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[ox] Bildet NutzerInnengemeinschaften!



Hallo! 

Im folgenden möchte ich die realutopisch-konkrete Idee der 
NutzerInnengemeinschaft (Arbeitstitel) vorstellen, für deren Umsetzung 
computer-technisch versierte Leute gesucht sind bzw. deren (vielfache) 
Realisierung derzeit an der Technik scheitert. Ich möchte deshalb mal alle 
fragen, ob es sowas schon irgendwo gibt oder ob es jemensch realisieren 
kann. Die NutzerInnengemeinschaft dient dazu, mit dem Aufbau einer anderen 
Gesellschaft jenseits von Tauschwert und Herrschaft zu beginnen - als ein 
erster Schritt, der mir sehr vielversprechend erscheint. Aber lest selbst 
und leitet diese Mail bitte an möglicherweise interessierte 
Leute/Kreise/Listen/Webforen etc. weiter. Vielen Dank für Rückmeldungen, 
Vorschläge und Kritik! (Diskutiert oder plant gleich in Euren 
Zusammenhängen weiter oder meldet Euch bei einfreunddesmaquis gmx.de .) 

So soll die NutzerInnengemenschaft laufen: 

Alle Mitglieder der Gemeinschaft stellen Dinge, die sie nicht permanent 
brauchen ins Internet. Alle anderen, die etwas davon brauchen, können es 
sich bei der Person ausleihen. Die Ausleihe ist dann jeweils eine 
individuell getroffene Vereinbarung zwischen Ent- und VerleiherIn (mit 
Absprachen über Risikoverteilung, Rückgabetermin etc.). Man könnte also 
z.B. auch vereinbaren, daß jemand eine Sache dauerhaft behalten kann, wenn 
er/sie sie selbst wieder zur Ausleihe anbietet. Etwas ohne 
Rückgabeforderung anbieten können sollte man natürlich sowieso auch 
können. Auch die Möglichkeit, nach etwas nicht Angebotenem zu suchen, 
müßte gegeben sein. Oder man könnte sogar aufgrund eines kollektiven 
Nutzungsinteresses etwas kaufen, daß dann über eine anfängliche Leihgebühr 
abgezahlt wird oder, oder.... Die Gesamtheit der TeilnehmerInnen des 
Systems ist zwar theoretisch nicht begrenzt, aber damit es funktionieren 
kann, sollten alle untereinander bekannt sein und möglichst nahe zusammen 
wohnen. Neben der Lis te mit den Gegenständen/Fertigkeiten/Strukturen und 
TeilnehmerInnen müßte es auch so ein Bewertungs- oder Berichtsforum geben, 
wo über die Verleih- und sonstige Kooperationsformen berichtet wird, falls 
sich Leute nicht an Absprachen halten, Geld verlangen oder sowas. 
Letztlich also alles nicht viel anders als es in Einzelfällen unter 
FreundInnen von Mund-zu-Mund läuft. Nur wäre eine solche internetbasierte 
NutzerInnengemeinschaft viel praktischer, umfangreicher, mit mehr 
politischer Ausstrahlung und der Möglichkeit einer kollektiven, 
planerischen Gestaltung des Warenpools ausgestattet, ohne daß die Leute 
gleich in Groß-WGs oder Kommunen wohnen müssen. Mit der 
NutzerInnengemeinschaft wären einige Probleme von Umsonstläden entschärft 
(s.u.). 

