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Re: [ox] Gibt es ein Macht-Vakuum?



Hallo Ingo,

Ingo Heer wrote:
Was ist "richtig"? "Richtig" kann ich nur als subjektive Kategorie
denken.

Das sehe ich anders. Prozesse, die außerhalb meines Körpers 
ablaufen, können intersubjektiv beurteilt werden und von daher kann
ihre Richtigkeit auch objektiv festgestellt werden.

Genau: "intersubjektiv" - was ja erst mal eine subjektive Beurteilung
voraussetzt,

Da bin ich mit dir völlig einer Meinung. Ich habe mich an dem "nur" 
in deinem obigen Satz gestört, da ich dies so aufgefasst habe, als ob
es keine intersubjektive Feststellung von Sachverhalten als richtig
geben könnte. ehe das in einen intersubjektiven Kommunikationsprozess
kommt, der auch gewisse Kohärenz von Auffassungen herstellen kann
etc.

Wir sind unversehens wieder bei einer Thematik gelandet, die hier vor
etwa einem Jahr einen ziemlichen Flame zwischen mir auf der einen Seite
und Stefan Merten sowie Stephan Eissler auf der anderen Seite ausgelöst
hatte - über den Begriff von Information, den du hier verwendest. Ich
sage noch immer, mit der Autorität von Janich, Capurro und
Fuchs-Kittowski im Rücken: intersubjektive Feststellung von
Sachverhalten ist nur als ERGEBNIS eines intersubjektiven
Kommunikationsprozesses zu verstehen, als Ergebnis "gelingender
menschlicher Kommunikation".

Insofern gibt es für mich in der Tat keine intersubjektive Feststellung
von Sachverhalten, der nicht ein intersubjektiver Kommunikationsprozess
mit Kohärenz bildendem Charakter VORAUSGEGANGEN ist.

Hier meine ich, dass bei objektiven (das heißt intersubjektiv
feststellbaren) Sachverhalten "Auffassungen" keine Rolle spielen. Ich will
das am Beispiel der Quantenmechanik deutlich machen. 

Die Aussage "intersubjektiv feststellbar" ist aber doch schon Ergebnis
einer solchen Kohärenz stiftenden Kommunikation, oder? Wie kommt es zur
Abgrenzung und Zuschreibung von Phänomenen als "intersubjektiv
feststellbar" ?

Bei allen mir bekannten reproduzierbaren Experimenten gibt es
innerhalb der Physikergemeinschaft keinen Dissenz. ...

Hier ist der Kommunikationsprozess ja mit Händen zu greifen. Wie in
Holloway Buch für andere gesellschaftliche Phänomene ausgeführt gibt es
gute Gründe, das Ergebnis dieses Kommunikationsprozesses nicht losgelöst
vom Prozess selbst zu betrachten, weil wir sonst Gefahr laufen, den in
dieser gesellschaft allgegenwärtigen Fetischisierungstendenzen aufzusitzen.

Aber erst in der Interpretation der Ergebnisse entstehen die
Differenzen. 

Die aber eine Basis haben; den darunter liegenden Konsens. Machen wir
den unsichtbar, dann wird er auch unhinterfragbar.

Fazit: in Wissenschaften, welche das =E4u=DFere des Menschen
erforschen, ist "richtig" bei isolierten Sachverhalten (Versuche,
welche eine eindeutige Fokussierung der Aufmerksamkeit zulassen)
intersubjektiv, ich bezeichne dies als objektiv, m=F6glich.

Das gilt erstens nur für eine ganz eng begrenzte Form von Wissen und ist
zweitens, wie oben ausgeführt, nicht voraussetzungslos. Bereits für
Erfahrungswissen, wie es etwa in der Soziologie eine breitere Rolle
spielt, ist das längst nicht mehr so eindeutig.

Ob "richtig" als Kategorie oder nicht gef=FChrt wird, ist jetzt 
gerade nicht mein Problem. Insofern haben wir denke ich auch hier 
keine  Differenzen. Anders ist es mit dem Problem, vier Augen sehen 
mehr als zwei. Das ist richtig, wenn es um die Integration des 
Erkannten geht. Mir ging es in meiner Argumentation darum zu zeigen,
dass wenn auf denselben Sachverhalt fokusiert  wird,  nur in
besonderen F=E4llen  Dissens besteht.

Damit habe ich kategorial Probleme. Die je zwei Augen schauen auf
dieselbe Realität, das "Erkannte" ist aber doch ein je individuelles
Abbild derselben Realität, das ganz stark durch den Filter der je
eigenen historischen Erfahrung gefiltert ist. Dass kein Dissens besteht,
stützt sich doch bereits auf einen vergangenen Kohärenz bildenden
Kommunikationsprozess. Deine weiteren Beispiele zeigen doch nur, wie
stark die SUGGESTIVKRAFT dieses im Vergangenen wurzelnden Prozesses ist.

(Es gibt Patienten, denen  z. B.  ein Arm abgetrennt werden  musste
und die das nicht  zur Kenntnis nehmen  und leugnen, dass ihnen ein
Arm fehlt.  Oder ein anderes Beispiel, ein mir pers=F6nlich bekannter
diplomierter Physiker hat = es geleugnet, dass unser
Wahrnehmmungsapparat sich t=E4uschen l=E4sst.

Hier muss sich jetzt eine Debatte =FCber Modellbildung und Theoriebildung
anschlie=DFen.

Oder die Frage, ob das hier on oder off topic ist. Sage ich mal aus
Erfahrung.

Viele Grüße, Hans-Gert

-- 

  Prof. Dr. Hans-Gert Graebe, Inst. Informatik, Univ. Leipzig
  Augustusplatz, D-04109 Leipzig, Raum 5-53	
  tel. : +49 341 97 32248
  email: graebe informatik.uni-leipzig.de
  Home Page: http://www.informatik.uni-leipzig.de/~graebe

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