Re: [ox-de] keimform.de: Wie es den Kapitalismus zum Commonismus trei
- From: Hans-Gert GrÃbe <hgg hg-graebe.de>
- Date: Sun, 20 Mar 2011 14:24:45 +0100
Hallo Stefan
Am 13.03.2011 23:07, schrieb Stefan Nagy:
Mit dem Begriff "Produktionsweise" kann ich inzwischen nicht mehr viel
anfangen, ...
Kannst du den ersten Schritt bitte kurz erlÃutern, also warum du von
Reproduktions- statt Produktionsschemata sprichst?
Ich gehe davon aus, dass Denken von Machbarkeit nur in einem Kontext
mÃglich ist und die (Wieder)herstellung dieses Kontexts, der
Bedingungen, unter denen das als machbar Gedachte auch wirklich machbar
ist, grÃÃerer Aufmerksamkeit bedarf. HeiÃt anderswo "tertiÃre
WertschÃpfung" und wird heute auch in bÃrgerlichen Ãkonomischen Theorien
immer wichtiger.
Eine solche Perspektive versteht Ãbrigens ein Unternehmer (die
"Unternehmer" in selbstbestimmten Lebensgemeinschaften wie in
Jahnishausen
http://www.dorfwiki.org/wiki.cgi?HansGertGraebe/LeipzigerGespraeche/2011-03-10
eingeschlossen) viel besser als ein Lohnarbeiter. Ein solchen Denken
bringt auch einen ganz anderen Zeitbegriff mit sich, zyklische statt
lineare Zeit, Selbstheilung auch von Wirtschaftssystemen usw., suche
nach "dem, was bindet", "Learn to think in an new way" usw.
http://vdw-ev.de/manifest
Das findest du heute Ãbrigens in vielen Diskursen in der einen oder
anderen Form als erstes Ergebnis, auch in der Commonsdebatte beginnt man
inzwischen zu begreifen, dass es nicht die GemeingÃter, sondern die
reproduktive Potenz von Strukturen der Sicherung dieser GemeingÃter ist,
denen man sich zuwenden muss. Also nicht GemeingÃter, sondern die
gemeinsame Gestaltung von Lebensbedingungen stehen im Mittelpunkt.
Verstehe ich dich richtig, wenn du meinst dass du das "nur der Plural
mit Sinn fÃllen" kannst, dass Reproduktionsschemata als sich gegenseitig
ergÃnzend, bedingend, ineinander greifend begriffen werden mÃssen?
Selbst wenn man das so sieht, heiÃt das aber doch noch lange nicht, dass
man gar nicht mehr sinnvoll von einzelnen, von einander zu
unterscheidenden Reproduktionsschemata sprechen kannâ oder?
Diese reproduktiven KreislÃufe stehen in dialektischen WidersprÃchen
zueinander, so dass man ein "Reproduktionsschema" zunÃchst einmal ohne
Wechselwirkung, seine innere Dynamik, verstehen muss, ehe man die
ÃuÃeren Dynamiken hinzudenkt. In diesem Sinne Ja und Nein als Antwort
auf deine Frage. Die Welt ist sehr komplex, es bedarf Methoden der
KomplexitÃtsreduktion, um sie Ãberhaupt denken zu kÃnnen. Und der Ansatz
ist fraktal, also das VerstÃndnis fÃr die innere Dynamik durch einen
anderen ebensolchen Prozess des Zusammendenkens von Mikro- und
Makroevolution entstanden bzw. im Werden ("es gibt keine fertigen
Gedanken" - Heinz zum kleinen Philosophen
http://hg-graebe.de/EigeneTexte/zeitfug-10.pdf)
Zu den Reproduktions-'Schemata': Verstehe ich es richtig, dass du die
Begrifflichkeit (zu den 'Schemata') Ãnderst, vor allem um vom Marx'schen
Begriff der 'Produktionsweise' wegzukommen? Ansonsten ist mir nicht
klar, warum 'Reproduktionsschema' klarer sein soll als
'Reproduktionsweise'â
Nun, wie weit das von originÃr Marxschen AnsÃtzen entfernt ist, wÃre zu
diskutieren, aber den "traditionsmarxistischen Mantras" stehe ich
durchaus skeptisch (und mit einer Latte von Argumenten, die leider kaum
jemand hÃren will) gegenÃber, wie du in meinen Texten
http://hg-graebe.de/EigeneTexte unschwer findest.
Was meinst du mit der 'Domestizierung der Reproduktionsschemata'? Wenn
ich versuche, mir die gesellschaftliche TotalitÃt als Gesamtheit
ineinandergreifender und einander gegenseitig bedingender
Reproduktionsschemata zu denken â dann seh ich eine komplexes Geflecht
vor mir, in dem kurz gesagt durch StÃrung eines bestehenden
Gleichgewichts Neuordnungsprozesse ausgelÃst werden....
