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3-Re: [ox-de] Re: [ox-de] Generative Ökonomie und Wirtschaftsinformatik



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Von: Hans-Gert Gräbe <hgg hg-graebe.de>
Antworten an: liste oekonux.de
Datum: Mon, 04 Oct 2010 09:41:07 +0200
An: liste oekonux.de
Betreff: Re: [ox-de] Re: [ox-de] Generative Ökonomie und Wirtschaftsinformatik

Hallo Ludger,

Am 03.10.2010 16:44, schrieb Ludger.Eversmann t-online.de:
Musst du mir also mal genauer
erläutern, was du unter "generativer Ökonomie" verstehst.

Wie ich ja sagte, ist das ein Begriff den Bergmann neuerdings
verwendet. ...

Bei Google ist dazu nicht viel zu finden, ich nehme also mal an, dass
das nicht gerade ein zentrales Thema bei Bergmann ist. Deine Verweise
habe ich angeschaut und verstehe wirklich nicht, wieso du meinst, dass
Code-Generatoren nichts mit generativer Ökonomie zu tun haben.
6> Klingen harmlos, die zwei Wörter, ich denke aber, es sind solche der
masenhaft auf uns zukommenden selbstreferentiellen PlastikWörter (Uwe
Pörksen), die »dem deutsch sein entwicklung« beenden und die
algorithmisch-digitale Totsprache erzeugen, welche die Medien, die Politik,
das webLeben längst schon  verseucht hat: »Für die menschlichen Individuen
werden die Mittel des Vermittelns [Wörter, Sprache] zum Sinn des zu
Vermittelnden selber, idem die Zeichen anfangen, auf sich selber zu
beharren, und damit eine Realität stiften, auf die sie eigentlich nur hätten
hinweisen sollen: Sie verweisen so nicht mehr. Als bloßer Reflex des
Zeitalters der Computertechnologie ist die Postmoderne nichts anderes als
eine in Zeichen und in Symbolhaftes sich auflösende, in die paralysierte
Innenwelt des Individuums übergehende Realität. Eine Realität, die mit der
Logik des Einheitsdenkens einer 2300-jährigen Tradition bricht, indem sie
diese durch eine neue Logik ersetzt: durch die »Logik der Leere«.
? Evelyn Hanzig-Bätzing, »Selbstsein als Grenzerfahrung«, 1996 (S. 15)




Da würde ich Dich dann doch gerne auf meine Diss. verweisen, da habe
ich ziemliche Mühe drauf verwendet die Unterscheidung zu ziehen welche
Tätigkeiten automatisierbar sind, und welche nicht. Ich habe die
Begriffe Poiesis und Praxis aus der aristotelischen Handlungstheorie
verwendet, Poiesis ist das algorithmisch beschreibbare Herstellen und
Fertigen von Dingen, und damit automatisierbar, Praxis - bei
Aristotels das Handeln der Freien - dagegen nicht;
7> Was aber, wenn es keine »Freien« mehr gibt? Welches sind die Freien in
einem Termitenstaat? »Zuviel Organisation verwandelt die Menschen in
Automaten [siehe LidlKasse], erstickt den schöpferischen Geist und beseitgt
sogar die Möglichkeit von Freiheit. ? Während der letzten hundert Jahre war
die lange Folge technologischer Fortschritte von entsprechenden
Fortschritten im Verwaltungswesen begleitet. Komplizierten Maschinen mußten
komplizierte soziale Einrichtungen an die Seite gestellt werden, dazu
bestimmt, so glatt und effizient zu funktionieren wie die neuen
Produktionsmittel [womi sich oekonux ja auseinandersetzt]. Um in diese
Gefüge zu passen, mußten die Individuen sich entindividualisieren, mußten
sie ihre angeborene Verschiedenheit verleugnen und sich einer Norm
angleichen, mußten sie sich aufs äußerste bemühen, Automaten zu werden. ?
Der Termitenstaat scheint ein realisierbares und in manchen Augen sogar
wünschenswertes Ideal geworden zu sein.«
? Aldous Huxley, »Wiedersehen mit der Schönen neuen Welt«, 1958 (S. 29)






Das sind aber doch zwei Enden einer Entwicklungskette, oder? Buchberger
nennt ersteres "Trivialisierung", bei Naetar ist das der Kern der
"Commodifizierung" (im Sinne der englischen Semantik dieses Begriffs).

