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Re: [ox] Re: Was ist Kompetenz?



Hallo Hans-Gert,

Am Mittwoch, 21. Juni 2006 18:03 schrieb Hans-Gert Gräbe:
Ich meinte aber genau die andere Seite, nämlich dass es im Bereich der
äußeren VERHÄLTNISSE Quellen gibt, die zu genau so einer Wahrnahme
führen. Die "strukturelle Gewalt" ist nicht in uns, sondern wirklich
"irgendwo da draußen".

Strukturelle Gewalt ist gespiegelt nach außen. Wenn mich ein Automat
blitzt und mir ein PC eine Zahlungsaufforderung schickt, so habe ich
es mit zu irgend einem früheren Zeitpunkt nach außen gespiegelter Ge-
walt zu tun, indem die Blitze und der Computer von Technikern konstru-
iert, von Polizisten aufgestellt und in Betrieb genommen wurden.

Diese strukturelle Gewalt hat nur Macht über mich, wie ich mich im
zugehörigen Rechtssystem positioniere, den Verkehrsregeln und der
Strafandrohung, wenn ich beim Übertritt dieser Regeln "geblitzt"
werde, zustimme. Stimme ich nicht zu und trage die Konsequenzen
meiner Nichtzustimmung, so bin ich der strukturellen Gewalt nicht
länger ausgeliefert. Diese wandelt sich zurück in offene Gewalt, in-
dem Polizisten versuchen, mich zu fangen - und der ich mich allein
oder kollektiv mit anderen zu entziehen versuchen kann.

Ich verstehe überhaupt nicht, wie "strukturelle Gewalt in uns" sein
kann, wieso das Über-Ich (1) strukturell und (2) Gewalt ist.

Das Über-Ich besteht in der Identifikation mit der dem Säugling
oder Kleinkind fremden Ordnung der Erziehungsberechtigten
gegen die eigene, existentielle Ängste auslösenden Lebendigkeit,
wenn nicht in den "Versorgungsplan" der Erziehenden passende
Bedürfnisse keine Befriedigung erfahren. Dadurch, daß die Be-
dürfnisse eines Säuglinges oder Kleinkindes nur dann befriedigt
werden, wenn die Erziehenden in ihrer Sicht der Wirklichkeit des
Säuglings meinen, der Säugling habe ein Bedürfnis, wird die
Kommunikation zwischen Kindern und Erwachsenen nachhal-
tig gestört. Diese Störung bezeichne ich als Gewalt-  und Herr-
schaftsverhältnis. Die gestörte Kommunikation setzt sich in 
einem Prozess der Persönlichkeitsentwicklung außerhalb der 
eigenen Lebendigkeit nach dem Muster des Machtmodelles fort, 
Macht über sich selbst und über andere zu entwickeln. Der
Destruktions- und Todestrieb bei S. Freud verdunkelt nur ein
gesellschaftliches Gewalt-, Macht- oder Herrschaftsverhältnis
autoritärer Gesellschaften - ebenso wie der Begriff der weib-
lichen Hysterie den sexuellen Mißbrauch von Mädchen im vik-
torianischen Zeitalter Freuds verschleiert.

Die nicht in der eigenen Lebendigkeit verankerte Persönlichkeit 
ab dem Zeitpunkt der Kommunikationsstörung kann als Struktur 
des Über-Ich aufgefaßt werden, da diese im Kern Identifikation 
mit der äußeren Ordnung der Erziehenden, Angst und der Umgang
mit beiden ist. Die nach der Störung entwickelte Persönlichkeit 
drückt sich auch strukturell in bestimmten zwanghaften Körper-
haltungen oder in einer Anfälligkeit für bestimmte körperliche 
Störungen aus.

Gruss,
Jacob
________________________________
Web-Site: http://www.oekonux.de/
Organisation: http://www.oekonux.de/projekt/
Kontakt: projekt oekonux.de



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