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Re: [ox] Re: [pox] Re: License for a Wiki



On Tuesday 29 March 2005 16:11, Holger Weiss wrote:
Copyleft ist in der Theorie vielleicht eine nette Idee, der
praktische Effekt scheint mir aber hoffnungslos ueberschaetzt.

Ohne Copyleft (konkret: GPL) hätte es keine Freie Software gegeben. 
Insofern kann man die Subversion der Intention des Copyrights (dem 
Exklusionsprinzip) durch das Copyleft (einem Inklusionsprinzip) nicht 
hoch genug einschätzen.

Den Satz darf man allerdings nicht umdrehen: Copyleft erzeugt nicht 
automatisch freie Software, denn dazu kam auch Selbstentfaltung und 
Selbstorganisation. Plus Internet. Eine Reihe von Bedingungen, die 
zusammen kamen. IMHO bringt es nicht viel, da eine gegen die andere 
"auszuspielen".

Ich 
bezweifle, dass es in der Praxis etwas anderes garantiert, als dass
Modifikationen, die ohne Copyleft proprietaer gemacht worden
waeren, mit Copyleft halt gar nicht erst passieren.

Das mag es geben. Ich halte es aber für einen eher seltenen Fall. Denn 
Modifikationen und Entwicklungen werden - wie du auch selbst sagst - 
nicht aufgrund von Lizenzen gemacht. Sondern Lizenzen bieten einen 
gewissen Entwicklungsraum - eben einen proprietären oder freien und 
copyleftigen.

Und selbst das 
wird nur garantiert, solange der Anbieter proprietaerer
Modifikationen sich nicht das Entwickler-Team kauft oder kaufen
kann, um die Lizenzbedingungen zu aendern (was bei wirklich
_grossen_ Communities natuerlich schwierig ist).

Hier überschätzt du die Möglichkeit des "Kaufens" bzw. das Interesse 
daran. "Aufkaufen" bewegt sich im proprietären Modus, im 
Exklusionsmodus: Einmal aufgekauft und proprietarisiert, sprich: den 
Rest der Welt exkludiert, und schon habe ich den Mist an der Backe 
und bin fortan gezwungen, das Zeug proprietär zu entwickeln. Ich muss 
also _alleine_ die Ressourcen aufbringen. Das können sich heute nur 
noch wirklich große Firmen oder Nischeninhaber leisten.

Nein, es gibt einen Druck in Richtung Freigabe oder ökonomisch 
gesprochen: einen Druck, einen Teil zu entwerten (oder wertfrei zu 
entwickeln), um den Rest verwerten zu können. Gerade dabei bietet 
ironischerweise Copyleft die besten Bedingungen, weil ich als Firma 
zum Beispiel einen gewissen return-on-copyleft erwarten kann.

Ja, hier gibt es Ausnahmen, die die Regel bestaetigen. Diese Faelle
wuerden vielleicht trotzdem eine Copyleft-Klausel rechtfertigen,
waere das die einzige Wirkung der Klausel. Copyleft-Klauseln haben
darueber hinaus aber die unschoene Nebenwirkung, dass sie qua
definitionem auch Inkompatibilitaeten zwischen freien Lizenzen
einfuehren und damit u.U. die (freie) Weiterentwicklung
erschweren/verhindern oder einen zumindest zwingen, sich um
juristische Fragen einen Kopf zu machen (alles schon erlebt).

Bürgerliche Gesellschaft ohne Rechtsform geht nun mal nicht. Die 
Rechtsform werden wir nur zusammen mit der Warenform los.

Der 
Nachteil, dass man sich mit Copyleft auf diese Weise in's eigene
Bein schiessen kann, ueberwiegt aus meiner Sicht den "Vorteil",
dass man damit auch Anbietern von proprietaeren Inhalten in's Bein
schiessen kann. IIRC habe ich auch schon von Wikipedianern gehoert,
dass sie aus aehnlichen Gruenden nicht uneingeschraenkt gluecklich
mit der GFDL sind, sie aber nun halt am Hals haben.

IMHO hätte es auch Wikipedia ohne Copyleft nicht in dieser Dynamik 
geben können. Auch hier kamen aber auch verschiedene Bedingungen 
zusammen. Dass nicht alle glücklich mit dem viralen Freigabe-Effekt 
des Copyleft sind, liegt doch auf der Hand. Wäre es aber möglich 
gewesen, den Content zu reproprietarisieren, dann hätte es nur wenige 
Altruisten gegeben, die noch mitgemacht hätten.

AFAIK ist die GFDL aus anderen Gründen in der Kritik: Sie erlaubt 
nämlich Ausschlüsse von Textteilen aus dem Copyleft. Das macht sie 
u.U. mißbräuchlich nutzbar. Im Debian-Projekt wird sie deswegen von 
Teilen des Projekts als "nicht-frei" bezeichnet.

Would I be allowed to quote wiki material in my master thesis

Of course. Quoting is allowed from any stuff, be it proprietarian
or copyleft.

Haette ich so auch vermutet, bezuegl. der Details waere ich aber
nicht sicher gewesen, weil ich null Plan von der entsprechenden
Juristerei habe. Lizenzen, die mangels Copyleft-Restriktionen die
entsprechende Ahnung nicht voraussetzen, haben den Vorteil, dass
auch planlose Leute wie ich sich keinen Kopf machen muessen.

Für deine Planlosigkeit machst du dir aber schon ganz schön einen 
Kopf;-)

Aus den genannten Gruenden wuerde ich Copyleft nirgens (freiwillig)
anwenden. Ich bin ueberzeugt, dass der Erfolg oder Misserfolg von
freien Inhalten in keiner Weise von der Lizenz abhaengt. Daher
bevorzuge ich Public Domain oder zumindest simple, unrestriktive
Lizenzen, die einem bei der Arbeit an Inhalten nicht auf den Keks
gehen.

OK, ist ja auch eine Möglichkeit. Für meinen Geschmack ist diese 
Perspektive ein wenig eng. Ich sehe es in einer weiten Perspektive 
genau umgekehrt: Copyleft war und ist eine Bedingung für die 
Erhaltung und Entfaltung von wertfreien Schutzräumen in der 
Warengesellschaft. Deswegen kommen meine Inhalte sämtlich unter ein 
Copyleft.

Ciao,
Stefan

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