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Re: [ox] Re: Was ist Kompetenz?



Jac wrote:
Am Donnerstag, 22. Juni 2006 19:45 schrieb Hans-Gert Gräbe:
 Redest du dem tyrannisierenden Säugling das Wort?

Es ist die Kernbehauptung der Erzieher, daß Säuglinge "tyrannisch"
oder "tyrannisierend" wären.  Da Säuglinge im Jetzt leben und für
sie ein in einer Stunde oder Morgen keinen Sinn macht, können
ihre drängenden Bedürfnisse nur unmittelbar befriedigt werden.
Dies als "tyrannisch" zu interpretieren, bedeutet, eine vom Erle-
ben des Erwachsenen unabhängige Realität des Säuglings zu
negieren und dem Säugling finstere Absichten zu unterstellen.

Säuglinge sind nur dann "tyrannisch", wenn z.B. ihr Bedürfnis 
nach Kontakt nur spärlich befriedigt wird - etwa, indem man 
keinen Gedanken daran verschwendet, sie in einer Wiege
im Kinderzimmer, in einem Laufstall oder in einem Kinderwagen 
zu isolieren, d.h., sie der Isolationsfolter auszusetzen.

Deine Argumentation suggeriert dass es ein objektives Mass daf"ur
gibt, wieviel Kontakt 'genug' ist, und, dass der S"augling dieses
Mass (aner)kennt.
Aber sp"atestens bei zwei Kindern geht die Rechnung nicht mehr auf:
beide k"ampfen nicht mehr nach einem a priori existierenden Quantum
an Kontakt (der sprichw"ortlichen 'Streicheleinheit'), sondern beide
entwickeln die ausgekl"ugelsten Techniken, um die Aufmerksamkeit vom
Geschwister auf sich selbst zu lenken.
Dazu braucht's keine 'finsteren Absichten'. Das ist einfach spielerisches
Experimentieren mit dem eigenen Verhalten und deren Konsequenzen
von Seiten der Eltern.

Säuglinge gehören - wie in vielen anderen Kulturen üblich - in einen 
Tragesitz auf den Rücken oder vor den Bauch eines Erwachsenen,
nicht in einen Kinderwagen, um die Sicherheit der Nähe des Er- 
wachsenen zu spüren und um trotzdem sich aus dieser Sicherheit 
heraus mit der Umwelt auseinandersetzen zu können.

"Ubrigens (auf den Unsinn des 'geh"oren auf den Bauch' will ich lieber
gar nicht erst eingehen) scheint Dir v"ollig zu entgehen, wie viel
von der Sicherheit die Du hier beschreibst auch aus dem bewussten
Umgang mit Erziehung (insbesondere Verboten und andere Einschr"ankungen)
stammt.
Nicht alle Limits kann ein Kind 'im Ernstfall' erfahren, sonst w"aren
solcherlei Erfahrungen oft die letzten. In solchen F"allen, wo das
Kind die Verantwortung (noch) nicht selbst tragen kann (und das sind
f"ur die ganz Kleinen eigentlich alle), m"ussen also Erzieher die Limits
setzen und umsetzen.
Es ist also neben den konkreten 'Limits' selbst mindestens ebenso wichtig
zu betrachten, mit welchen Mitteln, und zu welchem Zweck selbige gesetzt
werden.

-- 

      ...ich hab' noch einen Koffer in Berlin...
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