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Re: [ox-de] Freies Projekt "Premium Cola"



Hi Liste und Uwe!

Hierzu ein ausführlicher Kommentar von mir. Uwe ist übrigens jetzt
auch auf unserer Mailing-Liste und ist sehr an einer Diskussion
interessiert :-) .

6 minutes ago Stefan Merten wrote:
Seit 2001 vertreibt ein dezentrales Kollektiv eine ganz besondere
Cola: Premium Cola ist ein korrektes Produkt, das heißt sie hat einen
hohen Koffeingehalt für den ultimativen Kick. Und sie wird unter
korrekten Bedingungen hergestellt und vertrieben, das heißt ohne
Gewinnerzielung und konsequent selbstverwaltet.

Das erinnert sehr an PeerProduction - wobei ich "selbstverwaltet"
nicht als Begriff verwenden würde, sondern eher so etwas wie
Maintainer-Prinzip - s.u. Dezentral, ohne Gewinnabsicht und an einem
gemeinsamen Interesse orientiert, so etwas ist eigentlich immer die
Basis für PeerProduction-Projekte.

Das Kollektiv, dessen
Mitglieder bundesweit verstreut leben, produziert nicht selbst,
sondern managed ein ausgefeiltes Betriebssystem.

Sie produzieren also nicht selbst, sondern organisieren quasi "nur"
Produktion und Vertrieb. Wenn ich hier eine Analogie in Freier
Software suche, dann fallen mir am ehesten Distributionen wie Debian
ein.

Es gibt ja unter uns ein paar Leute, die stets die Bedeutung der
materiellen Produktion betonen. Ich sehe das ja etwas gelassener und
eher als Gegenstand eines historischen Prozesses, aber dieses
Premium-Cola zeigt recht schön, was an gesellschaftlich notwendiger
Arbeit jenseits des schieren materiellen Produktionsprozesses noch so
nötig ist. Noch ein Grund die materielle Produktion nicht
überzubewerten.

Elisabeth Voß
interviewte Uwe Lübbermann, den Gründer von Premium Cola.

An dieser Stelle auch ein Dank an Elisabeth, deren Artikel in der
Contraste für mich oft die interessantesten sind :-) .

Aus o.g. rund 600 Stakeholdern
sind derzeit 108 Personen in einer Mailingliste, die sich selbst
meistens als Kollektiv bezeichnen. In der Mailingliste werden alle
Entscheidungen getroffen, die Umsetzung wird unregelmäßig von einem
Teil dieses Kollektivs aus ca. 20 Personen übernommen, und von diesen
wiederum gibt es eine Art harten Kern aus einer handvoll Leute, die
regelmäßig Arbeit übernehmen.

Auch das sind Strukturen, die wir aus anderen PeerProduction-Projekten
kennen: Eine virtuelle Organisationsform (Mailing-Liste) und innerhalb
dieser ganz unterschiedliche Mitwirkungstiefen. Auch die Zahlen sind
üblich: 20 Personen, die was tun und eine wesentlich größere Zahl, die
nur beraten und sich punktuell einbringen, ist oft zu beobachten.

Aus den Angaben von Uwe würde ich aus herauslesen, dass die
eigentlichen *NutzerInnen* sich auf der Mailing-Liste nicht groß
beteiligen. Auch das ein verbreitetes Phänomen: Die NutzerInnen sind
schließlich am Produkt interessiert und nicht an dessen Herstellung /
Vertrieb. Aber ebenso stelle ich mir vor, dass die NutzerInnen sich
schon auch dort melden können.

Da bin ich quasi der härteste, bei mir
landet effektiv am meisten.

Uwe ist das, was ich als Maintainer bezeichnen würde. Auch das passt.

Je nach Sichtweise ist Premium also ein
reines Steuerungs-und Entscheidungskollektiv aus allen Stakeholdern
mit ein paar wenigen Leuten für die reale Arbeit, oder eine
Einzelfirma (mit ein paar Helfern), in die alle diese Stakeholder als
quasi virtueller Aufsichtsrat reinreden können. Klingt durchaus
kompliziert, und ist es auch...

Na ja - ein PeerProduction-Projekt eben ;-) .

Kompliziert ist es m.E. nur deswegen, weil die Vorgehensweise von
PeerProduction-Projekten gesellschaftlich noch nicht so verinnerlicht
ist wie beispielsweise eine repräsentative Demokratie - die sich ja
auch nicht von selbst organisiert. Aber es wächst ja an verschiedenen
Stellen - auch unabhängig voneinander. Insofern bin ich guter
Hoffnung, dass das kommen wird. Und die Avantgarde hat's halt immer
schwer...

