Message 06677 [Homepage] [Navigation]
Thread: oxdeT05989 Message: 36/187 L22 [In index]
[First in Thread] [Last in Thread] [Date Next] [Date Prev]
[Next in Thread] [Prev in Thread] [Next Thread] [Prev Thread]

Re: [ox] Re: Identitaet



Hi StefanMz!

Hier nur kurz zu. Vieles steht ja auch in anderen Mails.

3 weeks (24 days) ago Stefan Meretz wrote:
On Thursday 01 May 2003 23:03, Stefan Merten wrote:
Danke für die Erläuterungen. Wieder weiß ich ein bisschen besser, von
was du sprichst. Leider habe ich wieder das Gefühl, dass du hier nur
die Perspektive einnimmst, die du gerade brauchst - und die andere
Hälfte ausblendest.

May be, schaun wir mal.

Es scheint - mal wieder - um die genaue Bedeutung von Begriffen zu
gehen - sigh...

Vielleicht vorab: Die Mail ist nicht immer nur nett. Ich will dir aber
nicht irgendwie persönlich an den Karren fahren, sondern ich will was
lernen. Das gelingt mir nicht und ich habe das Gefühl, dass es daran
liegt, dass du einfach viel von der Welt ausblendest. Vielleicht irre
ich mich und alle meine Argumente, Erfahrungen, usw. passen in dein
Bild. Ich kriege sie da jedenfalls nicht rein. Anyway. Bitte nicht zu
sehr ärgern sondern bitte auf meine Argumente und Fragen eingehen.

Danke für die Warnung. Ich versuche trotzdem sachlich und freundlich zu
bleiben.

Ist dir hervorragend gelungen. Danke :-) .

Da möchte ich mich auch gleich entschuldigen. Sorry, aber mein
anti-antideutscher Reflex ist zu sehr mit mir durchgegangen. Ich sehe,
dass du andere Gründe hast - auch wenn ich sie noch nicht ganz
verstehe.

Last week (9 days ago) Stefan Meretz wrote:
Um eine kollektive Entität zu erzeugen, muss es eine gemeinsamen
Bezugspunkt geben, eines, womit sich alle identifizieren (können,
wollen, sollen oder müssen).

In meiner Mail von vorhin hatte ich von einem Grund für eine Gruppe
gesprochen, den eine Gruppe von einer beliebigen Anzahl Menschen
unterscheidet. Dieser Grund ist der gemeinsame Bezugspunkt - erstmal
unabhängig davon, ob der von irgendwem festgestellt ist.

Siehe anderenmails.

Bei deiner Aufzählung von Verben würde ich "können" und "wollen" der
Freiwilligkeit zurechnen, während das für "sollen" und "müssen" nicht
gilt. Die Freiwilligkeit - oder eben nicht - ist wichtig. Sie kommt
bei dir aber außer an dieser Stelle nicht mehr vor. Diese Hälfte der
Welt blendest du ab hier konsequent aus.

Ich blende da nichts aus, sondern in meiner Sicht versuchst du einen
Unterschied aufrecht zu erhalten, der nicht mehr aufrecht zu erhalten
ist.

Da ist wohl der Knackpunkt. Ok.

Allerdings halte ich "identifizieren" für starken Tobak. M.E. genügt
auch eine einfache Anerkennung um eine Gruppe zu erzeugen. Aber
meinetwegen.

Dieses Gemeinsame macht die Identität des Kollektivs
aus.

Hmm... Das fühlt sich für mich nicht so an. Die Identität einer Gruppe
ist nicht identisch mit dem Grund ihrer Bildung - also ihrem
Bezugspunkt. Aber ich versuche dir zu folgen.

Ich habe "Grund" nicht erwähnt. Ist erstmal egal, wann der Bezug
entstanden ist.

"Wann"? Verstehe ich nicht. Ein Grund ist doch die Antwort auf ein
"Warum?" Kleiner Lapsus oder wichtiger Bedeutungsunterschied?

Früher (auch noch heute) waren das z.B. vermutete oder postulierte
"gemeinsame Interessen", die entweder objektiv bestimmt oder
subjektiv gegeben waren.

Und wieder lässt du hier die erste Person einfach mal weg! Ich fasse
es nicht! Was ist mit von Mitgliedern *explizit formulierten*
Interessen?

Dazu anderenmails ausführlicher: Interessen als festgestellte Gründe (die
sich nach deinem Begriff nur vom Drittstandpunkt konstituieren) verweisen
gerade nicht auf den Standpunkt erster Person.

Jetzt ist es an mir auf andernmails zu verweisen ;-) . Aber in dem
unterschiedlichen Gebrauch des Wortes Interesse scheint mir eine Menge
der Missverständnisse begründet zu sein. Das wundert mich auch nicht
mehr - jetzt wo ich diese Unterschiede zumindest mal ahne.

Ich lasse da nichts weg,
natürlich können solche identitär konstituierten Gruppen auf "explizit
formulierten" Interessen aufbauen - wahrscheinlich tun sie das sogar in
der Regel, es kann ja gerade ihre Festigkeit ausmachen. Das widerspricht
sich also überhaupt nicht.

