[ox] Re: "Kapitalismus als pubertäre Form"
- From: Jobst Quis <wuwei nadir.org>
- Date: Thu, 13 Jul 2006 23:37:09 +0200
Am Montag, 10. Juli 2006 22:11 schrieb Christian:
Wir ignorieren ja auch Christophs P/P-These (obwohl er sie ebenfalls
gebetsmühlenartig wiederholt), und die Gesell'sche Freiwirtschaftslehre,
und die Theorie dass die Sonne sich um die Erde dreht, und die These dass
"Sklaverei eine pubertäre Form der Freiheit" ist (die vermutlich auch mal
irgendjemand irgendwo geäußert hat). Spricht das nun gegen uns? Vermutlich
schon, aber andererseits, wenn man jeden Unsinn immerfort auseinandernehmen
müsste, käme man zu überhaupt nix Konstruktivem mehr...
Als Unsinn erscheint dir die These, dass "Sklaverei eine pubertäre Form der
Freiheit" ist, nur deshalb, weil du dabei an Freiheit für die Sklaven denkst.
Denk doch mal an die Freiheit der Sklavenhalter, und die These wird in sich
konsequent und stimmig. Die heutigen Sklavenhalter haben mindestens denselben
Nutzen durch die Sklaven wie früher, dabei aber viel mehr Freiheit. Sie sind
frei von diesen schrecklichen Begriffen, keiner nennt sie mehr Sklavenhalter
und die wenigsten Sklaven erkennen sich als solche. Sie sind frei vom
schlechten Gewissen, sie müssen nicht mehr den Umgang mit der Peitsche und
andere direkte Herrschaftstechniken lernen, sie müssen ihre Sklaven nicht
mehr sehen, sie brauchen sie nicht einmal zu kennen.
Die Sklaverei hat sich beim Erwachsenwerden entpersönlicht, ist zum
allgegenwärtigen, aber undurchschaubaren System geworden und nennt sich jetzt
Wirtschaft. Die Sklaven haben gelernt, sich selbst zu beherrschen
(gegenseitig und jeder für sich) und entlasten dadurch die Nutznießer der
Herrschaft von der undankbaren Aufgabe des Herrschens. Diese
Selbstbeherrschung (das zivilisatorische Moment) ist genau der Unterschied
zwischen Pubertierenden und Erwachsenen, deshalb find ich die These garnicht
so unsinnig.
Wenn du von freier Gesellschaft redest, meinst du damit vermutlich eine
Gesellschaft, in der alle Menschen frei sind. Du solltest dir aber darüber im
Klaren sein, daß nicht jeder, der auch diesen Begriff benutzt, dasselbe damit
meint. Ich hab mich lange gewundert, warum sich ausgerechnet die
reaktionärsten Bundesländer Freistaat nennen. Bis mir in direkter
Auseinandersetzung mit einem dieser Freistaaten die Erkenntnis kam, daß
Freistaat ja nur heißt, daß der Staat frei ist, daß er sich jede Menge
Freiheiten gegenüber den Menschen in seinem Gebiet herausnimmt.
Ein Grund für mich, die "Freiheit von der Gesellschaft" gegenüber der
"Freien Gesellschaft" zu bevorzugen.
Gruß, Jobst
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Erwachsensein ist heilbar !
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