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Re: [ox] Wissens- und/oder Informationsgesellschaft?



Hi Hans-Gert et al!

Ich mache erst mal noch ein bisschen mit einfachen Antworten weiter,
aber ich versuche nur noch die wichtigsten Stellen zu bearbeiten.
Vieles habe ich ja auch schon gesagt - wiewohl sich meine Gedanken um
diesen Komplex immer noch umstrukturieren.

Auf Janich gehe ich nicht mehr ein, weil ich seine Definition -
zumindest in der von Hans-Gert dargestellten Variante - für den
Oekonux-Diskurs für völlig ungeeignet halte.

3 weeks (25 days) ago Hans-Gert Gräbe wrote:
Stefan Merten wrote:
Die Bildung von Proteinen aus DNA hat m.E. dagegen sehr wohl etwas
mit Information zu tun ...

Es ist ein Transformationsprozess der einen Einweißstrukturen in andere
Eiweißstrukturen unter der katalytischen Wirkung dritter
Eiweißstrukturen, der unter bestimmten äußren Bedingungen abläuft. Ist
jeder solche Transformationsprozess automatisch ein Informationsprozess?
Wenn nein, wo ist die Grenze?

Gut das du nochmal nachfragst, denn wo die Grenze ist, ist sicher eine
wichtige und auch gute Frage. Wahrscheinlich gibt es keine harte
Grenze und auch hier liegt sicher vieles im Auge des Betrachters.
Dennoch will ich es mal versuchen.

Die Grenze würde ich dahin legen, wo der Informationsanteil eines
Prozesses die anderen stofflichen Effekte in seiner Bedeutung
überwiegt. Bei "in seiner Bedeutung" liegt wohl das Auge des
Betrachters und wohl insgesamt muss die Perspektive mit angegeben
werden.

Nehmen wir eine CD, weil es an der einfacher sichtbar wird, als an
DNA. Die Stofflichkeit der CD tritt gegenüber der informatorischen
zurück. Oder besser hinter den Aspekt des Datenträgers. Die
Stofflichkeit der CD ist vielmehr nur dahin gehend von Intersse, ob
sie der Aufgabe der Datenspeicherung nützlich ist oder nicht. Bei der
CD ist dies auch deswegen klarerweise so, weil sie eben nicht als
Bierdeckel produziert wird. Der Zweck der Produktion ist vielmehr
einen Datenträger herzustellen.

Ähnliches würde ich für die DNA behaupten. Ihr wesentliches
Anwendungsgebiet in einem lebenden Organismus ist eben nichts, was
ihrer einfachen Stofflichkeit entspringt. Dann wäre sie nicht
wesentlich von Fetten oder anderen biologischen Stoffen unterschieden.
Nein, die DNA bewahrt Daten auf, die einen Unterschied für die
Prozesse machen, in denen die DNA vorkommt. Die in der DNA
aufbewahrten Daten werden also in diesen Prozessen zu Information.

Um was es hier letzlich geht, ist rauszukriegen, wie wir die
stoffliche Repräsentation von Daten / potentieller Information von der
nicht-stofflichen Idee separiert kriegen. Da gibt es bestimmt
Grauzonen, aber deswegen würde ich nicht drauf verzichten.

- Hat Sprache etwas mit Bewußtsein zu tun? (Egal ob verbale
 Sprache oder Sprache, die sich auf irgendwelche anderen Zeichen
 stützt...)

Nicht mit dem, was ich als Bewusstsein bezeichnen würde. Sonst gäbe es
z.B. keine unbewussten Äußerungen wie z.B. Körpersprache - die aber
sehr wohl verstanden werden kann - bewusst und unbewusst.

Nun haben wir die ganze Bandbreite von Kommunikation auf dem Tablett,

Nein. Die Anwendung einer Sprache ist auch ohne Kommunikation möglich.
Körpersprache äußerst du auch, wenn kein Kommunikationspartner da ist.
Selbstgespräche teilen per Definition keinem Kommunikationspartner
etwas mit. Nein, Information an Kommunikation zu ketten ist m.E.
Quark. Kommunikation hat vermutlich etwas mit Information zu tun -
genauer: mit der Codierung von Information zu Daten, die gemessen
werden und über mehrere Stufen wieder zu Information bei einem
Kommunikationspartner werden können. Aber umgekehrt ist das keineswegs
zwingend.

Die
unbewusste Körpersprache ist ja nur im Zusammenspiel mit einer
Gegenseite interessant, die in der Lage ist, diese Sprache zu "lesen".

Interessant vielleicht. Aber sie verschwindet nicht ohne
Kommunikationspartner.

3 weeks (24 days) ago Hans-Gert Gräbe wrote:
Stefan Merten wrote:
Um es mal an einem analogen Beispiel fest zu machen: Du möchtest etwas
über Kultur als Phänomen beim Menschen wissen und blendest alles außer
der Kultur des weißen Mannes aus - derweil du dich selbst als weißer
Mann begreifst. Wie du aus dieser Perspektive jemals auf der
Ausgangsfrage adäquate Antworten kommen willst, ist mir schlicht
rätselhaft. Vielmehr müsste es darum gehen, *alle* Kulturen in den
Blick zu bekommen. Oder eben *alle* Wissensformen. Danach oder auch
während der Betrachtung macht Differenzierung dann Sinn.

