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Re: [ox] Konkurrenz, Vielfalt und Selektion



Hi Kooperanunkii, hi Thomas,

On Wednesday 18 September 2002 16:14, Thomas Berker wrote:
Aber erstmal nochmal zurueck zum Ausgangspunkt: Was ist eigentlich so
fies an Dualismen?

Schöne Frage, aber leider antwortest du darauf nicht. Oder ich kapiere es 
nicht, oder ich verstehe dich total miss.

Ok, sie verschleiern Realitaet, indem sie vereinfachen.

Das ist IMHO überhaupt nicht das Problem. Denn, wie du ja selbst 
schreibst:

Das gilt
allerdings auch fuer die meisten (ganz und gar undualistischen)
Metaphern oder auch fuer multidimensionale Modelle, also im Grunde alle
abstrakten Repraesentationen der Welt.

Nicht nur "im Grunde", sondern es gilt für alle "abstrakten 
Repräsentationen" der Welt, für alle Begriffe - verstanden eben als von 
der Sinnlichkeit der Dinge abstrahierenden Symbolbedeutungen in 
Sprachform (es gibt noch anderen Formen...). Aber "abstrakt" verwirrt 
hier, denn es klingt wie "unsinnlich". Das trifft aber nicht zu, denn für 
uns haben die sprachlichen Symbole eine Form von Sinnlichkeit gewonnen, 
weil sie die Bedeutungen der Realität - unterschiedlich gut - abzubilden 
vermögen. Das ist eine sehr praktische Angelegenheit.

Also: von der Sinnlichkeit der realweltlichen Gegenstände wird abgesehen 
(abstrahiert), dennoch sind sie, die Begriffe, für uns sinnliche, 
bedeutungsvolle Entitäten, weil wir mit ihnen die Welt denkend 
strukturieren. Und das können sind sie nur, weil sie auch wirklich - und 
nicht per Verabredung oder Willkür - die Realität widerspiegeln.

Noch anders: Es gibt überhaupt keinen anderen Zugang zur Welt als über 
diese von mir beschriebene Praxis, dessen Bestandteil die sinnliche 
Wahrnehmung (Denken und Fühlen) ist. Es gibt keinen anderen, etwa 
"direkten" Zugang zur "Realität" als den über unser Handeln.

Und diese ermoeglichen uns
andererseits, Realitaet zu be'greifen'. Realitaet (als paramount
reality) wuerde uns unentwegt ueberwaeltigen,

Nein, denn das würde implizieren, wir hätten eine "paramount Praxis", in 
der wir sozusagen "gleichzeitig" an allen Orten und Dimensionen tätig 
sind. Schon physisch haben ist uns immer nur ein Ausschnitt der Welt 
"zugewandt". Und aus diesem Ausschnitt sondern wir - jeweils individuell 
völlig unterschiedlich - die je individuell bedeutsamen Dinge aus.

Für mich klingt es völlig komisch, etwas, was wir sowieso immer so tun, 
weil es auch gar nicht anders geht, "Vereinfachung" zu nennen. Ich würde 
es einfach Praxis nennen. Wie will ich messen, ob diese für je mich 
"einfach" oder "kompliziert" ist? Von welchem Standpunkt aus??

wenn wir sie nicht
zuweilen (miss)verstehen wuerden als unsere kleine Welt, in der alles
griffbereit an seinem Platz liegt.

IMHO ist das kein Missverstehen, sondern das ist schlicht immer so. 
Niemandem ist die große Welt irgendwie "auf einmal" und "unmittelbar" 
zugänglich.

Was man greifen kann, kann man
umbauen, bewegen, kann man verwerfen. Damit sind Dualismen immer auch
maechtige politische Werkzeuge. Die Geschichte v.a. des 20.
Jahrhunderts zeigt das in all seiner Grausligkeit. Da wurden Millionen
von Menschen bewegt und verworfen. Die Welt mit dem Dualismus in
Einklang zu bringen, da steckt ein Haufen gewalttaetiger Zurichtung.

Warum sind gerade Dualismen mächtige politische Werkzeuge? Sind das nicht 
auch ganz und gar undualistische Begriffe?

Ich stimme Jobst gleichwohl zu, dass eine Gegnerschaft zu zentralen
Dualismen sich selbst hinterfragen kann: Wird ein Modell zwingend
dadurch besser (demokratischer, menschlicher, wahrer), dass es
komplexer ist als ein Dualismus?

