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Re: [ox] Wissens- und/oder Informationsgesellschaft?



El Casi wrote:
Das ist wirklich ziemlich kompakt und überfordert mich dermaßen,
daß sogar ich es gemerkt habe!

Okay, ich untersetze es gern genauer. Beachte aber, dass es eine
*Stufenleiter* ist (siehe Wiki), wo auf jeder neuen Stufe was dazukommt!

Erinnerung und Gedächtnis scheinen mir unangebracht, wenn äußere
Einflüsse zu bloßen Umformungen des Subjekts führen, wenn also
Einwirkungen das Subjekt einfach verändern, ohne daß dieses sich
`an früher' und an den verändernden Einfluß *erinnern* kann.  

Ich hatte an der Stelle "Materialien mit Gedächtnis" genannt. Die sind
so beschaffen, dass man sie heiß in eine Form bringt, dann abkühlt und
beliebig deformiert. Wenn man sie dann wieder in heißes Wasser wirft,
schnipsen Sie in die vorherige Form zurück. Wird bei uns am MPI
beforscht und meist mit einer Büroklammer aus solchem Material
eindrucksvoll demonstriert. Du schreibst von *sich* erinnern. Dem geht
aber entwicklungsgeschichtlich das Erinnern ohne "sich" voraus. Ob man
das mit dem Begriff "Erinnern" belegen sollte sei dahingestellt. Aber
die Fähigkeit ein Muster - ob aktiv oder passiv - "wiederzuerkennen",
indem schlicht unter ähnlichen Bedingungen ähnlich reagiert wird, liegt
 da doch irgendwo ganz weit unten drunter, oder? Also eine *Vorstufe*
meiner Stufenleiter, denn hier wird noch gar nicht von inneren
Zuständen, in denen überhaupt was abgebildet wird, gesprochen.

Wenn also ein Ding/Wesen zwar Zustände hat, aber keinen Modus der 
bleibenden Abbildung dieser Zustände (sprich: wenn es entweder den 
einen oder den anderen einnehmen kann, aber jeweils nichts vom 
jeweils anderen weiß, noch von den Bedingungen und Umständen des 
Übergangs vom einen zum anderen Zustand), dann würde ich nicht von 
Erinnern und von Gedächtnis sprechen, sondern eben von Zustand, Form
etc.

Du möchtest das alles an einem zeitlichen Punkt konzentriert, im
"Jetzt", sehen. Aber das ist bereits eine enormer
entwicklungsgeschichtlicher Sprung und eine *aktive* Projektionsleistung
von Vergangenem in die Gegenwart. Die setzt die Entstehung eines solchen
Projektionsapparats überhaupt erst einmal voraus. Darüber zu sprechen
geht nur, wenn man über die Analogie von Formen im Raum-Zeit-Kontinuum
spricht. Aber wie gesagt, tiefe Stufe. Wir reden hier - ich nehme mal
das OSI-Modell - über Interna von Protokollen, darüber wie ftp
funktioniert etc. Ob das hilft, wenn wir über Webservices reden wollen
oder gar, wie ein Evaluationssystem wie das hier
  https://www.umfragen.uni-bonn.de/leipzig/lehrevaluation
sinnvoll in die Leipziger Uni-IT-Infrastruktur einegbunden werden kann
(was seinerseits - unter meiner aktiven Mitarbeit- hoffentlich
irgendwann mal was mit Webservices zu tun haben wird), sei dahingestellt.

Daß die verschiedenen Zustände / Formen etwas speichern, macht das
geformte Ding / Wesen zwar für einen äußeren Beobachter, nicht aber
für sich selbst zu einem `Speicher'.  (Es kann also in meinen Augen
höchstens für andere als Erinnerungs-Hilfe oder Gedächtnis-Stütze
dienen, ohne aber selbst über ein solches oder solches zu verfügen.)

Eben deshalb *Information als Verhältnis* und "Beobachten und Erinnern".
Ab einer gewissen Entwicklungsstufe führt die komplexe Interaktion von
"Beobachten der Datenspuren" (dessen, was das Tun anderer im
Raum-Zeit-Kontinuum hinterlassen hat, die "Erinnerung der Demeter") und
der eigenen Erinnerungen (die internen Spuren früherer "Beobachtungen").
Und klar: Erinnern braucht und verwendet Hilfen und Stützen (und ist
vielleicht sogar der Prozess des "Sortierens" solcher Hilfen und Stüzen
selbst).

Diese Verständnisschwierigkeit macht mir das folgende gänzlich
undurchsichtig:

Unmittelbar reaktionsfähig wird das Wesen, wenn die Erinnerungen zu
Analogieschlüssen in der Dynamik der inneren Welt verdichtet werden
(Beispiel: Reaktion eines Pantoffeltierchens auf taktile Reize).

Einen Stein schubst du und er rollt nach rechts etc. Das hat nichts mit
inneren Zuständen zu tun, wenn man mal die Möglichkeit außer acht lässt,
dass da was abbröckeln könnte. Das Pantoffeltierchen hat eine ganze
Latte innerer Zustände, die in einer "Kaskade" von Änderungen z.B. etwas
hervorrufen, was von außen als "Zucken" wahrzunehmen ist. Und jedes Mal,
wenn es berührt wird, dann "zuckt" es. Es reagiert unmittelbar.

Mittelbar reaktionsfähig wird das Wesen, wenn die internen
Analogien mit externen Analogien in Verbindung gebracht werden
(Beispiel: Pawlowscher Hund). 

Beim Hund zehnmal dasselbe (sieht zumindest äußerlich genauso aus):
Futternapf => Speichelfluss. Dann Pawlow: 10*(Futternapf + gelbes Licht
=> Speichelfluss) und nun (gelbes Licht => Speichelfluss) obwohl es gar
nichts zu fressen gibt. Die Quelle der "Handlungsmotivation" hat sich
also irgendwo ins Innere des Wesens "Hund" verlagert. "Analogien-Paar",
wobei der Hund nicht unmittelbar aufs "Verarschen" reagiert, weil die
Kopplung zwischen den Analogien nur lose ist. Aber dauernd verarschen
lässt er sich nicht. Also gibt es offensichtlich Mechanismen, die das
adjustieren (wohl dieselben, die vorher das "Fehlverhalten" induziert
hatten und in einer Balance zwischen "Beobachten" und "Erinnern" zu
suchen sind).

Symbole entstehen, wenn solche Analogien-Paare aktiv konstruiert
werden. Sprache entsteht (nicht sofort, aber) erst, wenn begonnen
wird, über diese Analogien-Paare zu kommunizieren. Verweis auf die
"Stufenleiter der Abstraktion" im Wiki.

So, ich hoffe, das ist nun auch klarer.

Viele Grüße, HGG

-- 

  Prof. Dr. Hans-Gert Graebe, Inst. Informatik, Univ. Leipzig
  Augustusplatz, D-04109 Leipzig, Raum 5-53	
  tel. : +49 341 97 32248
  email: graebe informatik.uni-leipzig.de
  Home Page: http://www.informatik.uni-leipzig.de/~graebe

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