Re: Arbeit, war Re(2): Sinn der OX-Liste, war Re(2): [ox] Re: Wiki-Kommerz
- From: Jac <sortesindet marsmail.de>
- Date: Thu, 4 May 2006 16:57:34 +0200
Hi,
Am Dienstag, 2. Mai 2006 10:36 schrieb Wolfram Pfreundschuh:
Ja Franz, voll d'acord. "Herausnehmen" war ein etwas schnell
hingeworfener Überfliegerbegriff, womit natürlich die wirkliche
Überwindung der Formbestimmung gemeint sein sollte. Aber Marx hat
nicht nur vom "Verein freier Menschen" als Zukunftsvorstellung
geschrieben, sondern auch von der inneren Zwangsläufigkeit des
Kapitalismus, entweder sich dorthin aufzuheben oder zur Barbarei zu
verkommen, weil die Anhäufung der Kapitalmasse als Formation toter
Arbeit dies nötig macht, weil sie eben ihrem Begriff nach (abstrakt
menschliche Arbeit) zur lebendigen Arbeit zurückkommen und diese
zunehmend unnötig machen muss, sie also von ihren Aufwendungen zu
befreien hat. Und das ist ja heute voll im Gang. Marx setzt selbst
schon auf die Produktionsmittel, die, wenn sie wirklich
vergesellschaftet werden, den Kapitalismus auflösen, sobald die
Menschen dessen innere Vorgänge kapieren, sich dessen also bewusst
sind. Die Formbestimmungen platzen überall auf, wo konkrete
Arbeitsbeziehungen und hieraus gebildete Lebensformen, Kommunen der
Menschen entstehen, sich also auch in den Kommunen selbst entwickeln.
Tja, Wolfram, hier haben wir wohl einen Dissenz. Als revolutionärer
Psychoanalytiker kann ich nur feststellen, daß es nicht reicht, die inneren
Vorgänge des Kapitalismus zu begreifen, solange daß diesen zugrunde
liegende verinnerlichte Machtmodell als Modell sozialer Beziehungen
intakt bleibt und in eine freie Gesellschaft hinein fortgeschrieben wird.
Marx benötigt eine Ergänzung durch Otto Gross u.a., um zu erkennen,
daß die Annahme, die Entfremdung des Menschen vom Menschen sei
allein seinen (Re-)Produktionsbedingungen geschuldet, Teil dieser Ent-
fremdung des Menschen von sich selbst ist.
Der Mensch wird nicht nur von äußeren Umständen geformt, sondern
von Beginn an vom Konflikt seines existentiell Eigenem im Verhältnis zu
den äußeren Umständen. Er ist nicht nur seinem Produkt, sondern auch
seinen in diesem Konflikt nicht erlaubten Anteilen seiner Selbst ent-
fremdet. Dadurch wird die schizophrene Spaltung jedes Menschen zum
gesellschaftlichen Normalzustand. Diese außeren Umstände sind
teilweise den aktuellen Produktionsbedingungen geschuldet, teilweise
jedoch sehr viel älteren tradierten Bedingungen, deren Bezug auf
Produktionsbedingungen nicht erkennbar bzw. nicht überliefert ist.
Die Wurzel der Spaltung des Menschen liegt in seiner autoritären
Erziehung, die eine klassische Herrschaftsform ist und die gespaltene
Persönlichkeiten formt, die der Macht zur Aufrechterhaltung ihrer
entfremdeten Persönlichkeitsstruktur bedürfen, gleichzeitig jedoch
auch äußerer Leitbilder, Ideologien, Religionen und anderer fixer Ideen.
Vergesellschaftung der Produuktionsmittel vermag den Kapitalismus
als Symptom des zugrundeliegenden Machtmodelles aufzulösen, er-
reicht jedoch keine allseitige Entwicklung des Menschen, solange dieser
Entwicklung nach wie vor das verinnerlichte Machtmodell der Leugnung
aller im Akt der Entfremdung abgespaltenen Selbstanteile zugrunde
liegt. Daran scheiterten nicht nur viele Kommunen, sondern nicht zuletzt
auch das Experiment mit dem Kommunismus in der Sovjetunion, welches
geradezu verblüffend bürgerliche Grundwerte hinsichtlich Leistung,
Selbstverleugnung, Homosexuellenfurcht usw. entwickelte.
Gruss,
Jacob
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