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Re: [ox] Re: Verantwortung übernehmen!



Am Dienstag, 11. Juli 2006 12:28 schrieb Stefan Meretz:
Das sehe ich anders. IMHO ist es ein Ziel, "Alleingänge" maximal zu
befördern. Das ist nämlich die Essenz des Begriffes Selbstentfaltung.
Dazu gehört allerdings auch, es wirklich im Sinne der Selbstentfaltung
zu betreiben, wonach meine Entfaltung die Entfaltung der Anderen zur
Voraussetzung hat - und umgekehrt. Anderenfalls ist es keine
Selbstentfaltung, sondern letztlich Selbstschädigung. Wer sich auf
Kosten anderer durchsetzt, schadet sich letztlich selbst. Leider ist
diese Erkenntnis nicht einfach zu gewinnen und vor allem nicht einfach
zu leben.

Die dahinter zu vermutende Definition von Selbstentfaltung 
verwendet einen m.E. nach falschen Autonomiebegriff, der
eine autistische Unabhängigkeit von anderen Menschen ein-
und befördert. Selbstentfaltung kann nicht ohne den durch
andere gegebenen Rahmen begriffen werden - und sei dieser
auch nur, daß die Freiheit zur Selbstentfaltung notwendigerweise
an der Freiheit der jeweils anderen endet. Totale Freiheit im Sinne
einer Autonomie des "Alleinganges" wird noch nicht einmal vom 
Anarchismus eingefordert.

Alleingänge im Sinne einer auf gemeinsamen Entscheidungen
egalitärer Natur über das gemeinsame Projekt aufsattelnden
Verantwortlichkeit sind massiv zu fördern, nicht Alleingänge,
in welchen einer zum Entscheidungs- und ausführenden Organ
stellvertretend für alle anderen wird. Dieser Konflikt ist im Archiv
aus den Diskussionen auf ox und pox Ende 2005, Anfang 2006
deutlich herauslesbar.

Soziale Strukturen geraten in Gefahr, so schreibst Du, Stefan Merten,
wenn die bedeutende(n) Person(en) die Struktur verlassen - im
Umkehrschluß bedeutet dies, daß die soziale Struktur in ihrem
Verhalten, ihrer Themen- wahl und ihrer Diskussionsführung sich an
der/den bedeutende(n) Perso- n(en) ausrichten muß, dieser bzw. diesen
gefallen muß, um diese bzw. diesen in der sozialen Struktur zu
halten.

Meine Meinung dazu ist: Wenn sich jede/r in dem oben beschriebenen Sinne 
an ihrer/seiner Selbstentfaltung ausrichtet, dann sind die Andere als 
Entfaltungsbedingung für mich automatisch mit im Blick, dann empfinde 
ich auch automatisch Verantwortung für den gemeinsamen Prozess wie für 
mich. Und dann braucht auch keine "soziale Struktur" (da ist doch keine 
Entität) sich an irgendwem etwa unter Aufgabe anderer Wünsche etc. 
ausrichten. Das Leitbild ist nicht Altruismus, Aufgabe und Verzicht, 
sondern Selbstentfaltung.

Tatsächlich jedoch ist der oben stehende Schluß nur eine Beschreibung
des gewöhnlichen Prozesses in unstrukturierten Gruppen. In diesen
richten sich weniger bedeutende Personen an bedeutenderen Personen
aus - und sei dies nur, daß bestimmte Fragen nicht gestellt werden, man
seine unfertigen Theorien nicht einzubringen wagt, weil bedeutendere 
Persönlichkeiten sehr viel ausgefeiltere  Theorien zum Projekt beisteuern
oder beigesteuert haben, man nicht auffallen oder anecken mag etc.

Ferner muß mit Selbstentfaltung in einem Rahmen des Endes der 
eigenen Freiheit an der Freiheit der anderen (für Freiheit kann auch 
Selbstentfaltung eingesetzt werden!) eine gewisse Aufgabe und ein 
bestimmter Verzicht verbunden werden - der Verzicht auf Positionen 
und Handlungen, die andere in ihrer Freiheit oder Selbstentfaltung 
beeinträchtigen. Aufgabe und Verzicht stehen deshalb nicht in
Opposition zur Selbstentfaltung.

Gruss,
Jacob
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Organisation: http://www.oekonux.de/projekt/
Kontakt: projekt oekonux.de



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