Uwe Lübbermann: Ob jemand von Premium leben kann, entscheidet er/sie
überwiegend selbst durch die langfristigen aktiven Beiträge; wir haben
alles bis zur einzelnen Flasche pro Person und Aufgabe
runtergerechnet, sodass viel reale Aktivität sich meistens auch in
entsprechende Summen umsetzen ließe.

Das sehe ich als Besonderheit in diesem Projekt an, die sich in
anderen PeerProduction-Projekten so nicht findet: Das ganze Projekt
dreht sich ja um eine gelddominierte Form und insofern ist das Thema
Bezahlung der Aktiven hier sicher sehr viele naheliegender als wenn
auch das Produkt selbst Frei wäre.

Bisher lebe allerdings nur ich
komplett von Premium, und das auch erst seit April 2010 obwohl es
Premium über neun Jahre gibt. Das liegt u.a. an unserer früheren
Maxime, dass noch niemand ganz von Premium leben sollte um nicht
abhängig zu sein.

Aber erfreulich: Der verderbliche Einfluss des Geldes auf
PeerProduction-Projekte wurde auch hier intuitiv erkannt :-) .

Uwe Lübbermann: Um KollektivistIn zu werden, reicht es im Prinzip,
Stakeholder zu sein, also mal eine Flasche getrunken zu haben.

Das ist das, was wir als interne Offenheit bezeichnen: Die
Mitmachhürden sind sehr niedrig.

Zur
Eigensicherung haben wir aber noch den Schritt eingebaut, dass
mindestens eine vorhandene Person im Kollektiv die neue persönlich
kennen gelernt haben muss. Das ist alles. Ein freiwilliger Ausstieg
ist dann natürlich jederzeit möglich, und wir haben auch
Not-Ausschlussregelungen für den Fall, dass jemand das Netzwerk massiv
schädigt; siehe http://www.premium-cola.de/betriebssystem/schutz

Sehr nützlich und in links dominierten Projekten leider zu selten
praktiziert.

Da - wenn ich es richtig verstehe - das Projekt selbst kein oder wenig
Kaptial hat, stellt sich auch die Frage der Ausstiegskosten nicht. Das
wäre anders, wenn die Aktiven Geld investiert hätten. Diese
Überlegungen gelten auch hinsichtlich eines etwaigen Forks, der nur
mit den von anderen PeerProduction-Projekten bekannten Schwierigkeiten
verbunden ist.

Insofern hat Premium-Cola ein zentrales Problem nicht, dass bei stark
kapitalbasierten Projekten immer auftritt.

CONTRASTE: Wie hoch ist der Frauenanteil in eurem Kollektiv?

Uwe Lübbermann: Leider sehr gering, bei unter zehn Prozent. Ich habe
bis heute keine Idee, warum das so ist.
[...]
Also: unsere Frauenquote
ist trotz dieser Sensibilität leider gering, ich weiß nicht wieso und
bedaure das sehr.

Na ja, meine Position ist halt: Es ist wie es ist. Unter
Selbstentfaltungsbedingungen macht es m.E. wenig Sinn auf eine
abstrakte Quote zu schielen. Auch die von Uwe geäußerte
Zerknirschtheit ist m.E. nicht angesagt - insbesondere wenn das
Projekt versucht, menschen(!)freundlich zu sein.

Uwe Lübbermann: Diskussionen und Entscheidungen laufen meistens per
Mail, mit einzelnen Beteiligten per Telefon oder persönlich, und es
gibt einmal pro Jahr ein Kollektivtreffen in der echten Welt. Der
Modus ist Konsensdemokratie, was bedeutet dass theoretisch jede/r ein
Veto zu allen Fragen einlegen kann. Die Idee dahinter war, dass so
Ausbeutung von Einzelnen praktisch unmöglich wird; das Veto wird aber
vermehrt für andere Dinge wie z.B. (grafische) Geschmacksfragen
benutzt. So lähmen wir uns teilweise selbst, es wird viel diskutiert
und wenig umgesetzt, deshalb ist gerade in der Diskussion, ob das
Veto-Recht »nur« noch für Betroffene von Entscheidungen gelten sollte.

Auch das klingt nach PeerProduction-Projekten, in denen der Maintainer
auf den "rough consensus" angewiesen ist.

Allerdings - und das kenne ich aus meiner anarchistischen Zeit - ist
das Veto ein sehr scharfes Schwert, das man auch beherrschen muss.
Auch dies m.E. eine Kulturtechnik, die noch wenig verbreitet ist. Wir
haben uns vor Zeiten auf die Formulierung verständigt: KeineR *muss*
widersprechen. Damit war genau der gegenüber der Sachfrage
entfremdeter Missbrauch von Vetos ausgeschlossen.

