Re: [ox] Wissens- und/oder Informationsgesellschaft?
- From: Hans-Gert Gräbe <graebe informatik.uni-leipzig.de>
- Date: Thu, 04 Aug 2005 09:35:50 +0200
Hallo Stefan,
Stefan Merten wrote:
@Casimir: Danke für den Link.
Ich habe den Text mal zur Hälfte gelesen und ich zitiere mal ein paar
Stellen, die ich interessant für die Debatte hier finde. Ich streue
meine Gedanken dazwischen - sicher etwas roh und wahrscheinlich
widersprüchlich ;-) .
[http://www.capurro.de/infovorl-einl.htm]
Du wirst verstehen, dass deine nunmehrige Euphorie bei mir -
insbesondere mit Blick auf
http://www.oekonux.de/liste/archive/msg09505.html - sehr gespaltene
Gefühle hervorruft. Aber sei's drum. Willkommen im Klub. Vielleicht
kannst du ja jetzt auch (Klemm) deutlich mehr abgewinnen.
2. Das kognitivistische Paradigma
Gefällt mir nicht, da ich die Einschränkung
* Information betrifft menschliche kognitive Kommunikationsprozesse
zu eng finde - wie schon mal bemerkt. Anders gesagt: Die Vorgänge, die
wir für Menschen bei der Informationsverarbeitung als wesentlich
identifizieren, machen auch bei Maschinen (und auch Tieren) Sinn. Auch
ein Computer interpretiert mit seinem Programm Daten und leitet daraus
Aktivitäten ab. Das "IF" in fast allen Programmiersprachen ist m.E.
das Basiskonstrukt für diese Interpretationsleistung.
Es wäre m.E. also ziemlicher Unfug für so ähnliche Prozesse
unterschiedliche Begriffssysteme zu entwerfen. Dass es natürlich
beträchtliche Unterschiede gibt will ich damit gar nicht leugnen.
Wie würdest du dieses _dein_ Statement einordnen? Ist das Information?
Wissen? Eine Meinung? Noch was ganz anderes? Wie nennen wir dann ggf. so
was? Ich frage das, weil Wissens-Destillation (?) ja offensichtlich an
solchen "Chunks" startet.
Jedenfalls enthält es auch ein Urteil. Welche Relevanz hat das Urteil?
Welche Relevanz für dich, welche für andere? Schließlich ist der
kritisierte Ansatz mit den Autoritäten von Janich, Capurro und - mit
Verlaub - auch meiner schon lange in diese Diskussion eingebracht. Die
Delikatheit deines (wiederholten) Urteils ist also deutlich. Aber hat es
etwas mit Autorität zu tun, oder eher mit Reputation? Wenn eher
letzteres, dann: was ist die Substanz des Reputationsbegriffs? Muss sich
jeder, der sich an dieser Diskussion beteiligt, erst belesen oder wäre
es auch legitim, dein (oder mein) Urteil ohne eine solche Mühe als
"unqualifiziert" einzustufen? Wäre dieses "unqualifiziert" objektiver
oder subjektiver Natur? Gibt es hier eine Differenz? Sollten wir das als
"Wertung" und "Urteil" unterscheiden? Welche Auswirkungen hätte ein
solches Verhalten auf unseren Diskurs? Und natürlich: Was hat das mit
OHA zu tun?
Ich hoffe, mit diesen konkreten Fragen über unsere *Praxis* der
Kommunikation nicht schon wieder einen flame auszulösen. Ich halte es
aber für sehr wichtig, unsere eigene Praxis als Grundlage unserer
Theorie zu nehmen. Aber das schrieb ich ja schon mehrfach, und geflame-t
wurde trotzdem. Ich habe das Glossar im Wiki jedenfalls um die
entsprechenden Bezeichner schon mal erweitert.
Nochmal: Es kann doch gar nicht um eine universelle Substitution von
Menschen durch Maschinen gehen. Das ist doch der Unsinn aus der
Frühzeit der Künstlichen Intelligenz. Computer und Menschen sind schon
auf Grund ihrer Körperlichkeit grundsätzlich verschieden - das ist ja
völlig offensichtlich. Dass es dennoch Prozesse innerhalb von
Computern und Menschen geben kann, die analog verlaufen, ist davon
völlig unberührt. Wenn das aber so ist, dann sollten m.E. eben auch
die gleichen Begriffe verwendet werden.
Genau an dieser Stelle wird Janichs Prämisse extrem relevant. Die Welt
der Computer ist ein Produkt des menschlichen Geistes. An den Stellen,
wo die Diskussion diese Bodenhaftung verliert und die Computerwelt nicht
mehr als Werkzeug der Menschenwelt wahrnimmt, also ein dinglicher
Informationsbegriff ins Soiel kommt, wird es extrem gefährlich. Das
bedeutut nicht, Analogien auch als Analogien zu bezeichnen. Aber sie
müssen als Analogien sichtbar bleiben, siehe das Capurro-Zitat im
(wiki:#Informationismus).
Findest du so übrigens auch bei (Fuchs-Kittowski): "wider die These vom
Computer als Automat" und ist erstmals in aller Deultichkeit im
Weizenbaums Klassiker "Macht der Computer und Ohnmacht der Vernunft"
thematisiert.
Viele Grüße, Hans-Gert
--
Prof. Dr. Hans-Gert Graebe, Inst. Informatik, Univ. Leipzig
Augustusplatz, D-04109 Leipzig, Raum 5-53
tel. : [PHONE NUMBER REMOVED]
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