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Re: [ox-de] Situationen statt Personen



Hallo Hans-Gert,

Am Thursday 27 July 2006 14:01 schrieb Hans-Gert Gräbe:
ich nehme mal eine bewusst einseitige Position ein, um deutlich zu
machen, dass viele deiner so eindeutig vorgetragenen Antworten mit
ihrem Gegenteil schwanger gehen. Vielleicht sollten wir doch mal
diesen Ansatz aus [Holloway-04] ernster nehmen.

Schaun wir mal.

... auf Kosten Anderer durchsetzen ... Es findet genauso statt,
wenn du jemanden verdrängst, zum Beispiel bei einer "erfolgreichen"
Bewerbung um einen Platz zum Verkauf deiner Arbeitskraft.

Das stellt aber auch die Effektivität der gesellschaftlich
verausgabten Arbeitskraft her. Es macht am Schluss der, der aus einem
gesellschaftlichen Raisonnement heraus (wie falsch dir das auch
erscheinen mag), das (angeblich) effektiver kann.

Wieso "aber"? Das ist der Mechanismus.

Diese allgemeine Struktur ist die der Selbstverwertung: Zur
erfolgreichen eigenen Verwertung, musst du Konkurrenzverwerter
erfolgreich verdrängen - egal in welcher gesellschaftlichen
Position.

Nur insofern du NUR den abstrakten Wert als Maß aller Dinge zur
Kenntnis nimmst.

Öh, ich bin das nicht, der dort den Wert als Maß nimmt. Das geschieht 
ohne mein und generell unser Zutun, es stellt sich gesellschaftlich 
her - hinter unserem Rücken, wusste schon Adam Smith. Der Wert ist ein 
gesellschaftliches Verhältnis.

Mein Dach würde ich nicht unbedingt von einem 
Straßenbauer decken lassen, auch wenn er mir einen besseren Preis
macht. Und wenn du Pech hast - Wolf hatte es und berichtete in Hütten
davon - dann findest du gar keinen Dachdecker, der das poplige Dach
deiner Hütte zu decken bereit ist. Du kriegst nicht mal ein Angebot,
geschweige denn konkurrierende.

Wofür der wogegen willst du damit was aussagen? Du kannst auf der 
Mikroebene gegen die objektive Wertrelation verstoßen (etwa klauen oder 
betrügen oder keinen Anbieter für irgendwas finden) - meinst du das? 
Ok, stimmt. Aber gegen das gesellschaftliche Verhältnis kannst du nicht 
verstoßen. Das musste die DDR zum Beispiel einsehen, die die o.g. 
Effizienzkriterien nicht erfüllte.

Also nochmal: Selbstverwertung ist _keine_ personale Eigenschaft,
sondern die gesellschaftliche Struktur legt dir solche Optionen
nahe, deren Ergreifen andere Menschen beschädigen.

Da jedes Tun inhärent con-current ist, sich dabei Interessen- und
Gestaltungsfelder überlappen, ist ein solches "Beschädigen" auch
einer SelbstENTFALTUNG in deinem Sinne immanent. Ich hoffe, ich
konnte dir diesen Gedanken an deinem eigenen Agieren in Hütten in
Bezug auf meine Person erläutern (bitte - ich meine das in keiner
Weise persönlich; ich mag nur nicht immer so abstrakt rumschwätzen).

Nein. Auch wenn es dich ärgert: Ich habe nicht verstanden, was du 
meinst. Vielleicht magst du deine Kritik mir in einer persönlichen Mail 
nochmal deutlicher klarmachen?

Was die Frage der Freien Gesellschaft angeht, will ich nur daran 
erinnern, dass wir nicht in einer solchen leben. Wenn wir dennoch 
darüber diskutieren, hat es stets etwas von "abstraktem Rumschwätzen", 
auch wenn ich mich um Stringenz der Argumente bemühe. In einer anderen 
Mail habe ich beispielsweise etwas zum Verhältnis von Entfaltung und 
Konkurrenz (ganz im Sinne von "con-current") in einer freien 
Gesellschaft geschrieben, das sich dort IMHO anders darstellt als in 
einer proprietären Gesellschaft.

