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Re: Arbeit, war Re(2): Sinn der OX-Liste, war Re(2): [ox] Re: Wiki-Kommerz



Am 01.05.2006 um 21:07 schrieb Franz Nahrada:

1.
Ich würde bezweifeln, daß man etwas "herausnehmen" kann, ohne ein anderes
zu unterstellen.
-  Marx unterstellt im Kapital einen "Verein Freier Menschen" und kann
dann natürlich auch eine wechselseitige Abrede über die Arbeit
unterstellen.
- "Geschenkökonomie" unterstellt vom Terminus her ein Produzieren ohne
Abrede.

Ja Franz, voll d'acord. "Herausnehmen" war ein etwas schnell hingeworfener Überfliegerbegriff, womit natürlich die wirkliche Überwindung der Formbestimmung gemeint sein sollte. Aber Marx hat nicht nur vom "Verein freier Menschen" als Zukunftsvorstellung geschrieben, sondern auch von der inneren Zwangsläufigkeit des Kapitalismus, entweder sich dorthin aufzuheben oder zur Barbarei zu verkommen, weil die Anhäufung der Kapitalmasse als Formation toter Arbeit dies nötig macht, weil sie eben ihrem Begriff nach (abstrakt menschliche Arbeit) zur lebendigen Arbeit zurückkommen und diese zunehmend unnötig machen muss, sie also von ihren Aufwendungen zu befreien hat. Und das ist ja heute voll im Gang. Marx setzt selbst schon auf die Produktionsmittel, die, wenn sie wirklich vergesellschaftet werden, den Kapitalismus auflösen, sobald die Menschen dessen innere Vorgänge kapieren, sich dessen also bewusst sind. Die Formbestimmungen platzen überall auf, wo konkrete Arbeitsbeziehungen und hieraus gebildete Lebensformen, Kommunen der Menschen entstehen, sich also auch in den Kommunen selbst entwickeln.

Es kann die Arbeit aber real nur aus dem Wertverhältnis (sie wird wie Du
schreibst für das antizipierte Geld geleistet, am klarsten in der
vorgfinanzierten Produktion ersichtlich) heraustreten wenn eine
Verläßlichkeit der Beziehungen gestiftet ist, die im "Geschenk" gerade
nicht gegegeben ist.

genau! Das hatte ich mit "herausnehmen" sagen wollen. Der Prozess zwischen Arbeit und Bedürfnis muss konkret werden, muss zur wirklichen Beziehung der Menschen werden, die nicht über Geld, sondern konkret im Verhältnis von Freiheit und Notwendigkeit geschaffen wird. Nur so wird der Reichtum der Menschen nicht mehr als Warensammlung erscheinen, sondern auch menschliche Gestalt bekommen. Diese kann sich dann zunehmend in der Minimierung von Aufwand entfalten, also die Freiheit zunehmend über das Notwendige stellen, nicht aber völlig auflösen. Arbeit bleibt, aber sie wird der Form nach wirklicher, menschlicher und schöner. So die theoretische Aussage von Marx.

2.
Der Unterschied von für sich selbst und für andere ist tatsächlich nur
deswegen irrelevant, weil die in freier Software geleistete Arbeit die
MArxsche Kategorie der allgemeinen Arbeit in unmittelbarer und reiner Form
repräsentiert. Marx hat die Entstehung der allgemeinen Arbeit und die
Verwandlung der Wissenschaft in die erste Produktivkraft übrigens
vorhergesehen; allerdings hat niemand in der Studentenbewegung auch nur
entfernt begriffen was damit gemeint ist. Erst heute und nach der
mikroelektronischen Revolution und der Verzahnung von materieller und
immaterieller Produktion im algorithmischen Automatensystem wissen wir
erst was allgemeine Arbeit heißt: "Einmal entdeckt", wirkt ein Programm
unendlich weiter und kostet keine Arbeit mehr.

Ja. Aber das "Programm" selbst ist nicht so völlig neu, sondern durch digitale Logik vielleicht eher nur "rein" hervorgetreten. Die Intelligenz eines Algorithmus steckt eigentlich schon in jeder Maschine, die allerdings früher fast nur durch Geldbesitzer erschwinglich war, später auch durch Kreditnehmer und "Leasingpartner". Die Studentenbewegung hat sich m.E. hauptsächlich in der Ablehnung der Computer als hilfreiche Automaten, welche die Revolutionierung der Arbeitszusammenhänge beschleunigen und auch die Wissenschaft und Intelligenz weiterbringen, aus der Welt verabschiedet und war zur Romantik und Nostalgie einer "Kopfarbeit und Handarbeit" und "Werktätigkeit" verkommen, wobei "Kopfarbeit" praktisch nur als Aufklärung durch Information und Naturwissenschaft verstanden wurde. Die Arbeiterbewegung dieser Art hatte nichts mehr mit Marx zu tun und der große Fehler Lenins blieb unentdeckt (siehe "Probleme des Marxismus" auf http://kulturkritik.net). Die Vereinigung von "Kopfarbeit und Handarbeit" war - so begriffen - eine sehr schlechte Floskel dieser Bewegung, die umso schlimmer wurde, je abstrakter sie die Welt wahrnahm. Ich hatte den Streit damals in den selbstverwalteten Betrieben in München und in unserer Druckerei mitgemacht und bin dann (1982) mit einem eigenen reprografischen Betrieb (die Satzwerkstatt) ausgeschieden, die nur durch die digitale Technik marktfähig wurde (und entsprechenden Ärger wegen der Bedrohung von Arbeitsplätzen bekam). Wir ersetzten dort damals tatsächlich zu viert etwa 40 Schriftsetzer, die noch mit Blei arbeiteten und deshalb auch bei schlechter Gesundheit waren. Die richtige Begeisterung für Computer kam aber erst später, politisch explizit wohl bei den Wertkitikern auf.

