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Re: [ox] Fwd: Werthaltigkeit von Informationsguetern



On Saturday 13 September 2003 05:29, Holger Weiss wrote:
Problem ist halt das nie verschleißend. Wenn es wirklich um eine
Übertragung geht, dann muss da auch was weniger werden. Ansonsten
ist es eine nicht versiegende Quelle von Reichtum. Was ja
plausibel klingt.

Bezueglich Gebrauchwert ja, aber eine nicht versiegende Quelle von
Tauschwert, die keine Arbeit erfordert, waere hoechst unplausibel
;-)

Ohne TW macht die Kategorie GW aber keinen Sinn: Nur wo TW ist auch
GW. Das ist ein Kategorienpaar. GW ist nichts Ewiges, sondern
historisch bestimmt, nämlich an die Warenproduktion gebunden.

Huch? Diese These ist mir voellig neu, und ich kann sie nicht
nachvollziehen.

Habe ich erwartet;-)

Eine Staerke von Marx' Analyse ist doch gerade die
Unterscheidung zwischen nicht formspezifischem Inhalt auf der einen
Seite (Gebrauchswert, Arbeitsprozess, Mehrprodukt usw.) und der
spezifischen Form, die dieser Inhalt annimmt, auf der anderen (im
Kapitalismus Tauschwert, Verwertungsprozess, Mehrwert usw.). Die
Analyse des Kapitalismus erfolgt durchgehend nach diesem Muster: Marx
schaut sich an, welche historisch bestimmte Form der historisch
unbestimmte Inhalt hier jeweils annimmt. Gebrauchswert wird seit
Menschengedenken produziert, die Form des Tauschwerts nimmt er nur
innerhalb der Warenproduktion an.

Ich glaube, es ist bei Marx nicht so eindeutig wie du ihn lesen willst. 
Ich will keine Marx-Exegese betreiben.

Mein Argument ist eher strukturlogisch: Wenn ich in einem 
wissenschaftlichen Prozess einen historischen Prozess logisch (nicht 
faktisch) rekonstruiere, dann müssen meine Kategorien in der Lage sein, 
den rekonstruierten Prozess isomorph abzubilden. Also: Wenn in der 
Entwicklungslogik ein qualitativer Übergang stattfindet, muss sich das 
auch begrifflich niederschlagen. Das bedeutet umgekehrt, dass es nur sehr 
wenige Begriffe gibt, die sich sozusagen "durchziehen".

Beispiel: Gesellschaft ist der allgemeine Begriff, der für die gesamte 
Existenzzeit der Menschheit gültig ist, es ist ein ontischer Begriff, es 
ist eine Seinsbestimmung des Menschen. Warengesellschaft hingegen ist 
eine historisch spezifische (und, wie ich postuliere, vergängliche) Form. 
Da wirst du mir vermutlich zustimmen, es entspricht deiner Argumentation 
von oben.

Ich meine nun jedoch, dass das für den Gebrauchswert genau nicht zutrifft. 
Aus Faulheitsgründen zitiere ich mich selbst (aus: 
http://www.opentheory.org/kw48_01-3/text.phtml?action=hideall)


Es macht methodologisch auch keinen Sinn, von einer vorgängigen Existenz 
von Gebrauchswert und gebrauchswertschaffender Arbeit auszugehen, zu der 
dann mit dem Kapitalismus der Tauschwert und die wertschaffende Arbeit 
hinzutritt: Wenn es sich bei der warenproduzierenden Gesellschaft um eine 
qualitativ neue historische Vergesellschaftungsform handelt, dann müssen 
diesen qualitativ neuen Formen auch qualitativ neue Kategorien 
entsprechen, die die Entwicklungslogik »isomorph« widerspiegeln [6]. 
Gebrauchswert und (Tausch-)Wert sowie konkrete und abstrakte Arbeit sind 
kategoriale Paare, die den analytischen Zugriff auf einen 
Realwelt-Sachverhalt erlauben. Gebrauchswert oder (Tausch-)Wert sind also 
keine eigenständigen Entitäten, sondern es sind Aspekte einer Sache, 
nämlich der Ware. Genauso gibt es keine »konkrete« oder »abstrakte« 
Arbeit als separate Vorgänge, es sind Aspekte der Lohnarbeit. Deswegen 
macht es keinen Sinn, solche Kategorien jenseits der warenproduzierenden 
Gesellschaft in verdinglichter Form als distinkte Entitäten zu behandeln. 
Marx unterläuft also ein Kategorienfehler, wenn er schreibt: »Als 
Bildnerin von Gebrauchswerten, als nützliche Arbeit, ist die Arbeit ... 
ewige Naturnotwendigkeit, um ... das menschliche Leben zu vermitteln" 
(Kapital, S. 57), er mischt eine Kategorie der warenproduzierenden 
Gesellschaft in eine viel allgemeinere, überhistorische Aussage. Aber auf 
solche Sätze konnten und können sich in der Tat textexegetische 
Marxologen samt des Traditionsmarxismus berufen.

Kategorial sind also Zeitaspekt und Nützlichkeitsaspekt von »Arbeit« 
allgemeiner als Gebrauchs- und Tauschwertaspekt von »Arbeit«. Sie sind 
logisch-historisch vorgelagert. (...)
<<

Oder wie unterscheidet sich mein Produkt in einer nicht
warenproduzierenden Gesellschaft Deines Erachtens von einem
Gebrauchswert?

Es ist keine Ware.

Wie auch immer, wenn es bei Marx um "Wissen" geht, dann AFAICS immer um
frei verfuegbares Wissen, um "Freie Software". _Dieses_ Wissen dient
schon immer als kostenlose Ressource der Produktion. Ich sprach aber
ausschliesslich von proprietaerem Wissen, also von Software oder
sonstiger Information, die nicht kopiert werden kann oder darf. _Diese_
unterscheidet sich bezueglich der (Re-)Produktion ihres Tauschwerts
m.E. qualitativ nicht von einem Toaster.

Das würde bedeuten, dass allein die Rechtsform - um eine andere 
Unterscheidung geht es hier nicht - bestimmt, ob ein Produkt kostenlose 
Ressource oder Ware ist. Diese Annahme halte ich für falsch.

Ciao,
Stefan

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