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Re: [ox] Leistungsgesellschaft als Ideal



Hallo Hartmut,

Am Sonntag, 14. Mai 2006 09:54 schrieb PILCH Hartmut:
Leistungsdruck ist in sofern besonders für die Zivilisation
charakteristisch. Von wegen Sozialdarwinismus.  Jener Zustand des rohen
"alle gegen alle" entsteht erst, wenn man die Vertragsbindungen, die
den Leistungsdruck erzeugen, entfernt.

Der Krieg "aller gegen alle" ist der Normalzustand der heutigen
Gesellschaft. Die Vertragsbindungen  verschleiern nur die ihen
zugrundeliegenden Gewalt- verhältnisse. Leistungsdruck - um Frau und
Kinder zu ernähren, Konsum- wünsche zu verwirklichen, der Verantwortung
für Dritte gerecht zu werden - zieht in dieser Gesellschaft die
Notwendigkeit nach sich, Erfolg zu haben.

Praktisch jede Vereinbarung, die man mit irgend jemandem trifft, geht mit
dieser Notwendigkeit einher.  Das Vertrauensgeflecht jeder Gesellschaft
beruht darauf, soweit ich sehen kann.

Ja, solange wir uns in agressiven europäisch-asiatischen Kulturen bewegen.
In einigen anderen Kulturen überwiegt jedoch der Respekt dem anderen Men-
schen gegenüber und das empathische Einfühlungsvermögen, so daß 
Vertrauen sich an Aufrichtigkeit und nicht am Erfolg orientiert.

Erfolg bedeutet jedoch nichts anderes, als vom Versagen eines oder vieler
anderer Menschen zu träumen,

Eher im Gegenteil: es bedeutet, sich eine verlässliche Umgebung zu
wünschen, in der alle Menschen durch Leistung Erfolg haben können.

Alle Menschen können keinen Erfolg haben, da Erfolg ein Ausschluß-
prinzip ist. Erfolg beinhaltet am Markt, daß das erfolgreichere Produkt
mehr gekauft oder - als Open Source - mehr bezogen wird als andere
vergleichbare Produkte. Im Sport bedeutet es, besser bzw. schneller oder
geschickter zu sein als andere Menschen. etc. "Alle sollen Erfolg haben" 
ist Wunschdenken pur.

Eine Umgebung, in der Menschen ihre Verletzlichkeit, Schwäche, Ohn-
macht, Hilflosigkeit und Lebendigkeit negieren und nicht zum Ausgangs-
punkt ihrer persönlichen Entwicklung machen, ist keine verlässliche
Umgebung. Die Psychologie der Folter zeigt, daß Folterer erst dann
aufhören, ihr Opfer zu quälen, wenn es zu schreien aufhört und sie
nicht mehr an ihre eigene negierte Lebendigkeit erinnert. 

Macht zu gewinnen und auszuüben, um not-
falls andere zu diesem Versagen zu zwingen.

Wenn man ohne Leistung zum Erfolg kommen will, dann ist das so.

Nein, denk noch mal drüber nach.

Alle Sportler, die bei einem 10 000-Meter-Lauf am Start sind, bringen eine
Leistung. Erfolg und Anerkennung jedoch erhalten nur jene, die die ersten
drei Plätze erreichen. Im Verlauf des Rennens andere geschickt anzurem-
peln, so daß sie vor dem Ziel zu Boden fallen oder vor dem Start verbo-
tene Drogen einzuwerfen, um ohne Ermüdung wie der Teufel laufen zu
können, bedeutet nicht, daß man "ohne Leistung" möglicherweise zum
Erfolg kommt.

Wie wir hier sehen, ist offenbar für mich auch die Leistungsgesellschaft
eine positiv besetzte Utopie, wo es das obige im Idealfall nicht mehr gibt.

Viel Spaß - mit solchen Libertarian-Projekten will ich nichts zu tun haben.

Jacob 

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Kontakt: projekt oekonux.de



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