Technische Anforderungen: 

Allerdings bräuchte jede NutzerInnengemeinschaft eine 
betreuungsunaufwendige Internetseite, die folgenden 
(Mindest-)Anforderungen genügen müßte: Persönlicher Zugang mit Paßwort zum 
Waren einstellen und Adressen, Telefonnummern anschauen; die 
entsprechenden Internetseiten mit einer Datenbank, aus der hervorgeht, was 
wer anbietet und ob es bestimmte Bedingungen für die Nutzung von etwas 
gibt; die Datenbank sollte möglichst in verschiedener Weise sortierbar 
sein, insbesondere nach Art der Gegenstände (Werkzeug, Bücher...) und nach 
den Mitgliedern; Möglichkeit nach einem konkreten 
Gegenstand/Fertigkeit/Struktur zu suchen; Möglichkeit zur Aufgabe von 
"Suche-Anzeigen"; Bewertungs- und Berichtsforum; eine ständige Buchführung 
über Ausleihen ist wohl überflüssig und unflexibel, die Möglichkeit in 
Einzelfällen zu entsprechenden Vermerken (z.B.: ausgeliehen bis ...) von 
Seiten der EigentümerInnen müßte aber dennoch da sein. Diese technische 
Plattform ist natürlich umso besser ist, wenn die verschiedenen 
Gemeinschaften möglichst viel an dem technischem System nach ihren 
Wünschen einrichten könnten (Module/Funktionen an/abschalten) und das 
alles auch noch möglichst einfach ginge. Außerdem müßte das System 
prinzipiell ausbaufähig sein. Gesucht wird also eine Person oder besser 
Gruppe, die entweder so eine Internetseite für verschiedene 
NutzerInnengemeinschaften anbieten kann oder die das Nötige (ein Programm 
oder was immer man dafür braucht) für die verschiedenen 
NutzerInnengemeinschaften zur Verfügung stellen kann. Wobei es vermutlich 
erstmal darum ginge, mit der Entwicklungsarbeit überhaupt anzufangen. 

Vorteile/Probleme: 

Das Gute wäre, daß man vermutlich tatsächlich sehr viele Dinge einfach 
teilen/verleihen könnte bzw. Zugriff bekommt auf Dinge, ohne für sie 
lohnarbeiten zu müssen: Werkzeuge und Geräte, Eiscrusher, Weingläser, 
Auto, Wochenendhaus, Bücher, CDs etc.pp. Gut wäre auch, daß man sich 
kennt, eine höhere Verbindlichkeit und mehr Vertrauen entsteht - man kann 
mit dem Angebot planen, weiß wem man was gibt und man kann sich auch mal 
treffen, um die NutzerInnengemenschaft weiterzuentwickeln, neue Leute 
aufzunehmen oder Probleme auszuräumen. Zudem kann man so auch Dinge 
teilen, die man eigentlich braucht und die man deshalb nicht endgültig 
weggeben möchte. Und es gibt anders als bei Kommunen mit 
Gemeinschaftseigentum eine sehr niedrige Ein- und Ausstiegstiegshürde. 
Gegenstände wären ja zudem nur ein Beispiel der gemeinsamen Nutzung, 
ebenso könnte man über das System Fertigkeiten zur Verfügung stellen oder 
auch Strukturen, wie etwa Partyraum- oder Werkstattzeiten, gut 
ausgestattete Küchen etc. 

Solche NutzerInnengemeinschaften sind unter den bestehenden Umständen 
natürlich auch nicht gegen alles gewappnet. Vielleicht haut doch mal 
jemand mit einem Teil ab oder es geht was kaputt und niemand bezahlt es 
oder die Inanspruchnahme von einzelnen Leuten oder Dingen wird sehr 
ungleich oder extrem hoch. Andererseits kann man in einer Gemeinschaft von 
Bekannten aber über so etwas reden und kreative Lösungen ersinnen oder man 
kann sich individuell verweigern mit manchen Leute zu kooperieren oder 
(drohen) bestimmte Waren aus dem System (zu) nehmen. 

