Message 00202 [Homepage] [Navigation]
Thread: oxderawT00199 Message: 3/13 L2 [In date index] [In thread index]
[First in Thread] [Last in Thread] [Date Next] [Date Prev]
[Next in Thread] [Prev in Thread] [Next Thread] [Prev Thread]

[ox-de-raw] Re: [ox-de] Request for Comments: Die Peer-Ökonomie



Hallo HGG,

Hans-Gert Graebe wrote:
Christian Siefkes schrieb:
Den kompletten Text des Buches kann man als PDF
<http://www.peerconomy.org/text/peer-economy.pdf>
herunterladen (125 Seiten).

Sehr interessanter Text, der natürlich noch viele Fragen offen lässt, so
dass ich davon ausgehe, dass er ein Zwischenergebnis in der
Selbstverständigung ist. Insbesondere kommen mir Fragen der
Verantwortungsübernahme, der Umgang mit "gebrochenen Versprechen" usw. -
kurz, die ganze Thematik von Buch 2 des BGB - zu kurz. Will ich hier
aber erst mal nicht weiter ausführen.

das Bürgerliche Gesetzbuch scheint es dir ja angetan zu haben ;-) Aber
natürlich ist das bürgerliche Recht aus den Notwendigkeiten des Kapitalismus
entstanden, und wird mit diesem zusammen auch wieder verschwinden...

Der Umgang mit "gebrochenen Versprechen" wird in einer Gesellschaft wie ich
sie beschreibe wohl eher so aussehen wie heute schon im privaten Bereich, wo
man ein Versprechen kaum vor Gericht einklagen würde. Wo aber
Vertrauensverstöße oder schwere Unzuverlässigkeit natürlich Konsequenzen
haben. Insbesondere werden Menschen, die sich so verhalten, wahrscheinlich
zunehmend Schwierigkeiten haben, andere Menschen zu finden, die bereit sind
mit ihnen zusammenzuarbeiten. Was in einer Gesellschaft, die auf Kooperation
basiert, natürlich durchaus unangenehm sein kann...


Ich fände es deshalb spannend, einmal die impliziten Voraussetzungen
deines Ansatzes zu explizieren. Dabei muss man ja nicht gleich so weit
gehen wie Robert Kurz in seinem Aufsatz "Der Unwert des Unwissens", in
dem er sich bekanntlich (u.a.) mit dem Oekonux-Theoriekontext
auseinandersetzt.

Auch wenn ich mir mit Ernst Lohoff und Stefan Meretz inhaltlich keineswegs
einig bin: "Auseinandersetzung" trifft es wohl nicht ganz. Dafür müsste Kurz
schließlich inhaltliche Argumente bringen, das tut er aber höchstens in 5%
seines Textes. Über den peinlichen Rest wollen wir lieber den Mantel des
Schweigens hüllen...

Explizieren ist immer gut, aber ich denke dass ich das schon weitgehend
gemacht habe. V.a. zeichnet sich mein Text auch gerade dadurch aus, dass er
auf Annahmen, etwa über die Natur des Menschen (die sich meist als
problematisch und oft genug als unhaltbar erweisen), gerade _verzichten_
kann und dass das vorgeschlagene Modell auch ohne solche Annahmen
funktioniert.


Und es wäre interessant, peer economy im praktischen Kontext von
Regionalentwicklung zu studieren. Der Fokus wird ja von Franz Nahrada
hier immer wieder reingetragen, ist aber selbst für ein
Krisis-Zusammenbruchsszenario relevant, denn [Klix/Lanius] machen auf
historischem Hintergrund deutlich, dass ein solcher Zusammenbruch mit
dem Rückgang der Komplexität gesellschaftlicher Interaktion - also der
wachsenden Bedeutung regionaler Kontexte - verbunden sein wird.

Ich glaube nicht, dass sich die Gesellschaft, die ich beschreibe, durch eine
geringere Komplexität als die heutige auszeichnen wird. Sicherlich wird die
materielle Produktion lokalisierter werden, wenn die Borniertheiten des
kapitalistischen Systems entfallen (Produktion in Asien, weil dort die Löhne
niedriger sind). Aber warum die globale Kooperation, wie sie etwa für die
Freie-Software-Szene oder auch für die Wissenschaft typisch ist, künftig
wieder zurückgehen sollte, sehe ich nicht.

Und über den Zusammenbruch oder das Eintreffen menschenfressender Aliens
mache ich mir Sorgen, wenn es passiert, nicht vorher ;-)


Christian, ich denke, das könnte dich interessieren, da ich deinen
Ausführungen entnehme, dass du - insbesondere mit deinem Auktionsmodell
- nicht unbedingt über das "Ende der Wertform" nachdenkst, es also
durchaus klare Differenzen zu den Debatten um Allgemein- und
Universalgüter gibt.

Es reicht mir erstmal, die _Verwertung_ aufzuheben. :-) Ob man auch ohne die
Möglichkeit und Notwendigkeit der Wertverwertung trotzdem noch
sinnvollerweise von "Wert" sprechen kann, will ich mal offen lassen. Der
Wert als unbewusste Basis für den _Tausch_ bzw. Verkauf im Kapitalismus und
der (gewichtete) Produktionsaufwand als bewusste Basis für die _Kooperation_
in meinem Modell sind zwar zweifellos verwandt -- aber das es für das
Verständnis hilfreich ist, sie einfach in einen Kopf zu werfen, glaube ich
nicht.

Ciao
	Christian

-- 
|-------- Dr. Christian Siefkes --------- christian siefkes.net ---------
| Homepage:    http://www.siefkes.net/  | Blog:   http://www.keimform.de/
| OpenPGP Key: http://www.siefkes.net/key.txt        (Key ID: 0x346452D8)
|------------------------------------------------------------------------
I really didn't foresee the Internet. But then, neither did the computer
industry. Not that that tells us very much, of course -- the computer
industry didn't even foresee that the century was going to end.
	-- Douglas Adams



[English translation]
Thread: oxderawT00199 Message: 3/13 L2 [In date index] [In thread index]
Message 00202 [Homepage] [Navigation]