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Re: [ox] Re: Verantwortung übernehmen!



Hallo Jac,

zwei kurze Vorbemerkungen. Zum Einen: Ich bin dafür, Metadebatten über 
Oekonux runterzufahren und Debatten der Oekonux-Agenda wieder hoch. 
Teilweise überlappt sich das natürlich, in gewisser Weise sind wir 
unser eigener Gegenstand insbesondere der Debatten um eine freie 
Gesellschaft. In diesem Sinne will ich antworten.

Und eher technisch: Wenn du Bindestrich zum Trennen am Zeilenende 
verwendest, stehen sie beim Umformatieren mittendrin.

Am Friday 07 July 2006 18:39 schrieb Jac:
Ich heiße Jacob Steinhagen und komme aus Schlesvig-Holstein.
Seit über 20 Jahren bin ich am Anarchismus interessiert, der ja
laut Proudhon die eigentliche, am nicht überwundenen absoluten
Denken gescheiterte Zielvorstellung der französischen Revolution
von 1789 war.

Ich heiße Stefan Meretz, bin aus Berlin, versuche verschiedene Ansätze 
fruchtbar zu machen, wobei die Kritische Psychologie und die Wertkritik 
wichtige Bausteine für mich sind. Anarchismus als Denkbewegung kenne 
ich nur durch Personen, die ihn vertreten oder darauf hinweisen, wenn 
Denkfiguren aus dem Anarchismus kommen.

Ein wirklich tragfähiges "Wir"-Gefühl konnte sich aufgrund mangelnder
konkreter Ziele noch nicht entwickeln wie beispielsweise in einer

Ich sehe es nicht als Ziel an, ein "Wir-Gefühl" in Bezug auf konkrete 
Ziele, auf die wir uns einigen würden, zu entwickeln. Oekonux ist eine 
Lernumgebung für Menschen, die über die gesellschaftliche 
Verallgemeinerung der Prinzipien Freier Software nachdenken wollen. 
Persönlich bin ich ohnehin skeptisch, was "identitäre Bezüge" angeht.

Dieser Mangel wird deutlich darin, wie wenige 
Menschen im Vergleich zu den in den Listen eingetragenen Usern
Mitglied im Trägerverein wurden.

Der Verein ist ein bloß formales, für den Projektprozess absolut 
irrelevantes Konstrukt. Er dient nur dazu, entfremdeten formalen 
Anforderungen (etwa beim Beantragen von Fördermitteln) entsprechen zu 
können.

Alleingänge tragen in sich immer ein Konfliktpo- tential,
was den öffentlichen Raum zerstört

Das sehe ich anders. IMHO ist es ein Ziel, "Alleingänge" maximal zu 
befördern. Das ist nämlich die Essenz des Begriffes Selbstentfaltung. 
Dazu gehört allerdings auch, es wirklich im Sinne der Selbstentfaltung 
zu betreiben, wonach meine Entfaltung die Entfaltung der Anderen zur 
Voraussetzung hat - und umgekehrt. Anderenfalls ist es keine 
Selbstentfaltung, sondern letztlich Selbstschädigung. Wer sich auf 
Kosten anderer durchsetzt, schadet sich letztlich selbst. Leider ist 
diese Erkenntnis nicht einfach zu gewinnen und vor allem nicht einfach 
zu leben.

- eben weil darin die unglei- che 
Machtverteilung im Gegensatz zur öffentlichen Bekundung des List-
owners als Erster unter Gleichen besonders deutlich wird.

Der List-Owner StefanMn hat mehrfach deutlich gemacht, dass er sich 
nicht als Erster unter Gleichen sieht. Forderungen an ihn persönlich 
nach Eingriff in ox-de hat er zurückgewiesen. Stattdessen hat er die 
Wahrnehmung von Verantwortung - im Alleingang oder gemeinsam - 
eingefordert.