Nützlicher als Umsonstläden?: 

Umsonstläden haben ja das Problem, daß sie eine Kooperation auf sehr 
fortgeschrittenem Niveau sind. Deshalb funktionieren sie heutzutage auch 
nur eingeschränkt: Es gibt überwiegende schlechte Ware; es muß ständig 
viel Service-Zuarbeit erledigt werden; ein zusätzlicher Raum muß her und 
bezahlt oder andauernd verteidigt werden; Leute mit Geld oder teuren Waren 
erleben das Weggeben als Wohltätigkeit (weil sie ja den Umsonstladen 
selbst nie brauchen und auf sichere Einnahmen verzichten); arme Leute 
können den Umsonstladen als Einnahmequelle betrachten (also Kram mitnehmen 
und verkaufen); die Versorgungssicherheit für die Einzelnen ist zu gering, 
um darauf den Verzicht aus Einnahmen aus der Lohnarbeit zu gründen; es 
kommt eher die Message rüber, daß man "kostenlos verkauft", als daß man 
kooperativ teilt; ein Umsonstladen alleine vergrößert nicht die 
Möglichkeit gemeinsam emanzipatorisch zu handeln, also etwa den 
gemeinschaftlichen Warenpool zu verändern/erweitern. Von der 
Umsonstladenkooperation hätte man (als Weggebender) vor allem dann etwas, 
wenn alle dabei mitmachen, d.h. wirklich zuverlässig alles mehr oder 
minder jederzeit zu haben ist. In der Utopie sollte das so sein, es z.B. 
gemeinsame Vorrats-/Teilelager geben, aber auf diesem Niveau eines 
intuitiven, gemeinschaftlichen Besitzes sind wir wohl noch nicht. Eine 
NutzerInnengemeinschaft käme einer echten Freien Kooperation/Freien 
Vereinbarung, wo man über Bedingungen der Gemeinschaftlichkeit verhandeln 
kann und aktiv daran arbeiten kann, eine unterschiedliche Verteilung von 
Verhandlungsmacht bzw. Herrschaft auf den verschiedenen Ebenen abzubauen 
näher. Ein solches System gewährleistet eher, daß es individuell von 
Vorteil ist, die Kooperation auszubauen oder daran teilzuhaben. Bei einem 
Umsonstladen sind die Güter immer weg, eine gemeinsame Nutzung ist nicht 
möglich. In einer NutzerInnengemeinschaft kann man sich darauf verlassen, 
an bestimmte Dinge zu kommen, auch wenn man gerade wenig Geld hat. Die 
Gemeinschaft trägt also dazu bei, die Verhandlungsmacht an anderer Stelle 
zu erhöhen und emanzipatorische Spielräume zu vergrößern, sei es, um nicht 
mehr jeden Job annehmen zu müssen, mal einen Rauswurf riskieren zu können 
oder die Lohnarbeitszeit zu reduziert. 

Wobei natürlich klar gesagt werden muß, daß die beiden Ideen nicht 
gegeneinander stehen und mit dem obigen auch nichts darüber ausgesagt ist, 
wie es in einzelnen existierenden Umsonstläden tatsächlich läuft - es 
handelt sich eher um einen von der Praxis inspirierten Vergleich auf der 
theoretischen Ebene. Hinzugefügt werden muß noch, daß sich - bleibt man 
dabei stehen - auch NutzerInnengemeinschaften gemäß der Sozialstruktur 
organisieren dürften. Die eine NutzerInnengemeinschaft verfügt dann halt 
über Privatjets, temperierte Weinkeller und Wochenendhäuser auf Ibiza, die 
andere nur über übertragbare ÖPNV-Karten, Digitalkameras und Bücher. Eine 
NutzerInnengemeinschaft ersetzt also ebensowenig wie ein Umsonstladen den 
Kampf um die gleiche Verteilung der Güter, aber sie macht m.E. besser 
deutlich, in welche Richtung eine nicht-altruistische Utopie entwickelt 
werden könnte. 

Nochmal die Fragen: 

Wer kann sowas programmieren, für NutzerInnengemeinschaften zur Verfügung 
stellen und dann auch noch Leute schulen, damit die es betreuen können? 
Wer kennt so ein System aus der Praxis? Wer hat Lust so ein Programm (oder 
was man da internetmäßig für braucht) herzustellen? Wer kennt Leute, die 
ebenfalls über sowas nachdenken bzw. schon an der Umsetzung basteln? Wer 
hat Lust so etwas mitzuorganisieren?

bunte grüße

schmendrik

-- 
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