Message 11572 [Homepage] [Navigation]
Thread: oxdeT11491 Message: 11/15 L5 [In index]
[First in Thread] [Last in Thread] [Date Next] [Date Prev]
[Next in Thread] [Prev in Thread] [Next Thread] [Prev Thread]

Re: [ox] Phänomen C



Hallo Thomas,

ich komme leider gerade nicht dazu, die Debatte intensiv zu verfolgen,
obwohl sie spannend ist. Aber hierzu wenigstens eine Antwort.

Thomas Kalka wrote:
C, also (1) "Rausschmeißen" oder (2) "don't feed the troll" sind
ebenfalls aggressiver Natur. Ja, (2) auch, denn es ist deutlich eine
Form der bewussten sozialen Ignoranz und Ausgrenzung gegenüber einer
"störenden" Person.

Punkt (2) würde ich gerne näher erleutert haben.
Generell "Dont feed the troll" als agressiv einzustufen erscheint mir
zu undifferenziert.
Eine Mailingliste ist ein öffentlicher Raum, der mit spezifischen
Erwartungen betreten wird und nur ein kleiner Bereich des sozialen Kontext
einer einzelnen Person.

Du verstehst mich falsch, wenn du in obige Aussage einen wertenden
Akzent reinliest. Ich möchte wirklich ANALYTISCH rankommen - jenseits
der Frage, ob Aggressivität an einzelnen Stellen vielleicht ein
sinnvolles Mittel ist. Es ist - für mich - auch ein Unterschied, ob
"don't feed the troll" deine persönliche Konsequenz ist oder ob im
Rahmen eines Aufrufs wie hier andere dazu angehalten werden. Dann hat es
zumindest den Rang einer Verabredung. Nur das letztere würde ich als
aggressiv einstufen, weil es einen normativen Druck auf der Liste
aufbaut. Du hast das wenig differenziert.

Und nun will ich dir begründen, WARUM ich das als aggressiv einstufe,
auch wenn es durchaus die Wirkung haben kann, die Liste "rein" zu halten
(und mglw. praktisch einzusetzen ist - aber dann unter Inkaufnahme der
hier analytisch herauszupräparierenden Konsequenzen).  Die "spezifischen
Erwartungen" sind schließlich eine individuelle Größe und auch C hat
diesen Raum mit solchen betreten. Und wenn er - trotz des scharfen
Gegenwinds, der ihm hier dauernd ins Gesicht bläst (ich hätte mich unter
solchen Umständen längst geTROLLt) - dann muss es eine Differenz in den
Erwartungen geben. Sich kollektiv zu "don't feed the troll" zu
verabreden bedeutet dann, diese spezielle Erwartungshaltung (und damit
C) zu ignorieren, ohne ihr auf den Grund gegangen zu sein.

Es ist der von mir bereits oft thematisierte Unterschied zwischen der
IDEA-Sicht und der PEOPLE-Sicht. Ob du die Mailingliste als Medium
ansiehst zum "Raisonnieren" oder als sozialen Raum, in dem sich Akteure
treffen, die auch was BEWEGEN wollen. Ersteres ist sehr unverbindlich,
wie etwa die Art, in der ich dein Coforum nutze (obwohl ich mich da auch
schon mal in einen Flame mit reingehängt hatte und es bedauere, dass das
damalige Ergebnis, Sigi's DiaLog-Seite, nicht mehr da zu sein scheint).
Ich finde es ganz toll, dass es das gibt, habe aber (wenigstens bisher)
keinen eigenen Gestaltungsanspruch innerhalb des Coforum.  Das sieht bei
Oekonux anders aus (und Oekonux war im Selbstverständnis auch immer ein
*Projekt*, wollte also was bewegen). Aber bewegen tut eben keine Idee,
sondern nur konkrete Leute. Und da ist für mich die Frage, ob jemand wie
C, der sich offensichtlich von dem *Projekt* angezogen fühlt, auf eine
Weise wie "don't feed the troll" ausgegrenzt werden soll. Bzw. ob sich
ein Projekt wie dieses einen solchen Mechanismus der Ausgrenzung
überhaupt leisten soll oder leisten kann, ohne essentiell Schaden zu
nehmen.

Bzw. bereits essentiell Schaden genommen hat, da dieser Mechanimus in
der Vergangenheit oft genug losging.

Im übertragenen Sinn scheint mir diese Sichtweise auch auf das Thema
"wie gegen Herrschaftsstrukturen angehen ?" angebracht.
Die Lösungstrategie "kämpfe dagegen" verfestigt meiner Ansicht nach
Herrschaftstrukturen oder ersetzt diese durch andere.
Kollektives ignorieren von Herrschaftstrukturen schafft diese ab.

Wie gesagt, ich plädiere für ANALYSE, besonders beim Phänomen C, da ich
fest davon ausgehe, dass wir ihm (dem Phänomen) alle in der einen oder
anderen Weise verfallen sind (kann ich auch theoretisch weiter
untersetzen - Stichworte: Fetischcharakter dieser Gesellschaft, Rolle
von Ideologie als verkehrtem bewusstsein etc.). Diese Analyse wäre dann
immer auch eine Form von Selbstanalyse.

Dabei sollte im Blick bleiben, dass nicht alle an der Diskussion 
beteiligten Kontrahenten in diesem Sinn sind. Mit Kontrahenten ist
wohl die Gruppe derer gemeint, die sich zum Kampf gegen Crox genötigt
fühlen ?

Ich hoffe, du zählst mich nicht zu diesen "Kämpfern", denn das ist in
der Tat aus vielen Gründen müßig.

Viele Grüße, HGG

-- 

  Prof. Dr. Hans-Gert Graebe, Inst. Informatik, Univ. Leipzig
  Augustusplatz, D-04109 Leipzig, Raum 5-53	
  tel. : +49 341 97 32248
  email: graebe informatik.uni-leipzig.de
  Home Page: http://www.informatik.uni-leipzig.de/~graebe

________________________________
Web-Site: http://www.oekonux.de/
Organisation: http://www.oekonux.de/projekt/
Kontakt: projekt oekonux.de



[English translation]
Thread: oxdeT11491 Message: 11/15 L5 [In index]
Message 11572 [Homepage] [Navigation]