Ferner gehen wir hier mit einer Technik um, die - einmal von ihrer
glo- balen und lokalen befreienden Wirkung abgesehen - in sich die
Macht- verteilung der bürgerlichen Gesellschaft vergegenständlicht.
Dies zeigt sich darin, daß ein List-owner oder Verwalter erforderlich
ist, der in je- dem Falle via Passwort mehr Macht besitzt als die
User seiner Webseite oder Mailliste(n), selbst wenn die Gestaltung
einer Themenseite den usern überlassen werden kann. Dadurch wird nach
der Faktenlage die Macht- stellung eines 1. Vorstandvorsitzenden
eines Trägervereines unterstützt, solange dieser auch
Verantwortlicher der virtuellen Strukturen ist - je- denfalls
solange, wie in der Satzung des Trägervereines nichts anderes
(Trennung des Vorsitzes von der Verantwortlichkeit für das Virtuelle
z.B.) vereinbart wurde. Kollektive Konsensbeschlüsse und
Kollektivverantwort- lichkeiten lassen sich inzwischen auch in der
Satzung bzw. Neufassung einer Satzung von Trägervereinen nach
bürgerlichem Recht in der BR Deutschland festschreiben.

Ja, ist alles klar. Deswegen haben wir (ich bin in dem Verein) uns 
entschieden, all diesen entfremdeten Formalkram auf das absolute 
Minimum zu reduzieren und über darüber keine Entscheidungen etc. zu 
betreiben.

Insbesondere über die Rolle bedeutender Personen für eine soziale
Struk- tur liegen bei mir völlig andere Erfahrungen vor. Soziale
Strukturen nei- gen in unserer europäischen Kultur dazu, sich viel zu
stark an den bedeu- tenden Personen auszurichten

Du denkst an die Politik? Zustimmung. Aber ich möchte gerne "bedeutenden 
Personen" von "Personen mit Bedeutung" unterscheiden. Erstere sind 
solche, deren Bedeutung qua Macht und Aufmerksamkeit zukommt, weil sie 
es verstanden haben, sich im Konkurrenzkampf auf Kosten anderer 
durchzusetzen. Dagegen sollten wir auf starke Personen mit positiver 
Bedeutung für Andere im Sinne der Selbstentfaltung setzen. Das Ziel 
ist, dass jede und jeder eine "Person mit Bedeutung" wird.

Zwang zum Hahnenkampf in die soziale Struktur eingeführt, eben weil
die Unterteilung in Menschen bedeutender und weniger bedeutender
Stellung automatisch eine Hierarchie etabliert

Die Bedeutung einer Person im Sinne der Selbstentfaltung hängt nicht von 
ihrer Stellung ab. Im Sinne des sich-auf-Kosten-Anderer-Durchsetzens 
schon. Das sollten wir unterscheiden lernen.

, die zur eigentlichen 
sozia- len, informellen Struktur wird - solange man nicht durch
bewußte organi- satorische Maßnahmen gegensteuert.

Genau: Verein nur formal.

Soziale Strukturen geraten in Gefahr, so schreibst Du, Stefan Merten,
wenn die bedeutende(n) Person(en) die Struktur verlassen - im
Umkehrschluß bedeutet dies, daß die soziale Struktur in ihrem
Verhalten, ihrer Themen- wahl und ihrer Diskussionsführung sich an
der/den bedeutende(n) Perso- n(en) ausrichten muß, dieser bzw. diesen
gefallen muß, um diese bzw. diesen in der sozialen Struktur zu
halten.

Meine Meinung dazu ist: Wenn sich jede/r in dem oben beschriebenen Sinne 
an ihrer/seiner Selbstentfaltung ausrichtet, dann sind die Andere als 
Entfaltungsbedingung für mich automatisch mit im Blick, dann empfinde 
ich auch automatisch Verantwortung für den gemeinsamen Prozess wie für 
mich. Und dann braucht auch keine "soziale Struktur" (da ist doch keine 
Entität) sich an irgendwem etwa unter Aufgabe anderer Wünsche etc. 
ausrichten. Das Leitbild ist nicht Altruismus, Aufgabe und Verzicht, 
sondern Selbstentfaltung.

Es ist allerdings wirklich schwer mit dem bürgerlichen "Kampfhundmodus" 
(zum eigenen Schaden) zu brechen, den wir täglich trainieren und real 
auch täglich beherrschen _müssen_. Dazu habe ich mal was geschrieben: 
http://www.freitag.de/2004/26/04260501.php

Ist es nicht eine Erkenntnis des Anarchismus, daß aus Begabung und
Interesse keine bevorzugte Stellung einer oder mehrerer Personen in
einer sozialen Struktur erwachsen darf?

Das weiss ich nicht. Ich hoffe, es kann eine Erkenntnis werden, dass je 
meine Selbstentfaltung die Selbstentfaltung der Anderen zur 
Voraussetzung hat und umgekehrt und dass das Weg und Ziel einer Freien 
Gesellschaft ist.

Ciao,
Stefan

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