Die Menge an Informationen ist aus
meiner Sicht aber nicht so das Problem, sondern eher die
Zusammenhänge. Da habe ich meistens den besten Durchblick und versuche
immer alles zu erklären, werde daher manchmal Erklärbär genannt...
Viele Kollektivisten wollen sich aber auch gar nicht so intensiv in
die Zusammenhänge beißen, habe ich zumindest den Eindruck.

Siehe oben zu unterschiedlichen Mitwirkungstiefen. Auch das ist
typisch für PeerProduction-Projekte: Ich kann mir ein Eckchen suchen,
in dem ich mich wohlfühle und muss mich nicht mit der ganzen
Komplexität rumschlagen - weil es andere gibt, die das für mich
machen.

Uwe Lübbermann: Auch dazu nur meine Sichtweise mit der Anregung, die
Mailingliste zu fragen. die Meinung von mir hat häufig Gewicht wegen
der o.g. Zusammenhänge, ein gewisser Respekt vor den Jahren der
Aufbau-Arbeit ist auch zu spüren, aber glücklicherweise gilt nicht 1:1
was ich sage oder möchte (auch wenn mich das manchmal kolossal nervt
wenn die Dinge dann nicht vorangehen).

Da spricht der Maintainer...

Rein formal gehört die Marke
mir, aber wir haben da schon eine Reihe sehr eigenständiger Köpfe
dabei, die sich nicht um Formalitäten scheren. Wir haben auch keine
schriftlichen Verträge, also könnte jede/r jederzeit aussteigen. Ohne
die Stakeholder und das Kollektiv gäbe es Premium gar nicht, insofern
sind beide Seiten gleich mächtig / meine formale Macht ist eher
theoretischer Natur, und ich habe sie auch noch nie genutzt.

Das Maintainer-Prinzip in Aktion...

Es gab im
Gegenteil von mir über Jahre immer wieder die Anregung, im Interesse
der Risikobegrenzung eine kollektivere Rechtsform zu finden, was auch
gar nicht so einfach ist. mittlerweile kann ich mit der Form
allerdings gut leben und wäre z.B. auch nicht bereit, mit Personen,
die fast nur reden, in eine Rechtsform zu gehen, die durch aktive
Arbeit getragen werden muss.

Klingt vertraut...

CONTRASTE: Wie viele KollektivistInnen sind im Kern des Unternehmens,
das heißt in der Gesamtkoordination, tätig? Gibt es irgendwelche
Informationen, die nicht kollektivöffentlich sind und über die nur
diese ManagerInnen verfügen?

Uwe Lübbermann: Die Gesamtkoordination liegt (leider) fast
ausschließlich bei mir.

Nochmal Maintainer pur...

Ich werde durch einen Buchhalter und eine
Orga-Hilfe unterstützt, weiterhin gibt es einen sehr aktiven
Schweizer, der sich dort überwiegend um die Händlerstruktur kümmert.
Dann gibt es noch mehr oder wenige aktive SprecherInnen in den
einzelnen Städten, die teilweise die lokale Orga im Blick haben. Auf
dem letzten Jahrestreffen war auch ein Thema, dass meine zentrale
Rolle durch mindestens eine weitere Person ergänzt werden soll, denn
abgesehen davon, dass mir manchmal der Kopf platzt, ist es einfach
auch riskant, wenn eine Struktur so sehr an einer einzelnen Person
hängt. Es gibt Backup-Mechanismen wie einen zweiten Banklogin, zweite
Server-Admins und so weiter, sogar ein Testament, das ist aber alles
keine Lösung für den laufenden Betrieb. Ich habe immer wieder
versucht, Verantwortung abzugeben, meistens kamen die Jobs aber wie
Bumerangs zu mir zurück. da gibt es im Kollektiv auf jeden Fall das
WG-Phänomen: alle sind total dafür, dass die Küche besser geputzt
wird von allen Beteiligten, und dann nimmt doch keiner den Lappen in
die Hand...

So sieht das wohl in den meisten PeerProduction-Projekten aus.

CONTRASTE: Wie bringt ihr Gelder für Investitionen zusammen? Ich habe
mal gelesen, du hättest privat 10.000 Euro eingebracht?

