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[ox-de] Re: [ox-de] Wert etc.



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Hallo Hans-Gert und alle,

habe eben eine Diplom-Arbeit (Abgabe Ende 2009) über Rapid
Manufacturing entdeckt (Felix Bopp: Rapid Manufacturing - Zukünftige
Wertschöpfungsmodelle durch generative Fertigungsverfahren, ISBN 978-
3-8366-3508-0),  ich finde besonders den folgenden Satz in seiner
bestechenden Schlichtheit sehr beeindruckend: "Es könnte sich eine
digital vernetzte Mischung aus vorindustrieller
Selbstversorgerorganisation und industrieller
Fremdversorgerorganisation entwickeln..."

Fazit und Ausblick
Die Trends in der RM-Technologie gehen in verschiedenste Richtungen.
So gibt es Ansätze
in der Biotechnologie, in Zukunft Organe oder Gewebeteile aus
Zellmaterial zu
drucken.
Schaltungen entwickelt. Insgesamt wird es weitere Fortschritte bei den
Materialien und
der Produktionsgenauigkeit geben. Auch die Oberflächengüte wird
vielleicht bis zur
Vermeidung von Nachbearbeitungen verbessert werden können. Es wird
sich herausstellen,
ob die zunehmende Anzahl an Möglichkeiten auch zu einer Zunahme an
unterschiedlichen
Verfahren und Spezialisierung führen wird, oder ob wenige Verfahren
sich
durchsetzen werden. Auch bleibt abzuwarten, inwieweit mehrere
Verfahren in einer
Maschine zusammengefügt werden können und so die Produktion mit
unterschiedlichen
Materialien in einem Stück ermöglichen.
die Bandbreite an herstellbaren Produkten. Bis es soweit ist, dass
eine funktionierende
179In der Elektronikindustrie werden Verfahren zum Drucken
elektronischer180Diese Faktoren sind ausschlaggebend für
digitale Armbanduhr ausgedruckt werden kann, wird wohl noch einige
Zeit vergehen.
181
Bezieht man das Szenario des Fabbers in die Betrachtung mit ein,
werden Fragen aufgeworfen,
die weit in kulturelle, soziale und gesellschaftliche Bereiche
hineinspielen. Es
könnte sich eine digital vernetzte Mischung aus vorindustrieller
Selbstversorgerorganisation und industrieller
Fremdversorgerorganisation entwickeln.
Die teilweise tiefgreifenden Veränderungen, die RM mit sich bringt,
veranlassen zumindest
einige Autoren dazu, von der nächsten industriellen Revolution zu
sprechen.
182
Fussnoten: 
 
181
jedes Produkt bis hin zu Nahrungsmitteln ließe sich so erzeugen, vgl.
Gershenfeld (2005), S. 4.
Es gibt Forschungsansätze, mit generativer Fertigung bis auf
molekularer Ebene vorzudringen. Praktisch
182
Vgl. z. B. Easton (2009), S. 44 sowie Wohlers (2008), S. 136.
Eigentlich steht da doch alles drin, oder? kann man das dann auch
marxistisch deuten bzw. erklären?
Ich hatte das in meiner Diss. einfach so gedeutet: es gibt diese
grossen General-Trends: Automation und relative Sättigung auf der
einen, und Individualisierung und Digitalisierung auf der anderen
Seite, man könnte auch von Enforcement (durch den Markt und das
Marktumfeld) und Enabling (durch Technik) sprechen, dann wird die
grobe Linie eigentlich ganz klar: der Kern der Wertschöpfung wandert
ans Ende der Wertschöpfungskette, also zum Produzenten, und wenn die
Technik weit genug ist braucht man keine Fremdversorgerorganisationen
mehr, keine Unternehmen und keinen Markt... dann gibt es nur noch die
Selbstversorgerorganisationen, die sich gegenseitig mit STL-Files und
paar Rohstoffen beglücken.  

Was dieser Aufsatz von Naetar da Klärendes beitragen kann hat sich mir
nicht erschlossen.

