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Re: Ehrenamt und Tauschwert (was: Re: [ox] Zu allem etwas (-D))



Stefan Meretz schrieb:

Ich erheische nicht Zustimmung oder so

...schon ok, war nur ein Scherz...

Diskussion, die uns alle weiterbringt. Dazu gehört manchmal auch
schimpfen, auf jeden Fall Dein Widerspruch, wo's nötig ist.

...kommt gleich, achtung... ;-)

Inhaltlich umkreisen wir uns noch alle hier in der Liste

...ja, das ist wirklich wahr. Deshalb bin ich immer so beharrlich dabei,
mal zu klären, was nun eigentlich die Frage ist. The one and only. Aber
selbst das ist schwierig. Selbst über die Wichtigkeit der Fragen besteht
Uneinigkeit. Daran merkt man, wieviel bereits (vermeintlich) geklärte
Sachverhalte in einer Frage drinstecken, ihr also vorausgesetzt
sind...schwierig... 

Der Kern der Kette war die Aussage, daß der Kapitalismus das nicht auf die
Reihe kriegt, was der Linux-Basar schafft: eine neue Qualität der
Produktivkraftentwicklung zu entfalten, deren Kern die Selbstentfaltung des
Menschen ist.

"Selbstentfaltung des Menschen" ist, wenn ich es recht verstehe, der
Umstand, daß die Leute in der Arbeit sich nach dem Spaß und nicht nach
dem Markt richten können und bei Linux ist dies der Fall, richtig? Ich
denke, der Spaß erfolgt erst aus der Sache, nämlich daß ein Produkt
uneingeschränkt für sich selbst, für seine Nützlichkeit, ohne Rücksicht
auf all die Schranken (ja, Schranken!), die man unter Marktbedingungen 
üblicherweise hat (Kostendruck, Personal- und Ressourcenknappheit,
Konkurrenzdruck, Erfolgsdruck (Gewinnzweck)....blabla...) wegfallen. Daß
also frei von diesen Schranken produziert werden kann, mit dem
Hauptzweck, daß das Ding nachher gut ist, statt mit dem Zweck, daß das
Ding nachher Gewinn machen muß....Insofern find ich schon den bereits
erwähnten "Wert" des "Gebrauchs" als primärer Produktionszweck das
charakteristische und wichtige an Linux & Co. Das ist sehr pragmatisch:
Ich mach was, weil ichs gut finde und weil es mir nutzt. Wenn die Folge
daraus meine Selbstentfaltung ist, beziehungsweise die damit einhergeht,
ist das wunderbar. Wahrscheinlich wird es wohl auch so sein. Demnach ist
der eigentliche Zweck und Antrieb der Leute, die da arbeiten, jener
Gebrauchswert, nicht jener der Selbstentfaltung, den kriegen sie quasi
als gratis-Erfahrung mit, vielleicht deckt sich das auch, ich will jetzt
gar nicht auf dem Zweck rumreiten, worum es mir nur geht, ist, daß Du
diese Selbstentfaltung als ein Potential interpretierst, eines, woran
das Kapital in seiner grenzenlosen Verwertungssucht scheitern
würde....und ich sagen will, es ist ein Nebenprodukt/Mitprodukt von
Linux, daß es a) auch woanders so gibt (in der Freizeit/Hobby) und b)
sich der Kapitalverwertung nicht entzieht, sondern von ihr
vernichtet/geschluckt werden kann oder sogar - und das ist oft der Fall 
- von ihr positiv genutzt (!) werden kann...also, genau das Gegenteil
ist meiner geringfügigen Ansicht nach der Fall und paradoxerweise
zitierst Du genau das *gegen* meine Ansicht, was ich als Beleg *für*
meine Ansicht anführen würde:

guck' die Management-Literatur an. Die
dreht sich im Prinzip um nix anderes als um die Frage, wie man an den
Menschen rankommt: Motivition, Arbeitsorganisation, Managementtricks

Diese Literatur liegt auf den Bestsellerlisten ganz oben, ich kann nicht
sehen, wo das keinen Erfolg haben soll. Im Gegenteil: Die ständige
"Wir"-Terminologie in den Fluren des oberen Managments und auch auf der
untersten Stufe der Leiter, sagen wir, beispielsweise bei den Vertretern
von Staubsaugern, welche das Gotteshaus mit dem Betriebsgebäude von
Vorwerk ausgewechselt haben, beispielweise...und all diese Menschen
dazwischen, dieses Kaufhauslächeln an jeder Dienstleistungsecke....da
hat die kleine Verwertungsmaschine wirklich ganze Arbeit geleistet, von
"Selbstbestimmung" seh ich da nix mehr....und die dem äquivalente
Literatur übrigens, die das ganze Seelenplastik zusammenhält ist dann
natürlich entsprechend erfolgreich: "Think positiv", "Sorge dich nicht,
lebe", usw. Alles eher Belege dafür, daß die Fremdbestimmung auf
Hochtouren läuft, geradezu durchgesetzt ist und keinerlei Grenzen
findet... 

....insofern finde ich Linux zwar bezüglich der "Selbstentfaltung"
wirklich eine Ausnahme, aber ich denke, nur solange bis es vom Kapital
entdeckt wird....Im übrigen scheint das Schlagwort der
Anerkennungsökonomie auf eine eher althergebrachte Art und Weise einer
Art Prämierung für besondere Leistungen im Linux-Bereich Vorschub zu
leisten. Auch innerhalb von stinknormalen Betrieben wird mit solchen
Anreizen zu Mit- und Mehrarbeit angespornt....das nur zur Ausnutzung der
Selbstentfaltung von der Verwertung...und das noch: ... gerade das
individualistische Verwirklichungsmoment wird doch hierzulande gerne
gepriesen, jede zweite Hausfrau will sich nach dem ersten Kind selbst
verwirklichen...wohl weil nach rentablen Verwertungsbedingungen ein Kind
keine Selbstverwirklichung ist? 