Uwe Lübbermann: Das stimmt und betrifft die ersten Aufbau-Jahre, da
habe ich nach und nach Geld reingesteckt so wie es eben gerade
vorhanden war. Einmal musste ich meinen Drucker verkaufen um Etiketten
drucken lassen zu können. Mittlerweile sind wir zwar auch nicht
wirklich reich, es gibt aber einen Cent pro Flasche für Rücklagen, aus
denen wir z.B. neue Kisten vorfinanzieren können.

Uwe ist wohl auch der Gründer des Projekts und auch das ist nicht ganz
untypisch, dass einE GründerIn auch erstmal investiert. Allerdings
nicht im finanziellen Sinn einen Return On Investment anstrebt.

Wenn es um die Selbstentfaltung geht, dann kann das auch mal was
(finanziell) kosten. Das ist bei irgendwelchen normalen Hobbies ja
auch nicht anders.

CONTRASTE: Ihr habt den Anspruch, im Sinne eines korrekten
Wirtschaftens Einfluss auf alle Glieder der Wertschöpfungskette zu
nehmen. Kannst du kurz benennen, was ihr unter »korrektem Wirtschaften«
versteht und ein paar Beispiele nennen, wo es euch gelungen ist, in
anderen Unternehmen etwas zu verändern?

Solchen Anspruch haben nicht alle PeerProduction-Projekte...

Ein paar Kollektivisten haben ihre eigenen
Läden nach Premium-Gesichtspunkten umgepolt, ein paar andere
Getränkemarken schneiden sich einzelne Scheiben bzw. Module aus
unserem Betriebssystem heraus, ein Zahnbürsten- und ein
T-Shirt-Hersteller wollen größere Teile übernehmen, und kürzlich
durften wir sogar 14 europäischen Social Banks erzählen was aus
unserer Sicht da anders laufen sollte...

Ich nenne das immer den virtuellen Einfluss, der erfreulicherweise
besteht, aber mit etwas mehr realem Einfluss als nur 0,5 Promille
Marktanteil auch deutlich größer sein könnte. Mir macht dieser Teil
auf jeden Fall am meisten Spaß.

... aber so ein kleiner Schuss Weltverbesserung ist uns hier ja auch
nicht fremd ;-) .

»Open Franchise« heißt dann nur, dass wir das System
kostenlos veröffentlichen, weil es zu gut ist um es für uns zu
behalten, und weil wir uns andere Unternehmen wünschen, die ähnlich
Stakeholder-Konsens-orientiert arbeiten. Natürlich wollen wir dann
aber auch genannt werden, um Premium an sich bekannter zu machen,
deshalb eben Open Franchise.

Ich bin nicht sicher, ob ich das richtig verstanden habe, aber wenn,
dann ist quasi das Konzept das Freie Produkt dieses Projekts.

BTW: Was ich dem Interview nicht entnehmen konnte: Ist die Rezeptur
von Premium-Cola Frei?

CONTRASTE: Seid ihr mit der Alternativ-/Solidarökonomischen Szene
vernetzt, oder bewegt ihr euch eher in eurer eigenen Welt?

Uwe Lübbermann: Was ist denn genau die Alternativ-/Solidarökonomische
Szene? Es gibt ein paar Berührungspunkte, Gastvorträge bei Kongressen
zur Solidarischen Ökonomie, Kontakte zu einzelnen aktiven Leuten, die
an anderer Stelle versuchen, was Gutes zu machen, sowas. Ich
persönlich habe den Eindruck, dass es einigen Personen in diesen
Zusammenhängen mehr um den Austausch als um konkrete Aktivitäten geht,
was ja auch gut ist, aber eben mal zwei volle Tage Wochenend-Freizeit
kosten kann, die ich nicht frei habe. Weiterhin ist unser Ansatz,
bewusst in problematische Märkte zu gehen, wie z.B. Cola und Bier, um
dort was zu verändern. Stichwort Systemwandel statt Systemwechsel.
Bei vielen Aktiven aus linken Zusammenhängen steht aber eher ein
Systemwechsel im Vordergrund, den ich uns Zwergen nicht zutraue. Einen
Systemwandel voranzutreiben, ist auch auf jeden Fall deutlich mehr
Arbeit als »nur« einen Systemwechsel zu fordern, aber ich schweife
ab...

Dem kann ich mich nur anschließen...

Man kann schon sagen, dass wir mit der Szene wenig vernetzt sind, aber
das liegt nicht daran, dass wir das nicht wollten, sondern eher daran,
dass manchmal einfach nicht die Zeit ist, sich auch noch darum zu
kümmern. Wer weiß, evtl. ändert ja dieses Interview etwas. Denn immer
wenn wir mit Leuten aus solchen Ecken reden, sind die eigentlich
begeistert, also sollten wir das evtl. doch aktiver machen, nur wann
ist eben die Frage...