Ich finde, das Tolle z.B. an Wickipedia ist, dass es momentan zeigen
kann, wie gut ein öffentlich kontrolliertes Zusammenwirken
funktionieren kann. Das wird aber leider nur solange funktionieren,
wie Geld keine Rolle spielt. Nur solange werden die Leute Sinn darin
sehen un finden, also solange, wie solche "Entdeckungen" nicht zu
Werbemitteln werden.

Leider müssen sehr viele Voraussetzungen des Funktionierens der Wikipedia finanziert werden, die Server, die Wartung etc. - es ist richtig daß der
wesentliche Produktionsbereich der geldfreie Bereich ist, aber nichts
würde mich abhalten zu sagen: Geldfreie Bereiche werden oft durch
Kommerzielle Aktivitäten am Leben erhalten. Das wesentliche ist zu
schauen, welcher Sektor die Oberhand behält und die Entwicklung beeinflußt.

Ja ok. Ich mach ja selbst auf der kulturkritik.net inzwischen den Kompromis mit Werbung (sogar gegen Kurts heftigen Widerstand ;-)), weil ich sie sonst nicht mehr finanzieren könnte.

Und dahin weist leider immer ein gleichbleibende
Logik, dass.nämlich etwas irgendwann im Monetenproblem unterzugehen
droht, wenn die Kraft auf Dauer nicht zu einer weitergehenden
Entwicklung führt. Das liegt dann wohl auch an den abstrakten
Zusammenhängen, die in unserer Gesellschaft immer dann übermächtig
werden, wenn die Menschen sich in ihrem Tun nicht weiterbringen, also
durch Zerstreiterei schlappmachen, durch politischen Positionen das
Süppchen finden, das sie dann für sich kochen wollen, oder ihre Egos
entdecken, wenn sie mal etwas in ihrer politischen Seifenkiste
erworben haben usw.

Ganz richtig. Es ist eine ungeheure und immer neu zu lösende Aufgabe, die
noch niemand bewältigt hat, die aber als notwendige vor uns steht. Die
Voraussetzungen werden mit den Kommunikationsmitteln immer besser, sie zu lösen. Wir leben in der spannendsten Zeit der Menschheitsgeschichte, wir
liefern uns ein Wettrennen gegen die progressive Selbstzerstörung der
alten Welt und ihr Versinken in Chaos und Zerstörung. oder wie Du mit
anderen Worten sagst:

Ich finde Wikis gut, setzte darauf aber nicht alles und bin dennoch
zuversichtlich, dass was Besseres rauskommt, einfach nur, weil jede
und jeder begreifen muss, dass es sonst immer schlimmer wird.

Ich arbeite seit 2 Jahren intensiv mit Wikis und versuche ein Gegenmodell zur Wikipedia aufzubauen, bei dem es die Möglichkeit gibt, individuelle
und öffentliche Projekte synergetisch zu verknüpfen. Ich nenne das das
"tiefe Wiki" und habe mit dem Prowiki von Helmut Leitner ein Werkzeug
gefunden, dieses Experiment zu wagen. Bis jetzt bin ich nicht sehr weit gekommen, wir tasten und lernen noch, aber ich habe auch dazu beigetragen
daß ProWiki freie Software wird. Ich versuche meine Freunde davon zu
überzeugen, an diesem Experiment teilzunehmen, hier sind einige Ansätze:

http://www.ourculture.info/wiki.cgi

http://www.dorfwiki.org/wiki.cgi

http://www.gesundeerde-gesundemenschen.net/wiki.cgi

vielleicht möchtest Du auch zusätzlich zum kulturkritischen Lexikon einen virtuellen Arbeitsraum anbieten, da wäre mein Vorschlag es mit ProWiki zu
versuchen.

Ich werde mich damit vertrauter machen und drüber nachdenken. Brauche aber etwas Zeit. Es gibt noch zu viel zu tun.

Schönen Gruß aus München nach Wien

Wolfram________________________________
Web-Site: http://www.oekonux.de/
Organisation: http://www.oekonux.de/projekt/
Kontakt: projekt oekonux.de



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