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Re: [ox] Re: Ehrenamt und Tauschwert



Hi Sabine und alle!

5 days ago Sabine Nuss wrote:
Stefan Merten schrieb:
Und das nicht kapitalistische! Ich beton's nochmal, weil es ein
Element des Gedankens ist, daß Gnu/Linux über den Kapitalismus
hinausweisen könnte - aber ich denke, daß es so sein könnte denken wir
mittlerweile alle.

Ups. Entschiedener Einspruch! Zwischen Wunschdenken und Realität liegen
halt schon noch Welten und nur, weil etwas schön wäre, wenn es so wäre,
heißt es noch nicht, daß es so ist.

Ich habe jetzt gar nicht gemeint, daß *wir* uns das wünschen. Für
viele hier ist das schätzungsweise eher ein Alptraum.

Hm, hätt ich auch einfacher sagen
können. Also, nochmal: ich denke jedenfalls nicht, "daß Gnu/Linux über
den Kapitalismus hinausweisen könnte" ---- immer noch nicht.

Ungläubige! ;-) ;-)

Vielleicht nehme ich eingedenk deiner Bemerkungen erstmal die
Kapitalismus-oder-nicht-Schiene ein bißchen zurück.

Es mag
Elemente nicht-kapitalistischer Produktionsweise haben, Yup - das ist
unbenommen. Aber ob das nicht vielmehr eine Produktionsweise ist, an der
der Kapitalismus seinen Heidenspaß hat, weil er sonst nirgendwo so
superbillig an Arbeitskraft rankommt wie dort und weil dieser Rohstoff
"Wissen" so konkurrenzlos billig ist...oder ob es eine Produktionsweise
ist, die als Modell einer alternativen Produktion Vorbild stehen könnte
--- das wissen die Götter. Und Spekulieren gilt nicht.

Ich habe das Gefühl wir brauchen eine Zusammenfassung um die
Argumentationszyklen zu verringern ;-) . Siehe andernmails.

Ich finde das deswegen wichtig, weil ich schon seit langem nach einer
Vorstellung suche, wie gesellschaftlich nützliche produktive Tätigkeit
jenseits des Kapitalismus sich real buchstabiert - diese Form scheint
eine Antwort zu sein!

Mit dem "scheint" bin ich schon eher zufrieden. Es *scheint* so zu sein.

Ja, ja, is' ja gut ;-) . Ich werde noch mehr versuchen, endgültige
Gewissheiten für mich zu behalten ;-) ;-) . (Vielleicht für die
vielen, die mich nicht kennen: Endgültige Gewissheiten sind endgültig
gewiß völliger Unsinn ;-) ;-) ).

Das hieße, zu sagen, daß die Art und Weise der Produktion
definitionsbestimmend ist dafür, ob es sich um ein Hobby, ein
ehrenamtliches Tun, eine unbezahlte Arbeit und so weiter handelt oder
nicht. Ist das so? Denk ich nicht. Eigentlich.

Da hast du vielleicht einen wichtigen Ansatzpunkt. Mal ein paar
Gedanken dazu - korrigiert mich!


Hobbies sind Tätigkeiten, die per Definition wegen des dabei
entstehenden Gebrauchswerts oft genug aber auch nur wegen der reinen
Freude an einer bestimmten Tätigkeit ausgeführt werden. Weiter sind
Hobbies - im Rahmen materieller Grenzen - so vielleicht die
selbstbestimmteste Tätigkeit, die wir so kennen.

Diese beiden Bestimmungen - _selbstbestimmte_ Tätigkeit, die um _ihrer
selbst Willen_ ausgeführt wird - hat m.E. massive Auswirkungen auf die
Art und Weise ihrer Durchführung - auf ihre Organisation.


Ehrenämter - ich denke jetzt an die etwas stärker formalisierten -
haben einen etwas anderen Charakter. Die Tätigkeit in einem Ehrenamt
wird auch in erster Linie wegen ihres Gebrauchswerts und i.d.R. wegen
der Freude an der Tätigkeit ausgeführt. Allerdings ist das Ziel der
Tätigkeit in einem Ehrenamt i.d.R. auf einen über die tätige Person
hinausgehenden Zweck, oft eine Gemeinschaft gerichtet.

