Re: [ox-de] Re: [ox-de] Generative Ökonomie und Wirtschaftsinformatik
- From: Hans-Gert Gräbe <hgg hg-graebe.de>
- Date: Mon, 04 Oct 2010 09:41:07 +0200
Hallo Ludger,
Am 03.10.2010 16:44, schrieb Ludger.Eversmann t-online.de:
Musst du mir also mal genauer
erläutern, was du unter "generativer Ökonomie" verstehst.
Wie ich ja sagte, ist das ein Begriff den Bergmann neuerdings
verwendet. ...
Bei Google ist dazu nicht viel zu finden, ich nehme also mal an, dass
das nicht gerade ein zentrales Thema bei Bergmann ist. Deine Verweise
habe ich angeschaut und verstehe wirklich nicht, wieso du meinst, dass
Code-Generatoren nichts mit generativer Ökonomie zu tun haben.
Da würde ich Dich dann doch gerne auf meine Diss. verweisen, da habe
ich ziemliche Mühe drauf verwendet die Unterscheidung zu ziehen welche
Tätigkeiten automatisierbar sind, und welche nicht. Ich habe die
Begriffe Poiesis und Praxis aus der aristotelischen Handlungstheorie
verwendet, Poiesis ist das algorithmisch beschreibbare Herstellen und
Fertigen von Dingen, und damit automatisierbar, Praxis - bei
Aristotels das Handeln der Freien - dagegen nicht;
Das sind aber doch zwei Enden einer Entwicklungskette, oder? Buchberger
nennt ersteres "Trivialisierung", bei Naetar ist das der Kern der
"Commodifizierung" (im Sinne der englischen Semantik dieses Begriffs).
Um ein anderes Beispiel zu nennen: Landwirtschaft wurde in dem Sinne in
den letzten 100 Jahren "trivialisiert" - während die Großmutter eines
Bekannten noch 18 Knechte und Mägde täglich auf dem Hof verköstigte,
machen die Arbeit heute (mechanisiert, nicht "vollautomatisiert") max.
vier Leute. Ist also in keiner Weise ein Phänomen des Heute.
Automation zum Zwecke der Entlastung und Befreiung des Menschen, nicht
als Selbstzweck. Der Mensch ist Selbstzweck gewissermassen, sonst
nichts und niemand.
Das ist in keiner Weise ein neues Phänomen. Noch jede Technologie diente
nur diesem Zweck. Auf einer *solchen* Ebene passiert hier wirklich nix
Neues.
Der marktgesteuerte Kapitalismus geht erstaunlicherweise seinen Weg
über Pfade, die die Möglichkeiten seiner eigenen Überwindung auf dem
Wegesrand entdecken lassen.
Ah ja, der Traum (auch) noch jedes Traditionsmarxisten. Da halte ich es
dann schon mit Altvater "Kapitalismus, wie wir ihn kennen". Der
Kapitalismus "überwindet" sich selbst dauernd und regelmäßig auch
gründlich, das hatte schon Marx festgestellt. Es bedarf also schon
tieferer Analyse, um eine wirkliche Transzendenzperspektive zu finden.
Davon sind wir in der Diskussion auf dieser Liste meilenweit entfernt.
... halte ich das Internet, Open Source, und generative
Fertigungstechnik für Bausteine einer Ökonomie, die den rein
marktgesteuerten Kapitalismus ablösen oder zumindest zähmen und
kontrollieren wird.
Was ist "rein marktgesteuerter Kapitalismus"? Doch nicht etwa das, was
wir mit Bankenrettung, Staatsbankrotten usw. gerade erleben? StaMoKap
heißt das in anderen Diskursen, woran auch "neoliberale Hegemonie"
nichts ändert, im Gegenteil.
Viele Grüße,
Hans-Gert
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