Ja, aber wie das Ganze analytisch durchdringen? Und ich meine hier
wirklich *analytisch*, also VerstÃndnis des (wie gut auch immer)
Funktionierenden, Respekt vor dem Seienden usw. Die Methodik ergibt sich
aus der SelbstÃhnlichkeit eines granularen Ansatzes im Sinne von erst
einzeln und dann zusammen denken von Mikro- und Makroevolution wie es
die Systemtheoretiker um Eigen, Haken, Jantsch usw. seit mehreren
Jahrzehnten tun.
Auf Anhieb vermute ich jetzt mal, dass du mit 'Domestizierung' eben
diesen Neuordnungsprozess bezeichnest â auffallend wÃre dann, dass du
einen Begriff wÃhlst, der nach einem Subjekt verlangt. Und da wÃre
(in Bezug auf die Makroebene) interessant, wer da deines Erachtens
herausgefordert ist, wer domestizieren soll.
Da ich an eine gemeinsamen Gestaltung der eigenen Lebensbedingungen
denke, kÃnnen es auch nur Subjekte sein (und *mÃssen* es sein, denn es
braucht VerantwortungsfÃhigkeit, um ein Mindestmaà an VerlÃsslichkeit zu
haben), die konstituiert werden, um die jeweiligen Lebensbedingungen zu
gestalten (aka Reproduktionsschemata am Laufen zu halten). Das geschieht
heute an vielen Stellen auf vertragsrechtlicher statt
ordnungsrechtlicher Basis. Aber auch diese Subjekte mÃssen sich
reproduzieren, wie alle gesellschaftlichen Strukturen und wie jeder
einzelne Mensch ja auch. Zum sehr speziellen Zusammenhang der
Reproduktion der IuK-Bedingungen von Wissenschaft habe ich gerade einen
Workshop gemacht,
http://www.dorfwiki.org/wiki.cgi?HansGertGraebe/SeminarWissen/2011-03-17
insbesondere die Folien zum Vortrag.
In diesem Sinne gibt es "Fabber" seit Ãber 2.000 Jahren. ...
Da komme ich nicht ganz mit. Ich beschreibe mein wesentlichstes Problem
damit mal ganz banal: Der instrumentelle Charakter, den du bei mir in
Bezug auf 'echte' Fabber herausliest, bezieht sich auf die MÃglichkeit
der unmittelbaren 'Ausgabe' von Mitteln der BedÃrfnisbefriedigung. Der
instrumentelle Charakter von Fabriken fÃr UnternehmerInnen bezieht sich
doch aber auf den erhofften Profit.
Ein traditionsmarxistisches Mantra, das zu hinterfragen ist, siehe etwa
meinen Text "Wie geht Fortschritt?" Deine hier aufscheinende Sicht auf
"Profit" halte ich fÃr zu einseitig.
FÃr mich scheint es schon einen Unterschied zu machen, *worauf* sich der
instrumentelle Charakter bezieht. Ich verstehe daher die Gleichsetzung
von 'reproduktiver Sichtweise' und UnternehmerInnen-Perspektive nicht
wirklich.
Selbst in deiner Perspektive - der Unternehmer ist ja daran
interessiert, auch morgen noch Profit zu machen, sich also um die
Reproduktion der Bedingungen zu bemÃhen, unter denen er Profit machen
kann. Und selbst wenn er, wie eine Heuschrecke, einen Betrieb voll auf
Verschleià fÃhrt, dann hat er doch auch da ein reproduktives KalkÃl im
Hinterkopf, in dem Fall wahrscheinlich neue PlÃne mit der so gewonnenen
LiquiditÃt. Denn nur Geld scheffeln interessiert eine Heuschrecke nicht,
wenn ich es recht verstehe. In beiden FÃllen wird aber eine (wie
beschrÃnkte auch immer) gesellschaftliche RationalitÃt und eine
(beschrÃnkte - anders kann es gar nicht sein) 'reproduktive Sichtweise'
exekutiert. Billiger ist das Ganze nicht zu haben.
Mir ging es in der Metapher nicht darum, 'die Produktion' so weit zu
trivialisieren, dass sie von einem Automaten Ãbernommen werden kann â
ganz im Gegenteil. Es geht mir in dem Bild ja eigentlich nicht um den
Fabber, sondern um alle anderen Produktionsprozesse, die der
'Materialisierung' vorgelagert sind. Anders gesagt: Ich stelle ja nicht
ein PeripheriegerÃt ins Zentrumâ
Nun, ich hatte dich so verstanden, dass du die "ersparte MÃhsal" ins
Zentrum stellst, wÃhrend ich dies gern um die Frage "zu welchem Preis"
erweitert sehen mÃchte. Ich denke, wir sind da wirklich nicht weit
auseinander.
Viele GrÃÃe,
Hans-Gert
--
Dr. Hans-Gert Graebe, apl. Prof., Inst. Informatik, Univ. Leipzig
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