Nun ist mir glatt der rote Faden abhanden gekommen...habe mich etwas an
dem Selbstentfaltungsding aufgerieben...na, egal....hoffe, Du
verstehst....

Natürlich gibt es einen stofflichen Unterschied zwischen Linux und
Modellbau, ob es auch einen sachlichen gibt im Rahmen einer
kapitalistischen Ökonomie...davon mußt Du/müßt ihr mich nun weiter
überzeugen. Nicht weil ich es schon (besser) wüßte, vielmehr, weil ich
es eben noch nicht weiß.

So, siehst Du, nun habe ich widersprochen. Hm...Stephan Merten merkte
schon an, daß mein Geschriebenes immer etwas "hart" klinge...aber ich
meine das gar nicht so, weiß gar nicht woran das liegt.....soll ich mehr
Smileys machen??? 

:-)

Naja. Ihr werdet mich schon zurecht weisen. 

Liebe Grüße
Sabine
:-) :-) :-) :-) :-) :-) :-) :-) :-) :-) :-) :-) :-) :-) :-) :-) :-) :-)
:-) :-) :-) :-) :-) :-) :-) :-) :-) :-) :-) :-) :-) :-) :-) :-) :-) :-)
:-) :-) :-) :-) usw. 










 Aber den Widerspruch zwischen Fremdbestimmung (letztlich die
Anforderungen des Marktes) und Selbstentfaltung des Menschen kriegen sie
nicht gelöst. Geht auch nicht, sage ich.











Dazu kommt, aber bitte, das ist jetzt ein sekundäres Argument in _diesem_
Zusammenhang, das der Kapitalismus KEINES der globalen Probleme
gelöst kriegt.

Der Sache mit der Produktivkraftentwicklung stimme ich zu, nein: glaube
ich verstanden zu haben...es gibt eine bestimmte Zusammensetzung
(quantitativ, qaulitativ, usw.), historisch usw. Aber erlaubt das Schlüsse
für die Zukunft? Steckt da eine Art Gesetzmäßigkeit drin?

Ja, ich glaube, daß es da eine historische-logische Entwicklungsabfolge
gibt, die Schlüsse für Tendenzen erlaubt. Ich meine, der Linux-Basar wird so
historisierbar, und damit verstehbar. Ich nenne nochmal den Link des Textes,
in dem ich das genau versuche, und da ich auch ein großer Vereinfacher bin
(jede Historisierung entlang von Kategorien verfeinfacht sowieso), gibt's dort
eine Grafik, die diese Entwicklungslogik in einer Grafik darstellt (wofür ich
schon ob der Vereinfachung Prügel gekriegt habe - zurecht). Also der Link
war http://www.kritische-informatik.de/linuxswl.htm

Daß da
irgendeine Form von "Ende" in Aussicht gestellt ist, wie Du sagst, das
glaube ich nicht. Ich vertraue in eine unendliche Verwertungsphantasie des
Kapitals...

Hier der Zusammenhang, aus dem ich oben Dein Zitat riß. Bitte unterscheide
die Arbeit und die Verwertung. Bei der Arbeit, die ja die einzige Quelle von
Reichtum ist, sieht der Kapitalismus ziemlich alt aus: die geht ihm nämlich
aus. Das wird diskutiert unter dem Titel der "Krise der Arbeitsgesellschaft".
Keiner glaubt mehr an Vollbeschäftigung. Die Verwertung kann trotzdem
_erstmal_ weiter funktionieren, und die Spekulation auf zukünftige
Verwertungen ("Casinokapilalismus"). Anderes Thema...

Wenn wir das mit der PK-Entwicklung mal weglassen und uns nur Deinen
Satz "Der Linux-Basar unterliegt den Verwertungsbedingungen nicht"
ansehen...kannst Du mir diesen Satz an der Sache selbst erklären, ohne
eine PK-Entwicklung? Ich denke schon, er könnte verwertbar gemacht werden.
kommt halt drauf an. Weißt Du: Wahrscheinlich habe ich Dich doch nicht
verstanden.

Nee, geht nicht isoliert. Der Satz ist nicht falsch, aber isoliert erlaubt er
keine weitergehenden Schlüsse.

Mit eurem
(Sabine und Stefan Mn.) Versuch, unbezahlte Arbeit *als solche* mit der
unbezahlten Arbeit *Linux-machen* erstmal gleichzusetzen, um dann
irgendwelche Unterscheidungsmerkmale zu finden, kommt ihr nicht weit,

Ich denke, es wäre schon sehr weit, wenn wir das unter uns geklärt
hätten. Du gehst davon aus, daß es nicht das gleiche ist, ich habe es noch
nicht eingesehen (s.o.).

Das geht auch nicht so schnell, und niemand hat per se Recht. Ich hoffe, Du
bekommst eine Idee, warum ich finde, daß Hobby-Modellflugzeugbau nicht
das gleiche ist wie Linux - jenseits vom armen Verwertungsargument.

Solange das ungeklärt ist, können wir eigentlich
nicht weiter machen, oder?

Na ja, unser ganzes Bemühen geht darum, uns und die Sache zu verstehen.
Aber die Frage Linux=Ehrenamt ist eine wichtige Frage, das stimmt.

Bye,
Stefan

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  Stefan Meretz, Duesseldorf
  Web: http://www.kritische-informatik.de
  stefan.meretz kritische-informatik.de
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