Verstehe ich dich jetzt richtig: Interessen können nur vom
Drittstandpunkt aus formuliert werden und wenn sie Gruppen begründen
dann sind diese automatisch ebenfalls "böse" und das bezeichnest du
als eine identitär konstituierte Gruppe. Mit deinem Begriff von
Interesse ist das logisch. Aber ich teile nicht diesen Begriff von
Interesse. Siehe andernthreads.

Die sind nicht vermutet und - wenn Einigung besteht - auch
nicht irgendwie postuliert sondern expressis verbis formuliert! Voll
immanent! Nix außen! Mich würde *brennend* interessieren, was du dazu
sagst. Hast du nach meiner Erinnerung noch nie!

Ausführlich anderenmails: Nix voll immanent, sondern via Drittstandpunkt
hergestellt. Und außerdem bedeutet "identitärer Bezug" sozusagen per
definitionem "transzendenter Bezug" - nämlich der Bezug auf das
Identitäre.

Ja, ich glaube ich habe verstanden, wie du das bildest. Ist immanent
plausibel - aber diese Immanenz ist mir transzendent ;-) .

Ähnlich übrigens wie ein Begriff. Aber das gilt für jede Identität -
auch für individuelle. Diese Grenze zwischen dem Ich und dem Nicht-Ich
zu ziehen, ist für die menschliche Entwicklung ein *ungeheuer*
wichtiges Element. Im Kindesalter geht das deutlich sichtbar los, hört
aber eigentlich nie auf. Ja ich neige sogar dazu, diese immer wieder
neue Grenzziehung als eine *der* Lebensaufgaben für jeden Menschen,

Gegen Grenzziehung ist absolut nichts einzuwenden. Ich würde aber hier
eine Grenzziehung als je individuelle und damit einzigartige
Persönlichkeit (die Kinder herausbilden), die keine "externen"
identitären Bezüge braucht, unterscheiden von solchen, die sie brauchen.

Puh. Superkompliziert. Ich versuche es mal runter zu brechen auf ein
Beispiel und ich würde dich fragen, ob das in der richtigen Richtung
liegt.

Du sagst, dass Kinder z.B. keinen Gott (aka externer identitärer
Bezug) brauchen, sondern für ihre Persönlichkeitsbildung quasi mit
sich selbst und - so vermute ich mal - ihrer Auseinandersetzung mit
der Welt auskommen.

Hmm... Bist du da sicher? Ich würde denken, dass *gerade* für Kinder,
die einfach noch über weniger tiefe Einsichtsmöglichkeit verfügen, es
ziemlich viele externe indentitäre Bezüge geben muss. Was ist, wenn
Kinder lernen sich an Regeln zu halten? Inwiefern ist das den Kindern
(oder whatever) immanent?

Um das deutlich zu unterscheiden, nenne ich die "externen identitären
Bezüge" jetzt mal "transzendente Identitäten", die ich von
"Persönlichkeit" als - wenn du möchtest - "immanente Identitäten"
unterscheide (aber nur bei Individuen, bei Gruppen macht das keinen
Sinn).

Noch so ein Knackpunkt.

Du konstruierst jetzt aus dem Nicht-Ich scheinbar ausschließlich "das
Ab(zu)stoßende, den Feind".

Gerade nicht aus dem Nicht-Ich, sondern aus dem Nicht-Identischen.

Die Abgrenzung macht nur Sinn, wenn es ein Nicht-Ich geben kann, das
identisch mit dem Ich ist. Wenn wir mal von der Einzigartigkeit des
Individuums ausgehen, kann ich mir da nichts drunter vorstellen.

Das historisch brutalst
wirkwächtige Identität-Nichtidentität-Konstrukt war (und ist) der
Antisemitismus.

<cynism>
Auschwitz! Hah, ich habe das Antideutschen-Wettrennen gewonnen! Ich
habe als erster in dieser Debatte Auschwitz gesagt. Juchu! Na, das war
aber dumm von dir, wo du doch schon so nahe dran warst.
</cynism>

Sorry, aber vielleicht können wir jetzt mal wieder von den
antideutschen Stereotypen zu einer ernsthaften Debatte kommen?

Jetzt kann ich dir nur empfehlen, vorsichtig zu sein. Es handelt sich
nicht um eine antideutsche Stereotype. Ich halte meine Aussage für
zutreffend - du nicht?

Lass doch die Keulen beiseite. Natürlich ist die Aussage zutreffend.
Die Frage ist nur, ob sie wirklich interessant ist. Ich bin nicht so
sicher, ob das Faktum der Identität-Nichtidentität-Konstrukt die
singula *causa* ist, die zu Auschwitz geführt hat. Das suggeriert dein
Satz nämlich. Sie war Vorbedingung - klar. Aber unglaublich viel
anderes - darunter z.B. die Existenz von Menschen überhaupt und nicht
zuletzt der Kapitalismus - war ebenfalls Vorbedingung. Und es geht mir
nicht darum, das Identität-Nichtidentität-Konstrukt zu retten - was
hätte ich auch davon? Ich glaube aber, dass
Identität-Nichtidentität-Konstrukte nur eines von vielen Rastern sind,
die in dieser Welt wirkmächtig sind. Und es gibt Schlimmere.


						Mit Freien Grüßen

						Stefan

________________________________
Web-Site: http://www.oekonux.de/
Organisation: projekt oekonux.de



[English translation]
Thread: oxdeT05989 Message: 36/187 L22 [In index]
Message 06677 [Homepage] [Navigation]