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Arbeit, war Re(2): Sinn der OX-Liste, war Re(2): [ox] Re: Wiki-Kommerz



Hallo Wolfram!


Am 01.05.2006 um 09:58 schrieb Franz Nahrada:

Freie Software ist übrigens keine "Geschenkökonomie" in dem von Dir
referierten Sinn, die die sie hergeben, verarmen zumindest durch  
diesen
Akt per se nicht, denn sie haben sie auch und primär für sich selbst
produziert.

Trifft das nicht für jede Arbeit zu, wenn sie aus der Formbestimmung  
herausgenommen wird, Waren, also Besitzrecht letztlich durch  
Geldbesitz (das ist auch Betriebskapital, Aktienkapital, Lizensrecht,  
Grundrente, Immobilie usw.) zu erzeugen?


1.
Ich würde bezweifeln, daß man etwas "herausnehmen" kann, ohne ein anderes
zu unterstellen.
-  Marx unterstellt im Kapital einen "Verein Freier Menschen" und kann
dann natürlich auch eine wechselseitige Abrede über die Arbeit
unterstellen. 
-  "Geschenkökonomie" unterstellt vom Terminus her ein Produzieren ohne
Abrede.

Es kann die Arbeit aber real nur aus dem Wertverhältnis (sie wird wie Du
schreibst für das antizipierte Geld geleistet, am klarsten in der
vorgfinanzierten Produktion ersichtlich) heraustreten wenn eine
Verläßlichkeit der Beziehungen gestiftet ist, die im "Geschenk" gerade
nicht gegegeben ist.

2. 
Der Unterschied von für sich selbst und für andere ist tatsächlich nur
deswegen irrelevant, weil die in freier Software geleistete Arbeit die
MArxsche Kategorie der allgemeinen Arbeit in unmittelbarer und reiner Form
repräsentiert. Marx hat die Entstehung der allgemeinen Arbeit und die
Verwandlung der Wissenschaft in die erste Produktivkraft übrigens
vorhergesehen; allerdings hat niemand in der Studentenbewegung auch nur
entfernt begriffen was damit gemeint ist. Erst heute und nach der
mikroelektronischen Revolution und der Verzahnung von materieller und
immaterieller Produktion im algorithmischen Automatensystem wissen wir
erst was allgemeine Arbeit heißt: "Einmal entdeckt", wirkt ein Programm
unendlich weiter und kostet keine Arbeit mehr.

Ich finde, das Tolle z.B. an Wickipedia ist, dass es momentan zeigen  
kann, wie gut ein öffentlich kontrolliertes Zusammenwirken  
funktionieren kann. Das wird aber leider nur solange funktionieren,  
wie Geld keine Rolle spielt. Nur solange werden die Leute Sinn darin  
sehen un finden, also solange, wie solche "Entdeckungen" nicht zu  
Werbemitteln werden. 

Leider müssen sehr viele Voraussetzungen des Funktionierens der Wikipedia
finanziert werden, die Server, die Wartung etc.  - es ist richtig daß der
wesentliche Produktionsbereich der geldfreie Bereich ist, aber nichts
würde mich abhalten zu sagen: Geldfreie Bereiche werden oft durch
Kommerzielle Aktivitäten am Leben erhalten. Das wesentliche ist zu
schauen, welcher Sektor die Oberhand behält und die Entwicklung beeinflußt.

Und dahin weist leider immer ein gleichbleibende  
Logik, dass.nämlich etwas irgendwann im Monetenproblem unterzugehen  
droht, wenn die Kraft auf Dauer nicht zu einer weitergehenden  
Entwicklung führt. Das liegt dann wohl auch an den abstrakten  
Zusammenhängen, die in unserer Gesellschaft immer dann übermächtig  
werden, wenn die Menschen sich in ihrem Tun nicht weiterbringen, also  
durch Zerstreiterei schlappmachen, durch politischen Positionen das  
Süppchen finden, das sie dann für sich kochen wollen, oder ihre Egos  
entdecken, wenn sie mal etwas in ihrer politischen Seifenkiste  
erworben haben usw.

Ganz richtig. Es ist eine ungeheure und immer neu zu lösende Aufgabe, die
noch niemand bewältigt hat, die aber als notwendige vor uns steht. Die
Voraussetzungen werden mit den Kommunikationsmitteln immer besser, sie zu
lösen. Wir leben in der spannendsten Zeit der Menschheitsgeschichte, wir
liefern uns ein Wettrennen gegen die progressive Selbstzerstörung der
alten Welt und ihr Versinken in Chaos und Zerstörung. oder wie Du mit
anderen Worten sagst:

Ich finde Wikis gut, setzte darauf aber nicht alles und bin dennoch  
zuversichtlich, dass was Besseres rauskommt, einfach nur, weil jede  
und jeder begreifen muss, dass es sonst immer schlimmer wird.

Ich arbeite seit 2 Jahren intensiv mit Wikis und versuche ein Gegenmodell
zur Wikipedia aufzubauen, bei dem es die Möglichkeit gibt, individuelle
und öffentliche Projekte synergetisch zu verknüpfen. Ich nenne das das
"tiefe Wiki" und habe mit dem Prowiki von Helmut Leitner ein Werkzeug
gefunden, dieses Experiment zu wagen. Bis jetzt bin ich nicht sehr weit
gekommen, wir tasten und lernen noch, aber ich habe auch dazu beigetragen
daß ProWiki freie Software wird. Ich versuche meine Freunde davon zu
überzeugen, an diesem Experiment teilzunehmen, hier sind einige Ansätze:

http://www.ourculture.info/wiki.cgi

http://www.dorfwiki.org/wiki.cgi

http://www.gesundeerde-gesundemenschen.net/wiki.cgi

vielleicht möchtest Du auch zusätzlich zum kulturkritischen Lexikon einen
virtuellen Arbeitsraum anbieten, da wäre mein Vorschlag es mit ProWiki zu
versuchen.

Franz

________________________________
Web-Site: http://www.oekonux.de/
Organisation: http://www.oekonux.de/projekt/
Kontakt: projekt oekonux.de



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