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Re: [ox] Re: Gegen die eigenen Beduerfnisse handeln?



On Monday 02 June 2003 20:20, Franz J. Nahrada wrote:
nur eine Anmerkung

Na sagen wir: fünf;-)

liste oekonux.de (Stefan Meretz) writes:
Du kannst dir Selbstentfaltung als massenhaftes kollektives
Handlungsmuster, als konkrete Allgemeinheit, als Art und Weise der
Vergesellschaftung nicht vorstellen - lese ich dich so richtig?

Nein.

Ich sehe bloß nicht ein warum sich dieses Handlungsmuster nicht im
"Modus der dritten Person beschreiben" läßt.

Solange du von Kollektiven sprichst oder sozialen bzw. gesellschaftlichen 
Durchschnitts-Phänomenen hab ich kein Problem damit. Das ist die Ebene 
des "abstrakt-allgemeinen". Wenn es um die konkreten Menschen geht, dann 
geht es nicht mehr im Modus der dritten Person.

Und nun ist die Frage: Bedarf es eines "objektiven Substrats" (deine 
Worte), also einer abstrakten Allgemeinheit, um diese konkreten Menschen 
gesellschaftlich zu verknüpfen? Oder kann man eine Vergesellschaftung auf 
der Ebene der ersten Personen denken?

Wenn Du so willst, gibt es eine ganze Soziologie der GPL -
Gesellschaft. Wenn ich öfters gegen Soziologie argumentiere, dann
deshalb, weil es mir um die Spezifika von Gesellschaftsformationen
geht, nicht deswegen, weil die Beschreibung sozialen Handelns dieses
automatisch verdinglicht.

Wir sind an einer Schwelle, wo sich Gesellschaftstheorie aufzuheben 
beginnt, weil sie mit ihrer Methodik nicht mehr an das heranreicht, was 
passiert.

Vielleicht haben wir auch eine Differenz, wenn es um den Begriff der
Selbstentfaltung geht. Ich würde die Sache, um die es nicht nur in
Öekonux, sondern weltweit geht, einfach so beschreiben:

Durch die massenhafte Verbreitung von Automatisierungstechnologien
ist das industrielle Kopierverfahren weitgehend obsolet geworden.
Stattdessen ist der gemeinsame Einsatz für die Verbesserung und
Effektivierung produktiver Algorithmen unbeschränkt lohnend
geworden, die zusammen mit realisierender Technologie einen
weit größeren Grad menschlicher Selbstbestimmung erlauben.
Aus dem aus industriellen Lohnverhältnissen zunehmend heraus-
fallenden freien Produzenten entwickeln sich assoziierte und
zunehmend kreislaufförmige Kooperationszusammenhänge, die
einen Bereich der gesellschaftlichen Produktion nach dem anderen
zu dominieren beginnen. Industrielles Kapital verwandelt sich
zunehmend in strategisches Bezollungskapital, das gemeinsam mit
dem Staatsapparat durch gezieltes Lizensieren von Handlungs-
erlaubnissen die Produktion und ihren Mehrwert unter Kontrolle
zu halten versucht etc. etc.

Das sind doch alles Sätze im "Modus dritter Person" oder?

Ja. Leitet sich daraus gleichsam automatisch irgendwas, die freie 
Gesellschaft, ab? Früher hatte man aufgrund einer "objektiven Situation" 
eine logisch folgende Entwicklung geschlossen. Da hat die Geschichte aber 
nicht mitgespielt. Im Modus der dritten Person kannst du Aufhebung nicht 
"herleiten" (was die Krisianer zurecht sagen - aber die kennen die 
allgemeine erste Person auch nicht).

Das ist der erste Teil meiner Anmerkung. Der zweite zieht noch
eine recht radikale Folgerung, die sich explizit in Gegensatz
zu Deiner Folgerung stellt (dh wir müssen diesen gegensatz auflösen):

Ich stimme der Tendenz anderer Postings zu, daß es bei der Selbst-
entfaltung gerade nicht um die Trennung von Selbst und Natur-
Technologie geht. Gesellschaft ist doch gerade über die physische
Realität vermittelte Form des Zusammenwirkens von Menschen!!

Ja. Aber von konkreten Individuen.

Und eine Bewußtseinsform, in der nur mehr die erste Person
vorkommt, scheint mir ganz im Gegenteil hochideologisch,
weil und insoferne sie einen Zustand widerspiegelt, in dem
die gesellschaftliche Form vollends sich hermetisch
dem Urteil und Eingriff der Mitglieder der Gesellschaft ent-
zieht. Sie ist ein Produkt der Vollendung subjektloser Herrschaft.

Das verstehe ich nicht. Nirgends sprach ich von "nur der ersten Person". 
Gesellschaftliche Prozesse sind überhaupt nicht erreichbar im Modus der 
ersten Person. Als wertkritisch argumentierender Mensch bewege ich mich 
nur im Modus der dritten Person.

Es gibt, um es polemisch zu sagen, nur mehr "Iche",
eine gemeinsam gestaltete Objektivität
ist im Rasen der Globalisierung verschwunden.

Dann ist das also für dich undenkbar: Dass die "Iche" eine gemeinsam 
gestaltete Objektivität konstituieren? Das ist die analoge Frage von 
oben.

Das ist der Moment, in dem der Imperator gefahrlos
das Spielfeld betreten kann....

Na ja, gehe ich mal drüber hinweg.

Folgerung:

Wir müssen also ganz im Gegenteil diese gemeinsame Objektivität
auf Basis der neuen Möglichkeiten der Technologie und Kommunikation
wieder zurückgewinnen!

das aber ist im Modus erster Person nicht möglich....

Gerade dort! Selbstentfaltung ist genau das. Nicht: Es entfaltet sich, 
sondern: je ich entfalte mich.

Ciao,
Stefan

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