Die Frage verstehe ich nicht. Wieder: Was hat das mit "Dualismus" zu tun? 
Und: Was heisst "komplexer"? Wer bestimmt das, nach welchem Maß?

Ja und nein. Im Einklang mit Jobst
glaube ich, dass das komplexere Modell tendenziell mehr Einsicht bringt
und weniger Handlungsmoeglichkeiten.

Das verstehe ich nun schon völlig überhaupt nicht mehr. Mehr Einsicht, 
aber weniger Handlungsmöglichkeit?

Insofern waere die Antwort: Ein
Modell der Realitaet sollte so komplex wie moeglich sein und so einfach
wie noetig. Und manchmal sind vielleicht sogar Dualismen (so
dumm-einfach sie immer sind) genau das. Und oft ist gar kein Modell
noetig, weil sich das schon irgendwie ordnet.

Ja. Praxis eben. Ich ahne irgendwie, dass du was anderes meinst, als ich 
hier verstehe, aber ich komme nicht dahinter...

<snip>

Mir fällt bei Fiesheit von Dualismus eher das ein:

- Dualismen sind statisch, die Dimension der Entwicklung fehlt
- dies sowohl in Bezug auf ihre Pole wie ihre (Ausschluss-)Beziehung
- Dualismen sind inadäquat, sie spiegeln Realität nur "tunnelartig" wieder
- dualistisch strukturierte, tunnelartige Blicke führen zu einer
  ebensolchen sinnlichen, aber verkürzten Wahrnehmung
- das wiederum eng die Handlungsmöglichkeiten ein, produziert Normierungen
  und Ausschlüsse

Das alles hat IMHO erstmal nix mit Einfachheit oder Komplexität zu tun. 
Dualismen könne beliebig komplex sein, das ändert gar nichts. Auch nicht, 
wenn man etwa drei Pole aufmacht.

Die Überwindung des Dualismus ist die Dialektik (witzig im "Empire": da 
wird gegen die Dialektik argumentiert, wobei alles Kritisierte Dualismen 
sind, und dies dann auch noch in einer sehr dialektischen Weise - das nur 
btw.). What the hell is "dialectics"? Na ja, muss ich jetzt nicht 
beantworten:-)

Indem man Kooperation und Konkurrenz gegenuebersetzt und damit zwei
Sorten sozialen Handelns fein saeuberlich trennt, erlangt man die
Legitimation, bestimmte Sphaeren (naemlich die der Konkurrenz) als jene
zu markieren, die von einer absoluten uebergeordneten Macht (Staat
z.B., aber auch Volk oder Gemeinwesen oder Gruppenstandpunkt???)
kontrolliert werden muessen. Diese Macht injiziert sozusagen wieder
Kooperation in ein Feld (angeblich!) wilder Konkurrenz und bewahrt es
vor Anarchie, Chaos, Selbstzerstoerung. (Anmerkung: Im neuesten
Herrschaftsthread wird dies vom systematischen Soziologen reproduziert
als die Annahme ohne Herrschaft wuerde Gesellschaft in Chaos zerfallen)

Ack.

Ist man interessiert an Kritik dieser Realitaet und/oder der
Machtrelationen und Institutionen, die durch den Dualismus legitimiert
werden, dann kann man
1) versuchen nachzuweisen, dass die Welt komplexer ist als das Modell.
Das ist bei Dualismen oft recht einfach. Das laeuft in unserem Beispiel
darauf hinaus zu zeigen, dass Konkurrenz und Kooperation haeufig
gemischt auftauchen,

Gemischte Dualismen bleiben Dualismen. Das ist kein Gegenargument. Das ist 
noch voll komplatibel.

Was Benni macht, ist etwas Anderes: Er praesentiert Freie Software
Entwicklung als etwas, dessen besondere Qualitaet darin bestehe, dass
das dualistische Modell Koop-Konk nicht zutreffe.

Ja, aber nicht, in dem er behauptet, da herrsche eine coole Mischung. So 
verstehe ich es wenigstens. Sondern da sind Kooperation und Konkurrenz 
aufgehoben, und etwas Neues ist an den Platz getreten. Sowas kann so'n 
systematischer Soziologe übrigens kein bißchen denken: Der systematisiert 
ja immer nur das, was da ist.

Ciao,
Stefan

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