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[ox-de] Re: [ox-de] Re: [ox-de] Generative Ökonomie und Wirtschaftsinformatik



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Hallo Hans-Gert, 

Bergmann hat den Begriff wieder einkassiert, jetzt steht da nur noch
"fabrikator" auf der neuen Webseite (Neue Arbeit neue Kultur). Ich
finde das ein bischen bedauerlich, weil ich fand das war ein ganz
anregender und herausfordernder Begriff, der diesen Anspruch deutlich
macht, dass es tatsächlich um neue ökonomische Prinzipien gehen muss,
in denen diese generativen Fertigungsverfahren (als neuartige und
andere Vergesellschaftungsformen ermöglichende Produktionsmittel) eine
ganz zentrale Rolle spielen (z B weil sie es möglich machen, Dinge,
Produkte als Produktionsskript oder -programm zu entwickeln und dann
verlustfrei beliebig oft als Kopie herzustellen).      

Bei Google ist dazu nicht viel zu finden, ich nehme also mal an, dass

das nicht gerade ein zentrales Thema bei Bergmann ist. Deine Verweise

habe ich angeschaut und verstehe wirklich nicht, wieso du meinst,
dass
Code-Generatoren nichts mit generativer Ökonomie zu tun haben.

also s. o. "Fabrikator", ist so zentral wie das "Calling" bei
Bergmann, sozusagen ein Drittel des Ganzen in seinem ganzen Konzept,
hiess bei ihm früher HTSP: high tech self providung; davon hat er
schon gesprochen lange bevor es Fabrikatoren gab. 

Das sind aber doch zwei Enden einer Entwicklungskette, oder?
Buchberger
nennt ersteres "Trivialisierung", bei Naetar ist das der Kern der
"Commodifizierung" (im Sinne der englischen Semantik dieses
Begriffs).

Um ein anderes Beispiel zu nennen: Landwirtschaft wurde in dem Sinne
in 
den letzten 100 Jahren "trivialisiert" - während die Großmutter eines

Bekannten noch 18 Knechte und Mägde täglich auf dem Hof verköstigte,
machen die Arbeit heute (mechanisiert, nicht "vollautomatisiert")
max.
vier Leute. Ist also in keiner Weise ein Phänomen des Heute.

Wie recht Du hast. Wer hätte das behauptet. Auch das Rad ist eine
"Trivialisierung", jede gedankliche Durchdringung eines Vorganges oder
Ablaufes (z B des Ablaufes eines poietischen Herstellungsprozesses) so
weit, dass man in der Lage ist, diesen Ablauf algorithmisch zu
beschreiben, so, dass er "lehrbar" ist (war eins von Aristoteles'
Kriterien für Poiesis) und von "unkundigen" Sklaven oder Gehilfen
durchführbar, oder eben - von einer Maschine, einem programmierbaren
Automaten! Einen Abwasch für eine 10-köpfige Festgesellschaft zu
machen kann eine hohe Kunst sein, Du kannst das aber auch alles
"trivialisieren" und das dann deine Spülmaschine erledigen lassen.
Eben so ist es mit der Landwirtschaft und vielen Abläufen da, die man
sehr erfolgreich hat "trivialisieren" können - wenn Dir der Ausdruck
so gut gefällt, kannst Du Automatisieren mit Trivialisieren ziemlich
gleichsetzen, der Gültigkeitsbereich sozusagen dürfte gleich sein. Nur
scheint bei Dir die Konnotation dahinter zu stecken, dass das
irgendwie vom bösen ist, und dass man das besser lassen sollte. Das
ganze Thema habe ich wirklich umfassend auch bearbeitet, in den 1980er
Jahren zum Beispiel gab es die Auseinandersetzung von Hans Jonas gegen
Ernst Bloch; es lässt sich schön zeigen dass Jonas' Technophobie
letzten Endes in eine irrationale und absurde Haltung gegenüber
instrumenteller Rationalität führt, in der eben schon die Erfindung
des Rades die Menschheit vom geraden Weg zu ihrer "Eigentlichkeit"
abgeführt hat, die nämlich in einem ewigen Kreislauf des Leidens und
der immerwährenden Schicksalsprüfungen bestehe, in der es zwar das
"Gelingen" und "Beherrschen" auch gebe, aber "immer nur halb"... also
schön bescheiden, und nicht wie der himmelstürmende Bloch gleich von
"Heimat" und Ziel und Ankommen träumen.      

Ah ja, der Traum (auch) noch jedes Traditionsmarxisten. Da halte ich
es
dann schon mit Altvater "Kapitalismus, wie wir ihn kennen". Der
Kapitalismus "überwindet" sich selbst dauernd und regelmäßig auch
gründlich, das hatte schon Marx festgestellt. Es bedarf also schon
tieferer Analyse, um eine wirkliche Transzendenzperspektive zu
finden.
Davon sind wir in der Diskussion auf dieser Liste meilenweit
entfernt.

Also wenn Produktionsmittel zur Verfügung stehen, die die Ansammlung
von Aktiv- und Passivkapital in der bislang während der
Industrialisierung erforderlichen Grössenordnung überflüssig machen,
die ferner den Warentausch als "Keimzelle" der Wirtschaftsordnung
überflüssig machen, dann könnte dich am Kapitalismus schon ganz
erheblich und ganz in der Mitte etwas ändern. Der Kapitalismus ist
keine Naturkonstante.   

Was ist "rein marktgesteuerter Kapitalismus"? Doch nicht etwa das,
was
wir mit Bankenrettung, Staatsbankrotten usw. gerade erleben? StaMoKap

heißt das in anderen Diskursen, woran auch "neoliberale Hegemonie"
nichts ändert, im Gegenteil.

"Rein marktgesteuert" ist der erstmal in der theoretischen
ökonomischen Betrachtung, als Modell. Natürlich gibt es überall
politische Eingriffe, in unterschiedlicher Intensität und Intention
und Bandbreite, aber in der ökonomischen Betrachtung, im Modell haben
wir für die zentralen ökonomischen Vorgänge die "reine"
Marktsteuerung, also nur Waren, Preise, Angebot und Nachfrage, keine
politischen Produktionsplanungen z B, und keine Planpreise, und als
Zielgrössen eben nur Vollbeschäftigung, Wachstum und Stabilität. Mit
Hilfe der oben genannten neuen Produktionsmittel (Netze und dezentrale
konsumentennahe Mini-Fabriken, im Extrem Personal Fabrikatoren) ist es
aber möglich, andere politische Produktionsplanziele zu verfolgen, z B
eine "optimale" Versorgung, bei minimalem Ressourceneinsatz.      

Grüsse allerseits, 
Ludger  
________________________________
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Kontakt: projekt oekonux.de



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