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Re: Arbeit, war Re(2): Sinn der OX-Liste, war Re(2): [ox] Re: Wiki-Kommerz



Hi,

Am Dienstag, 2. Mai 2006 10:36 schrieb Wolfram Pfreundschuh:
Ja Franz, voll d'acord. "Herausnehmen" war ein etwas schnell  
hingeworfener Überfliegerbegriff, womit natürlich die wirkliche  
Überwindung der Formbestimmung gemeint sein sollte. Aber Marx hat  
nicht nur vom "Verein freier Menschen" als Zukunftsvorstellung  
geschrieben, sondern auch von der inneren Zwangsläufigkeit des  
Kapitalismus, entweder sich dorthin aufzuheben oder zur Barbarei zu  
verkommen, weil die Anhäufung der Kapitalmasse als Formation toter  
Arbeit dies nötig macht, weil sie eben ihrem Begriff nach (abstrakt  
menschliche Arbeit) zur lebendigen Arbeit zurückkommen und diese  
zunehmend unnötig machen muss, sie also von ihren Aufwendungen zu  
befreien hat. Und das ist ja heute voll im Gang. Marx setzt selbst  
schon auf die Produktionsmittel, die, wenn sie wirklich  
vergesellschaftet werden, den Kapitalismus auflösen, sobald die  
Menschen dessen innere Vorgänge kapieren, sich dessen also bewusst  
sind. Die Formbestimmungen platzen überall auf, wo konkrete  
Arbeitsbeziehungen und hieraus gebildete Lebensformen, Kommunen der  
Menschen entstehen, sich also auch in den Kommunen selbst entwickeln.

Tja, Wolfram, hier haben wir wohl einen Dissenz. Als revolutionärer 
Psychoanalytiker kann ich nur feststellen, daß es nicht reicht, die inneren
Vorgänge des Kapitalismus zu begreifen, solange daß diesen zugrunde
liegende verinnerlichte Machtmodell als Modell sozialer Beziehungen
intakt bleibt und in eine freie Gesellschaft hinein fortgeschrieben wird.
Marx benötigt eine Ergänzung durch Otto Gross u.a., um zu erkennen,
daß die Annahme, die Entfremdung des Menschen vom Menschen sei
allein seinen (Re-)Produktionsbedingungen geschuldet, Teil dieser Ent-
fremdung des Menschen von sich selbst ist. 

Der Mensch wird nicht nur von äußeren Umständen geformt, sondern 
von Beginn an vom Konflikt seines existentiell Eigenem im Verhältnis zu 
den äußeren Umständen. Er ist nicht nur seinem Produkt, sondern auch 
seinen in diesem Konflikt nicht erlaubten Anteilen seiner Selbst ent-
fremdet. Dadurch wird die schizophrene Spaltung jedes Menschen zum
gesellschaftlichen Normalzustand. Diese außeren Umstände sind               
teilweise den aktuellen Produktionsbedingungen geschuldet, teilweise
jedoch  sehr viel älteren tradierten Bedingungen, deren Bezug auf
Produktionsbedingungen nicht erkennbar bzw. nicht  überliefert ist.
Die Wurzel der Spaltung des Menschen liegt in seiner autoritären
Erziehung, die eine klassische Herrschaftsform ist und die gespaltene
Persönlichkeiten formt, die der Macht zur Aufrechterhaltung ihrer
entfremdeten Persönlichkeitsstruktur bedürfen, gleichzeitig jedoch
auch äußerer Leitbilder, Ideologien, Religionen und anderer fixer Ideen.

Vergesellschaftung der Produuktionsmittel vermag den Kapitalismus
als Symptom des zugrundeliegenden Machtmodelles aufzulösen, er-
reicht jedoch keine allseitige Entwicklung des Menschen, solange dieser
Entwicklung nach wie vor das verinnerlichte Machtmodell der Leugnung
aller im Akt der Entfremdung abgespaltenen Selbstanteile zugrunde 
liegt. Daran scheiterten nicht nur viele Kommunen, sondern nicht zuletzt 
auch das Experiment mit dem Kommunismus in der Sovjetunion, welches 
geradezu verblüffend bürgerliche Grundwerte hinsichtlich Leistung, 
Selbstverleugnung, Homosexuellenfurcht  usw. entwickelte.

Gruss,
Jacob
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Kontakt: projekt oekonux.de



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