Um ein anderes Beispiel zu nennen: Landwirtschaft wurde in dem Sinne in
den letzten 100 Jahren "trivialisiert" - während die Großmutter eines
Bekannten noch 18 Knechte und Mägde täglich auf dem Hof verköstigte,
machen die Arbeit heute (mechanisiert, nicht "vollautomatisiert") max.
vier Leute. Ist also in keiner Weise ein Phänomen des Heute.

 Automation zum Zwecke der Entlastung und Befreiung des Menschen, nicht
als Selbstzweck. Der Mensch ist Selbstzweck gewissermassen, sonst
nichts und niemand.
8> Der Mensch war Selbstzweck einst als ein analoges Wesen. Darauf können
sich die algorithmisch-digitalen Batteriehühner zwischen SAP und Google
nicht mehr zurückziehen: »Handelte es sich einst um die relative
Geschwindigkeit einer physikalischen Fortbewegung, dann handelt es sich
heute um die absolute Geschwindighkeit der mikrophysikalischen
Übertragungen, eine Grenzgeschwindigkeit, eine echte Lichtmauer ­ nach der
Schallmauer und der Hitzemauer ­ durch die der Wettlauf und die
existentielle Konkurrenz eine grundlegende Veränderung erfahren
? Paul Virilio, »Die Eroberung des Körpers«, 1993 (S.114)






Das ist in keiner Weise ein neues Phänomen. Noch jede Technologie diente
nur diesem Zweck. Auf einer *solchen* Ebene passiert hier wirklich nix
Neues.

Der marktgesteuerte Kapitalismus geht erstaunlicherweise seinen Weg
über Pfade, die die Möglichkeiten seiner eigenen Überwindung auf dem
Wegesrand entdecken lassen.

Ah ja, der Traum (auch) noch jedes Traditionsmarxisten. Da halte ich es
dann schon mit Altvater "Kapitalismus, wie wir ihn kennen". Der
Kapitalismus "überwindet" sich selbst dauernd und regelmäßig auch
gründlich, das hatte schon Marx festgestellt. Es bedarf also schon
tieferer Analyse, um eine wirkliche Transzendenzperspektive zu finden.
Davon sind wir in der Diskussion auf dieser Liste meilenweit entfernt.

... halte ich das Internet, Open Source, und generative
Fertigungstechnik für Bausteine einer Ökonomie, die den rein
marktgesteuerten Kapitalismus ablösen oder zumindest zähmen und
kontrollieren wird.

Was ist "rein marktgesteuerter Kapitalismus"? Doch nicht etwa das, was
wir mit Bankenrettung, Staatsbankrotten usw. gerade erleben? StaMoKap
heißt das in anderen Diskursen, woran auch "neoliberale Hegemonie"
nichts ändert, im Gegenteil.
9> Wieweit sind denn Finanztransaktionen im NanoSekundenbereich noch
»marktgesteuert«, wenn der rasende Stillstand vollautomatisch geregelt ist?
»Da die Geschwindigkeit das Geheimnis und damit den Wert der Information
gewährleistet, bedeutet die Freisetzung des Leistungspotentials der Medien
nicht nur die Vernichtung der Dauer der Information, des Bildes und seiner
Übermittlung, sondern die Vernichtung all dessen, was von Dauer ist und
Bestand hat.«
? Paul Virilio, »Die Eroberung des Körpers«, 1993 (S.62)




Viele Grüße,
Hans-Gert
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Kontakt: projekt oekonux.de



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