"Ist dies nicht eine weitere Windung in der Entfremdung? Stünden wir
damit nicht als Menschen einer gigantischen "Produktionsmaschine"
gegenüber, deren Logik uns zunehmend unverständlich wird, und die
zuletzt, wie HAL in "Odyssee 2000", eines Tages feststellt, dass es
einen großen Störfaktor im System gibt, diesen Menschen mit seinen
dauernd wechselnden Bedürfnissen, ohne den alles viel glatter ginge?

Die vielfache Reflexion dieser Thematik in der SF-Literatur (und nicht

nur dort - Weizenbaum "Macht der Computer, Ohnmacht der Menschen")
scheint deinen Visionen nicht im Weg zu stehen ...

Das Prozessieren von Konfliktlinien bleiben bei deiner Betrachtung
ganz
außen vor."

Gigantisch oder nicht - ist das heutige Internet gigantisch? jenseits
von Gross-oder Klein-Fragestellungen muss man sich an der Stelle
einfach für oder gegen Maschinenstürmerei entscheiden, für oder gegen
eine Automatenpolizei,  gute und böse Automaten oder Computer, das
habe ich in meiner Diss recht ausführlich betrieben, der Glaube dass
die Technik die man gerade selber überschaut die gute ist scheint sich
hartnäckig zu halten. Ferner ist die Frage nach der Selbstständigkeit
und Schuld- und Haftungsfähigkeit von Automaten ganz hilfreich sich
mal vorzulegen, da wird man nämlich bald feststellen dass Automaten
einfach nur programmierbare Automaten sind und überhaupt nicht in der
Lage aus lauter Bosheit "Störfaktoren im System" zu entdecken. Das ist
dummer ahnungsloser Kinderkram von Sciencefiction-Autoren, die ihren
Mist an indianerspielsüchtige Pennäler verkaufen wollen.  
 
Der Titel von Weizenbaum ist: "Macht der Computer und die Ohnmacht der
Vernunft", hab ich mich intensiv mit auseinandergesetzt; die
Stosslinie war da keineswegs der Computer oder die
"Produktionsmaschine", sondern der (seinerzeitige) Versuch vor allem
der damaligen KI, aus dem Computer gewissermassen Menschen machen zu
wollen, den Menschen nachzubauen, also Computer zu etwas anderem als
einem maschinellen Werkzeug und Hilfsmittel zu machen. Weizenbaum ist
(war) keineswegs technikfeindlich oder -skeptisch.  

"Spannender wäre es, wenn das Herstellen *und* Reparieren von
Fahrrädern
und vielleicht noch das Recyceln alter Fahrräder, also die
Reproduktion
der "Fahrradinfrastruktur" als Ganzes in den Fokus käme. Zum Beispiel
in einem kommunalen Fahrradzentrum. Ansätze dafür gibt es allerdings
schon heute und unter den Bedingungen dieser "einzig am Profit
orientierten Gesellschaft" (?) - übrigens durchaus auch bei
komplexeren
Produkten wie z.B. Straßenbahnen, wo ein Reparaturbetrieb zum
Produzenten wird, siehe http://de.wikipedia.org/wiki/Leoliner

Die Dynamiken dessen, was dir mit den RepRaps vorschwebt, sind längst
und *innerhalb* dieser Gesellschaft im Gange."

Gar keine Frage: siehe oben. Wer hätte das bestritten. Die Frage hier
war ja die nach den ferneren Perspektiven und Entwicklungslinien oder
auch -potentialen. Und da ist Deine Idee mit der "Fahrradinfrastruktur
als Ganzes" wirklich enorm verständnislos für die Bedeutung dieser
neuen Fertigungstechnologien und -organisationen insgesamt: es geht ja
gerade darum dass damit u U eben auch ein komplettes Recycling
von ganzen Produkten möglich werden könnte, also vollkommene Zerlegung
in Rohstoffe, auch darum dass die ganze Logistik und Lagerhaltung
entfallen könnte, womit im Effekt für die gesamte volkswirtschaftliche
Produktionsstruktur enorme ökologische Entlastungen möglich
wären, schon wegen der entfallenden Transportaufwendungen etc. 

na ja.

Viele Grüsse,
Ludger

________________________________
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Kontakt: projekt oekonux.de



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