Gleichwohl ist es deine Entscheidung, diese zu nutzen oder nicht.
Das ist keine leichte Entscheidung, denn schließlich hängt davon
deine Reproduktion ab.

In der Tat, aber nach meinem Verständnis auch in einer Freien
Gesellschaft. Siehe oben.

Entscheidungen gibt es gewiss auch in einer Freien Gesellschaft (die 
sind schließlich genuin menschlich), nur hängt davon nicht die eigene 
Reproduktion ab. Der bedingungslose Erhalt ist conditio sine qua non 
(unerlässliche Bedingung).

Genau darin liegt die Perversion der Verwertungslogik: Du musst
dich freiwillig zu etwas entscheiden, was anderen schadet, um deine
Teilhabe an der Gesellschaft und damit Existenzsicherung zu
erhalten. Trotz dieser Zwangslage ist und bleibt es deine
Entscheidung.

Was man deutlich entschärfen könnte, wenn man sich zu diesen Fragen
verständigt. Übrigens auch schon in DIESER Gesellschaft. Dass man so
allerdings nicht alle Konflikte und damit "Kollateralschäden" vom
Tisch bekommt, halte ich für unvermeidlich.

D'accord.

Auch in einer Freien Gesellschaft. (pubertäre Form eben)

Dort stellt sich die Frage qualitativ anders, s.o. (eben keine pubertäre 
Form).

Je meine Gründe "geschehen" mir also nicht, sondern ich "stelle sie
her". Es ist ein aktiver Prozess, kein passiver.

Und vor allem ist es kein VORAUSSETZUNGSLOSER Prozess. Verweis auf
den Aufsatz von F.O.Wolf.

Und ihr [freie Kooperation] eigener Zweck (dito Aufsatz F.O.Wolf).

Da es kein Determinationverhältnis gibt, bestimmen weder "die
Verhältnisse", noch "die individuellen Eigenschaften", sondern es
gibt Bedingungen (äußere wie innere), zu denen ich mich stets
verhalte, indem ich begründet entscheide. Diese Entscheidungen
finden auch nicht erst statt, wenn es darum geht, etwas zu tun (was
dann "Verhalten" genannt wird), sondern als Mikroentscheidungen
permanent: beim Denken, beim Fühlen, beim Wahrnehmen, beim Handeln.

Neben den (äußeren) Bedingungen sind es immer auch die (inneren)
Erfahrungen und Erinnerungen (in einem weiten Sinne wie bei FOW), die
hier eingehen. Und - du wirfst m.E. mit den "Mikroentscheidungen"
Entscheidungsebenen in einen Topf, die besser analytisch getrennt
werden. Jedenfalls kann ich hier die (für mich ganz zentrale)
Kantsche Unterscheidung zwischen Raisonnieren und Tun nicht mehr
sehen.

Deine Kritik verstehe ich nicht: Ich habe doch gerade das Verhältnis 
der "äußeren" und "inneren" Bedingungen dargestellt, das nämlich in den 
je individuellen Entscheidungsgründen zusammen kommt, und das  
differenzierter als nur unterteilt in "Raisonnieren" und "Tun".

Genauso wie eine statistische Angabe über Menschengruppen nichts
über den einzelnen Menschen aussagt, gibt es "Eigenschaften" (etwa
als biografisch gemittelte äußere Zuschreibungen) nicht. So etwas
trotzdem zu tun, hat eher den Zweck, Menschen zu separieren, um
dann damit Maßnahmen gegen diese Menschen zu rechtfertigen. Das
geschieht allerdings im öffentlichen Diskurs permanent.

"Das geschieht allerdings im öffentlichen Diskurs permanent." Dann
wäre ich schon mal extrem vorsichtig, so was als "gibt es ... nicht"
zu charakterisieren.

Ich bin da wagemutig und sage: Gibt es nicht. Es handelt sich immer um 
Zuschreibungen - fremd oder auch selbst.

Ciao,
Stefan

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