An dieser Stelle möchte ich mal wieder auf den grundlegenden
Unterschied zwischen der klassisch (linken) Solidarität und
PeerProduction hinweisen. Zugespitzt: Bei Solidarität geht es um das
gemeinsame Leiden oder dessen Abwehr. Bei PeerProduction geht es
dagegen mit dem Ziel und Mittel der Selbstentfaltung um die
Abschaffung des Leidens an sich. Ich bin deswegen sehr skeptisch, dass
PeerProduction und Solidarökonomie viel miteinander zu tun haben. Ja,
ich müsste mich mal hinsetzen und das sauber aufdröseln... Möglichst
noch bevor sich die ganze Diskussion darum wieder in Wohlgefallen
auflöst ;-) .

Uwe Lübbermann: Das Konzept bzw. Betriebssystem ist eigentlich in
laufender Entwicklung, der aktuelle Stand ist das Ergebnis von mehr
als neun Jahren Kopfarbeit und realer Erprobung. Änderungen bzw.
Entwicklungen gibt es daher immer wieder.

Auch das klingt sehr vertraut aus vielen PeerProduction-Projekten.

Zuletzt haben wir zwei neue
Module eingeführt, die erstmals leichte Konsequenzen wie den
temporären Verlust des Vetorechts für Personen definieren, die Jobs
zusagen und sie dann doch nicht machen (siehe Bereich »Schutz«, ganz
unten). Die Folge war aber leider nicht, dass Zusagen öfter
eingehalten würden, sondern dass weniger Zusagen gegeben werden...
Boing.

Na ja, das hat ja auch was Gutes: Wenigstens ist dann klar, was
passiert und was nicht.

Also müssen wir uns was anderes einfallen lassen. Das
Grundkonzept bzw. die Idee ist allerdings unverändert und wurde beim
letzten Jahrestreffen in folgenden Satz gegossen: »Premium will die
Welt verbessern, indem wir ein menschliches und nachhaltiges
Wirtschaftssystem funktionierend und tragfähig vorleben und
verbreiten.« Da steht erstmals das Wort »verbreiten« drin, aber wie
das geschehen soll, ist aktuell wieder Thema von unendlichen
Diskussionen... Auch dazu müssen wir evtl. andere Modi finden.

Was mir hier die Sorgenfalten auf die Stirn treibt: Von
Selbstentfaltung keine Spur. Es geht nicht darum, dass den Aktiven
ihre Tätigkeit auch Spaß macht, sie selbst weiter bringt. Stattdessen
nur die moralinsaure Weltverbesserung. Solche Ansprüche sind im linken
Umfeld ja an der Tagesordnung - inklusive des Scheiterns. Ein
wichtiger Grund, warum ich in PeerProduction sehr viel mehr Potential
sehe als in linker Bewegung.

CONTRASTE: Gibt es aktuell ungelöste Probleme in eurem Betriebssystem?

Uwe Lübbermann: Insgesamt funktioniert das System, aber es gibt
natürlich auch Probleme. Schonungslos aus dem Bericht vom Treffen:
»Premium ist teilweise instabil, abhängig von einzelnen, laberig,
teilweise unzuverlässig, teils inkonsequent, teils unorganisiert und
nur wenig verbreitet. Wir haben mangelnde Liquidität und teilweise
lange Entscheidungszeiten, lähmen uns also an vielen Stellen selbst.«
Typische WG-Probleme eben. Wir haben dazu eine Reihe Lösungsansätze
erarbeitet, im Moment geht es darum diese dann auch umzusetzen...

Vielleicht sind einfach zu viele WeltverbessererInnen im Projekt...
Aber wenn Weltverbesserung das Ziel ist, ist das auch irgendwie
naheliegend...

Die ist ja letztlich
auch der finale Prüfstand. nur wenn das System in der Realität
funktioniert, wird es für Nachahmer interessant.

Genau!

Nach über neun Jahren
Premium dürfte der Beweis erbracht sein.

Sicher. Und mit ihm viele andere PeerProduction-Projekte in anderen
Bereichen!

Für mich zählt auch die
Freiheit, arbeiten zu können wann, wo, mit wem und wie ich will, das
ist auf jeden Fall ein richtiger Luxus und der vierte Lohn; neben dem
Flaschen-Anteil an sich, der Stabilität des Systems und dem Gefühl,
für eine sinnvolle Sache zu arbeiten.

Das klingt dann doch wieder mehr nach Selbstentfaltung :-) .


						Grüße

						Stefan


[English translation]
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