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Re: [ox] Re: zur Debatte ...



Am 01.05.2006 um 17:28 schrieb Helmuth Supik:

Hallo Helmuth,

den Aktienmarkt auf Wetten zu reduzierend, halte ich für irreführend.

nicht auf den Aktienumsatz sondern auf die 97% des Devisenumsatzes.

Was von Kritikern als Wetten bezeichnet wird ist z.B.:
Du zeichnest ein Papier,nach welchem ein bestimmter Wert- der DAX oder der $- zum bestimmten Datum einen bestimmten Wert erreichen. Wenn es zutrifft, hast Du sehr viel gewonnen, wenn nicht hast Du ebenso viel verloren, weil der
Hebel extrem hoch ist.

Es ging mir aber eher um das gewaltige Missverhältnis zwischen
"investierendem" Kapital und von Investitionen entkoppeltem Kapital
Kannst Du dazu etwas sagen?

Der Devisenumsatz betreibt ja die Ausbeutung der armen Länder, indem der Wert ihrer Devisen durch niedrigsten Reproduktionsstandard erpresst wird, gemessen an dem Reproduktionsstandard der Länder, die ihnen Pharmaka und Technik usw. liefern. Das macht ja den "langen Hebel" der Aktienwerte aus, die hierzulande nur noch als physikalisches Gesetz interpretiert werden. Aber es ist doch ganz einfach zu sehen: Wer könnte hier überhaupt mit 90 Euros im Monat insgesamt leben? Nicht mal ein Bettler, weil allein seine Bleibe schon ein Vielfaches mehr kostet. Daran zeigt sich, dass der Euro oder der Dollar dort sehr anders bewertet sein muss als hier. Den Ausdruck "entkoppeltes Kapital" halte ich gleichermaßen für irreführend. Das investierende Kapital ist das akkumulierende Kapital, also das Kapital, das seinen Mehrwert in Produktionsmittel rückverwandelt, sich als konstantes Kapital also wieder auf den Arbeitsprozess zum Zweck der Erwirtschaftung unbezahlter Arbeit bezieht. Schon immer wurden dem Mehrwert aber zugleich Wert zum Besitzerwerb von Gütern entnommen, die ohne Arbeit und Technik da sind (hauptsächlich Bodenschätze und Grund, bzw. Land). Der so abgezweigte Wert diente als Grundrente alleine der Entwicklung und Fortbestimmung politischer Macht entnommen und bildete ursprünglich auch die Grundlage des Nationalstaates (Landaufteilung, Frequenzbesitz u.a. und hiervon abgeleitet auch die Verfügungshoheit über allgemeine Arbeitsprodukte wie Deichbau, Straßenbau, Kommunikationsmittel usw.). Durch Besitz an solchen Gütern wird das Kapital erst wirklich und vollständig zu einer selbständigen politischen Macht, die auch so etwas wie eine Staatsrendite ermöglichte, die ja wohl inzwischen überholt ist. Die "Entkoppelung" von Kapital ist also nichts anderes als die zunehmende Aufhebung des Nationalstaats als Gesamtkapitalist, die Globalisierung der Finanz- und Aktienmärkte, die sich als Privatbesitzer jener Grundlagen der Nationalstaaten annehmen. Und das können sie, weil zugleich die Wirtschaft sich selbst unmittelbar durch transnationale Konzerne internationalisiert hat und hierdurch die Nationalökonomie in eine einfache Betriebswirtschaft verwandelt worden war: Die Staatesn selbst konkurrieren wie Einzelunternehmungen gegeneinander um den Erhalt ihrer Wirtschaften und Binnenmärkte. So entstand ihre Finanznot, denn auf ihr Renditenmonopol mussten sie zunehmend verzichten. Und deshalb mussten sie in ihrer Finanznot auch das hiermit zum Teil wertlos (weil nicht arbeitseffektiv) gewordene Staatseigentum entsprechend an das Kapital abtreten und es konnte somit auch diese Renditen privatwirtschaftlich verschärfen. Da ist also eigentlich nichts entkoppelt, sondern die Verwertung lediglich über die Nationalstaaten hinweg totalisiert. Was für das Kapital zu akkumulieren ist, wird je nach Gunst der Steuererleichterung und Stücklohnkosten usw. in irgendeinem Land angelegt und bewirtschaftet, das natürlich gegen die Nationalstaaten konkurrieren muss, die sich irgendwann wohlfeiler anbieten. Ausbeutung von unbezahlter Arbeit (also auch die Arbeit fürs Gemeinwesen und dessen Infrastruktur) bezieht sich also jetzt auf die Nationalstaaten insgesamt. Und das ist das einzig Neue, was die Globalisierung gebracht hat. Das Schlimme daran ist, dass es die außerparlamentarische Rechte bestärkt und die Linke in die Lähmung getrieben hat. Auch ihr wird es deshalb nötig werden, sich der Internationalisierung des Kapitals durch eine Entwicklung antikapitalistischer Infrastrukturen entgegen zu setzen (ich nenne das Kommunalismus), bevor sie sich durch subsidiare Kommunen international entwickeln kann.

Gruß
Wolfram Pfreundschuh

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