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Re: [ox] Objektive Interessen???



Holger Weiss writes:

Quark. Du unterstellst der Gegenposition _Dein_ Paradigma, dass nur
"objektiv existiert", was subjektiv gemeint wird. Teilt man dieses
Paradigma, ist Deine Folgerung richtig. Moechte man den Gegenstand
besprechen, muss man natuerlich die Frage beantworten, ob dieses
Paradigma brauchbar ist oder nicht, statt ueber die Schlussfolgerung zu
sprechen.

das hab ich schlichtweg nicht verstanden. in der Rede vom "objektiven"
transzendiert
sich die Meinung ja gerade selbst, will ja etwas über ihren gegenstand
ausgesagt haben.

Ich versuchs nochmal: In der Rede von "objektivem Interesse" liegt ein
seltsamer
Widerspruch. Objektiv ist da gerade das Interesse, das ein bloß
zugerechnetes, nicht
aktuell manifestiertes ist. Das Muster ist bekannt und lautet z.B.: "die
Arbeiterklasse 
hat das objektive Interesse an Sozialismus, weil sie vom Kapitalismus
nichts als
Ausbeutung zu erwarten hat oder zunehmend nicht mal die". Dieses
Argumentations-
muster geht an den tatsächlichen Interesen vorbei bzw. nimmt diese als
"subjektive"
Interessen zur Kenntnis. Wir kennen die Folgen.
Anstatt objektive Interessen zu postulieren, wäre die Frage zu stellen,
wie und warum
sich Interessen verändern können. Das "objektive Interesse" ist ein Weg,
sich um diese
Frage zu drücken.

****

Stefan Seefeld schrieb:

Wir haben Wünsche, die mit unserem objektiven Interesse an
Nachhaltigkeit kollidieren. Aber wie gesagt sind Wünsche ja auch nur
Ausdruck bestimmter Interessen. Wenn ich also mit einem SUV durch die
Welt fahren will (und dabei globale Ressourcen verbrauche/zerst"ore),
dann mache ich das m"oglicherweise (unter anderem), weil ich ein
(objektives) Interesse an sozialer Anerkennung habe.

ich weiß nicht was hier das "objektiv" noch an Information hinzufügt!
Stefan Mn hat 
das glaub ich auch so gemeint: alle Interessen sind subjektiv, und alle
Interessen 
sind auch objektiv. Subjektiv sind sie, weil sie ein Subjekt hat. Und
objektiv, weil
und insoferne sie das Subjekt tatsächlich hat.

Einen Widerspruch zwischen verschiedenen Interessen zu konstatieren ist
also etwas
ganz anderes als sich im Widerspruch zwischen "Subjektiv und Objektiv"
rumzutreiben.

Daher ist der Rest auch OK! - mit kleinen Randbemerkungen versehen:

Um diesen Widerspruch zu l"osen, muss ich verschiedenes verstehen:

a) den Zusammenhang zwischen meinem Interesse nach sozialer Anerkennung
   und seiner Widerspiegelung in meinem Wunsch ein grosses Auto zu
   besitzen (und m"oglicherweise auch zu fahren :-)

Naja, vielleicht gibts auch andere Gründe für solche Bedürfnisse. SUV
Fahrer sind auch
solche Typen, die mitunter auch auf soziale Anerkennung *verzichten*. Soll
heißen die
kompensatorische Funktion des Konsums ist nicht zu unterschätzen: Einmal
auch 
Natur versauen dürfen, das ist doch schon was! Normalerweise dürfen sich
eben nur
Kapitalisten den Luxus leisten, ihr Eigentum rücksichtslos gegen die
Brauchbarkeit
von Landschaft etc. einzusetzen. Im österreichischen gibt es dazu die
schöne Redensart:
der Welt einen Haxen ausreißen. Vielleicht ist das sogar die normale Art
von Materialismus
in einer Welt, die sozialen Zusammenhang als wechselseitige Beschränkung
definiert.

b) den Zusammenhang zwischen individuellen, m"oglicherweise auch
   widerspr"uchlichen Interessen

Sich diese Zusammenh"ange klarzumachen und dabei eben bewusst (und
somit in gewissem Sinne frei) auf die eigene Willensbildung Einfluss
zu nehmen, ist f"ur mich der beste Ausdruck individueller Emanzipation.

"Freiheit ist die Einsicht in die Notwendigkeit", hat mal jemand gesagt,
oder so... :-)

Wenns die Leute nur recht verstünden! In der bürgerlichen Gesellschaft
buchstabiert
sich das nämlich zumeist als Ideologie des Verzichtens, Freiheit und
Vernunft sind dann 
die Antipoden zu dem beschränkten konzessionierten Materialismus. Da gibt
es ein 
derart riesiges Spektrum, wie diese Einsicht verballhornt wird, daß man
sich schon
gar nicht mehr auf sie berufen traut. Schon in der Volkswirtschaftslehre
wird
die Beschränkung zumeist als Eigenschaft des Willens selbst besprochen. 
z.b. in der Geschichte mit den Indifferenzkurven, wo der Mensch ein
beschränktes
Budget hat, und soll sich jetzt entscheiden, wie er zwischen Äpfeln und
Birnen ein
Optimum hinkriegt. Das mathematische Bild des Schnittpunktes ist dann der
lebendige
Beweis, daß Freiheit und Notwendigkeit in dieser Gesellschaft wunderbar
zusammengehen.
Diese Ideologie des harmonischen Interessensausgleichs geht in anderen
Displiplinen
zu immer unverschämteren Angriffen aufs Interesse über.

Das Problem, das sich stellt, ist daß es eine ungeheure und sehr
ausweglose Anstrengung
ist, sich dieser Falle zu entziehen. Adornos verzweifelter Spruch "es gibt
kein richtiges 
Leben im falschen" war wohl Ausdruck davon. Man kann sich nicht von seinen
Interessen
leiten lassen, aber man kann sich auch nicht nicht von seinen Interessen
leiten lassen.

Deswegen ist der einzige Ausweg aus diesem Dilemma: Ein gesellschaftliches
Verhältnis 
aufzufinden, in denen die verschiedenen auseinanderfallenden Seiten - egal
ob als 
Interesse, Wünsche oder Bedürfnisse ausgedrückt - wieder zur Einheit
finden. Das
ist auch ein wichtiger Zugang zur Frage der Keimform, in der
Selbstentfaltung zugleich
auch das gesellschaftlich Notwendige zu tun bedeutet.

Franz





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