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Re: [ox] Umsonstnetzwerk et al. - an jac



Am Freitag, 7. Juli 2006 22:23 schrieb Karl Dietz:
Am 7 Jul 2006, um 18:39 hat Jac geschrieben:
Ist es nicht eine Erkenntnis des Anarchismus, daß aus Begabung und
Interesse keine bevorzugte Stellung einer oder mehrerer Personen in
einer sozialen Struktur erwachsen darf?

Kannst du das ausführen?

Ein Gedanke vorab von mir: ich verstehe einiges von Mails.
Es wäre doch "doof" wenn dieses know how brachliegen müsste,
weil ich davon mehr verstehe als andere?

Vielleicht hab ich dich ja auch völlig falsch verstanden...

In den vor der zitierten Frage stehenden Absätzen ist eigentlich meine
Ansicht schon enthalten.

Der egalitäre Anarchismus (der andere ist dem Faschismus ver-
wandt wie z.B. die Nationalen Anarchisten!) anerkennt Interesse
und Begabung, negiert jedoch jede aus einem größeren Interesse
oder einer Begabung abgeleitete Höherwertigkeit einer Person oder
Personen in einer sozialen Struktur bzw. im sozialen Umgang mit-
einander, da dadurch eine Hierarchie und oft auch Herrschaft der 
Begabten über die weniger Begabten etabliert wird. Diese - wie jede 
andere - Hierarchie steht der Gleichheit der Chance zur Selbstver-
wirklichung im Weg, da die Mitglieder der sozialen Struktur gezwun-
gen sind, sich an den wichtigen und höher wertigen Personen aus-
zurichten, um diese in der sozialen Struktur zu halten. Ist dies gege-
ben, liegt keine Freiheit der Mitglieder der sozialen Struktur vor.

Es ist in der Praxis völlig klar, daß einige Personen für bestimmte
Gebiete mehr Interesse aufbringen als andere oder etwas besser
können als andere Menschen. Daraus darf jedoch nicht abgeleitet
werden, daß stärker Interessierte oder höher Begabte in der zur
Entscheidungsfindung notwendigen Abstimmung z.B. mehr Stim-
men auf sich vereinigen als andere, diese Anderen als kleinere
Gruppe überstimmen können, wenn die egalitäre Chance aller,
sich in einem gemeinsamen Projekt zu verwirklichen, erhalten wer-
den soll. Auch in einer Konsensfindung darf ihre Meinung nicht
schwerwiegender sein als die Meinung anderer - ist dies gege-
ben, besteht eine hierarchische Herrschaftsstruktur, die es einer
kleinen Gruppe erlaubt bzw. erlauben würde, eine größere zu
terrorisieren und zu beherrschen - selbst, wenn diese kleinere
Gruppe von ihrer Macht keinen oder nur wenig Gebrauch macht.

Hört eine Gruppe von usern nicht auf ihre wichtigen Personen,
versäumt sie es, diese Personen zu hofieren und ihre Meinung
als ausschlaggebend für das gemeinsame Projekt zu bewerten,
können diese das Interesse verlieren und dem Projekt den Rücken
zukehren. Je mehr diese wichtigen Personen die soziale Struktur
- als Organisatoren der realen Zusammenkünfte, Mieter der 
Räumlichkeiten, Geldgeber oder Verwalter der virtuellen Tech-
nik -  garantieren, um so schwerer wiegt ihr mögliches Des-
interesse. Erhalt der sozialen Struktur zwingt die user also da-
zu, sich nach der Meinung dieser wichtigen Personen zu rich-
ten, schlimmstenfalls ihnen nach dem Munde zu reden und
jeden noch so absurden Einfall dieser mitzuvollziehen, nur um
ihre Funktion als Garant der sozialen Struktur zu erhalten.

Zwangsläufig entstehen so auf ein Zentrum bzw. Kerngruppe
einer oder mehrerer wichtiger Personen zugeschnittene Gruppen,
die nur solange existieren, wie die wichtigen Personen sie durch
ihr Interesse oder ihre für die soziale Struktur existentiell wichtigen
Fähigkeiten am Leben erhalten.  Stefan Mertens reflektiert auf
seine zentrale Rolle als Gründer und Verantwortlicher der so-
zialen Struktur des Projektes Oekonux, wenn er ox abschalten
will. Indirekt verlangen seine Statements eine Orientierung der
Diskussionen des Projektes an seinen Vorgaben und Interessens-
schwerpunkten. Anderer Meinung hinsichtlich der Diskussions-
inhalte zu sein, kann für den Erhalt des sozialen Umganges in der 
deutschen Sprache über ox gefährlich werden, wenn er nicht 
durch eine Ausrichtung der Inhalte an seiner Vorstellung als 
wichtiger Person zufrieden gestellt wird - sofern nicht struktu-
rell organisatorische Maßnahmen, z.B. nur im Konsens aller
Projektmitglieder die Liste abzustellen, diese Machtstellung neu-
tralisieren.

Das Internet etabliert eine Herrschaftsstruktur, die der bürger-
lichen Gesellschaft entspricht, die ihre Machtstrukturen im PC
und aller im Netzwerk verbundener PCs entäußert und vergegen-
ständlicht hat. Jeder Projektgründer oder List-owner verfügt über
Passworte und Zugang zu Strukturen, die es ihm erlauben, z.B.
das Projekt ohne Rücksprache mit anderen zu beenden, Filter 
einzusetzen etc. Er hat die Macht, seinen usern Rechte einzuräu-
men oder Rechte zu entziehen, Zugänge zu öffnen und wieder 
zu schliessen und z.B. zu definieren, was Spams sind, was als
'Trolling' gilt und was nicht usw.. Die Struktur macht ihn als 
Verantwortlichen zum absoluten Monarchen.

Selbst Projekte wie ot sind ihrer verwendeten Technik nach ab-
solute monarchistische Projekte, weshalb die Bezeichnung des
List-owners beim anarch des Wissenschaftsladens Dortmund
als "monarch" durchaus zutreffend war. Sie alle hängen direkt
von der Bereitschaft der die technische Struktur bereitstellenden
Personen ab, durch die der soziale Umgang via E-Mail, Listen,
Wikis etc. erst möglich wird, die durch die technische Struktur 
gegebene Macht mit anderen zu teilen - ergo Gewaltenteilung 
und die Mitsprache Zweiter oder Dritter zuzulassen - durch die
Weitergabe von Passworten etc.

Gruss,
Jacob

________________________________
Web-Site: http://www.oekonux.de/
Organisation: http://www.oekonux.de/projekt/
Kontakt: projekt oekonux.de



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