Verteilung von Mitteln 
ist eine andere Frage). 

Arbeiter und Kapitalist: irgendwie klar und einfach, aber nutzlos, weil 
praktisch obsolet. Was heisst Aufheben des Dualismus? Na, eine Situation, 
in der es weder noch gibt, nicht mehr personal und nicht mehr als 
Funktionen, weil der umgreifende Prozess ein anderer ist (nicht mehr 
G-W-G'). Diese mögliche Entwicklung kann ich mit Dualismen nicht denken. 
Dualismen kennen keine Entwicklung.

Wenn man also auf Sinnlichkeit verzichtet, dann weil man stattdessen
Gemeinsames hervorhebt. Was aber ist Dualismen gemein ? Und inwiefern
finded man dies dann in dem Begriffspaar Kooperation / Konkurrenz ?

Das hat Petra vorgeführt: wenn p, dann nicht q. Wenn nicht Kooperation, 
dann Konkurrenz. Das ist einfach schlicht nicht so. Ganz praktisch. 
Dualismen tun aber so, als ob es so wäre. Alle (fast alle) scheinbar 
klaren Beispiele von Petra (sorry, Petra, ich ziehe es mal hier rein) 
sind einfach nicht zutreffend. Denn allen Dualismen ist eines gemein: Sie 
sind zirkulär konstruiert. p ist durch q definiert, nämlich als nicht q, 
und umgekehrt. Und der Definitionsraum wiederrum durch seine Elemente p 
und q. Wenn ich aber null Vorstellung habe, was denn p sein könnte, dann 
werde ich nie etwas von p erfahren können. Dito für q. Ich muss also den 
Definitionsraum überschreiten. Damit habe ich das o.g. Problem des 
Definitions-Paradoxons. Mathematisch hat sich Hilbert damit 
rumgeschlagen. Axiome sind dort eine Lösung, aber auch nur dort.

Für mich klingt es völlig komisch, etwas, was wir sowieso immer so
tun, weil es auch gar nicht anders geht, "Vereinfachung" zu nennen.
Ich würde es einfach Praxis nennen. Wie will ich messen, ob diese für
je mich "einfach" oder "kompliziert" ist? Von welchem Standpunkt
aus??

Aber man kann doch mehr oder minder pr"azis mit Begriffen umgehen, oder
mehr oder minder pr"azis definierte Begriffe benutzen. Ich finde die
Frage der Vereinfachung durch (unn"otig) grobe Kategorien gar nicht
unsinnig. Und messbar ist das Mass der Vereinfachung doch auch. Warum
sonst w"urden wir "uber den Dualismus Begriff streiten ? :-)

Wie würdest du es messen wollen? Wie willst du wissen, was für mich 
einfach ist und was nicht? Was ist das Mass, was der Massstab? Was 
begründet deinen Standpunkt deiner Beurteilung?

Ich kenne nur ein Mass, und das ist die Praxis. Und die ist jeweils völlig 
verschieden - abhängig von so ziemlich allen Parametern, die man sich nur 
einfallen lassen kann.

Ciao,
Stefan

--
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