Aber es kann doch trotzdem - insbesondere für den weißen Mann - durchaus
sinnvoll sein, *zunächst* die ihm aus eigener Erfahrung auch praktisch
bestens bekannte Kultur des weißen Mannes genauer zu studieren und in
diesem Studium Instrumentarium und Fragestellungen zu schärfen, oder?

Was bei dir erfahrungsgemäß dazu führt, dass du Leute abqualifizierst
und Äußerungen von anderen als "unverbindliches Palaver" betrachtest:

  > das Internet (an den Stellen, wo es wirklich Informationen enthält
  > und nicht nur unverbindliches Palaver)

Es ist in der Tat ein Wesenszug des weißen Mannes so auf die Welt zu
gucken. Dass für die übergroße Mehrheit der Menschheit z.B. die Texte
des weißen Mannes ebenso unverbindliches Palaver sind, will der weiße
Mann dann nicht wahrhaben. Auf genau dieser eingebildeten
Überlegenheit des weißen Mannes gründet sich die breiteste Blutspur
der Menschheitsgeschichte.

Insbesondere, wenn man sich vorab dieser Beschränkung selbst *bewusst*
ist.

Dann warte ich gerne auf den Tag wo ich bei dir auch nur das leise
Gefühl einer solchen Bewusstheit habe. Bis dahin würde ich dir
empfehlen, dich mal auf andere Kulturen einzulassen. Das relativiert
einiges.

Was ist eine Datenspur?

Eine Datenspur ist das, was Tun oder sogar Sein in Raum und Zeit
hinterlässt. Das, was die Spurensicherer der Kripo aufdecken, woran die
Biene den Honig erschnuppert, das Faltungsmuster im Stein als Resultat
einer Gebirgshebung etc.

Ok. Um es mal mit ganz frühen Definitionsversuchen zu fassen:
Wechselwirkungen, die in irgendeiner Weise später als Daten messbar
sind und damit Auskunft über / Hinweise auf Vergangenes geben. Right?

Werden sie erst durch das Messen zu Daten?

Nein. Wechselwirkungen werden nicht zu Daten, weil sie zu einer
anderen begrifflichen Kategorie gehören. Daten beziehen sich aber auf
Wechselwirkungen. Also: Ohne Wechselwirkung keine Daten aber sehr wohl
Wechselwirkung ohne Daten.

In meiner Begrifflichkeit
nicht, denn Messen ist ja schon an Subjekte gebunden, welche die
Datenspur aufnehmen. Also potenziell messbar? Aber was ist das nicht?

Richtig. Alles, was nicht Rauschen ist, sind Wechselwirkungen, aus
denen durch Messung Daten erzeugt werden können.

Ok. Aber ungemessene Datenspuren sind in keiner Weise relevant. Right?

Was ist mit ungemessenen, aber potenziell messbaren Datenspuren?

Das bleiben einfach Wechselwirkungen.

Wie ist
hier der Zusammenhang zum Unterbewussten, falls Messen bei dir ein
Bewusstseins-Akt ist?

Ist es für mich nicht.

Da glaube ich mich mit dem Begriff der Leitsozialisation weiter.

Was die Verbindung zum OHA-Phänomen betrifft, so kan ich dazu wenig
sagen, weil ich noch nicht so recht verstanden habe, was sich dahinter
verbirgt.

Schade. Mir deucht, deine Sozialisation hat viel damit zu tun.

Das nehme ich ebenfalls an. Wäre zu explizieren. Vielleicht wäre es
sinnvoll, auch mal einen Diskussion-Thread zu OHA im Wiki zu beginnen.

Das wäre es auf jeden Fall. Mir graut allerdings vor der Menge von
Material, die dazu zu sichten wäre.

Nein, für eine theoriehaltige Debatte ist dieser Satz gänzlich
ungeeignet. Es muss vielmehr darum gehen, welcher Gebrauch von
Informationen für welche Menschen zu einem bestimmten historischen
Zeitpunkt für welche Ziele sinnvoll ist.

Genau einen solchen instrumentellen Zugang halte ich für zu eng, weil er
die Menschen letztendlich entmündigt.

???

Deine Formulierung suggeriert die Kette Sinn -> Ziel -> Information,
besonders in der Betonung "zu einem bestimmten historischen
Zeitpunkt". Wo kommen in so einem Verständnis Sinn und Ziel her

Einfach aus den Bedürfnissen und Wünschen der Menschen. Diese sind
durch die je bestimmte historische Situation mitbestimmt.

Information (bei Kant "Gebrauch der Vernunft") steht _auch_ am Anfang
dieser Kette, und zwar als "öffentlicher Gebrauch im Raisonnieren", am
Ende der Kette dagegen als "privater Gebrauch" als Vorstufe des
Handelns. Das "Raisonnieren" ist ein gutes Stück sinn- und zielfrei und
gerade in dieser Sinn- und Zielfreiheit Quelle von Mündigkeit.

Andernorts würdest du das wahrscheinlich "unverbindliches Palaver"
nennen...


						Mit Freien Grüßen

						Stefan

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