Auch hier scheinen mir die Bestimmungen die Art und Weise der
Durchführung mitzubestimmen. I.a. wird die Organisation der Tätigkeit
in einem Ehrenamt zwar der tätigen Person obliegen, aber als für eine
Gemeinschaft arbeitende unterliegt sie natürlich mindestens einer
gewissen sozialen Kontrolle und u.U. auch formalen Regularien (z.B.
Vereinsvorsitzende).


Lohnarbeit ist durch und durch fremdbestimmt. Sowohl die Art und
Weise der Durchführung als auch die Arbeitsinhalte sind absolut durch
die KäuferIn der Ware Arbeitskraft bestimmt. Unter kapitalistischen
(da war's wieder ;-) ) Verhältnissen ist der sowohl Inhalt als auch
Organisation der Lohnarbeit wesentlich durch das Profitinteresse der
KäuferIn bestimmt.

Diese Bestimmungen dürften so geläufig sein, daß ich mir eine
Illustration hier spare.

Eine interessante Ausnahme bilden hier übrigens öffentliche Dienste,
die (noch) nicht überwiegend an Profitmaximierung interessiert sind,
sondern die sich um die Versorgung der Bevölkerung mit einem
bestimmten Gut oder einer bestimmten Leistung kümmern.


Hausarbeit und andere Reproduktionsarbeit (z.B. Kindererziehung)
scheint mir hier eher in den Bereich des Ehrenamts zu gehören.
Allerdings mit wenig formalen aber reichlich sozialen Kontrollen.


Unbezahlte, die eigentlich dem Bereich der Lohnarbeit zugerechnet
werden müßte, oder sehr schlecht bezahlte Lohnarbeit (z.B. 630DM-Jobs)
gehören in die Kategorie der Lohnarbeit. Oft wird von prekären
Arbeitsverhältnissen gesprochen und so würde ich das auch sehen. Es
sind eigentlich Lohnarbeitsverhältnisse, die aber aus verschiedenen
Gründen nicht normal sind - indem sie z.B. so miserabel bezahlt
werden, daß sie nicht zur Deckung des Lebensunterhalts reichen.


Wie ich vor längerem schon mal ausgeführt hatte, machen i.d.R. weder
Hobby noch Ehrenamt der als Lohnarbeit organisierten Tätigkeit
Konkurrenz. Im Zweifelsfall sorgen dann übrigens schon die
KapitalistInnen und ihr Staat dafür, daß so etwas nicht bestehen
bleibt.


Worauf ich eigentlich raus wollte: Die Art und Weise der Produktion
definiert vielleicht nicht die Kategorie, in die eine Tätigkeit
einzusortieren ist - aber die Tätigkeitskategorie bestimmt die Art und
Weise der Produktion - und m.E. entscheidend!

Die immanente Grenze wäre vielleicht so zu fassen: Die
Basar-Produktionsweise ist ein fundamentaler Widerspruch zum
kapitalistischen Konkurrenzprinzip.

...ist fundamental gleichbedeutend mit unlösbar?

Nicht gleichbedeutend aber eine Unlösbarkeit dürfte i.d.R.
dazugehören.

Um mal wieder einen Rückgriff auf den Übergang vom Feudalismus zum
Kapitalismus zu machen: Die bürgerliche Produktion und ihr Bedarf an
freien ArbeiterInnen, die jederzeit frei waren, ihre Arbeitskraft zu
verkaufen, war unvereinbar mit dem Prinzip der Leibeigenschaft. In der
Konsequenz führte diese Unvereinbarkeit zur Abschaffung der
Leibeigenschaft.

Um das mal klarzustellen: Mit Natur hat das alles nichts zu tun.

Ich sage nicht, daß es das tut. Ich sage, daß es den *Anschein* erweckt,
naturnotwendig zu sein.

Das ist von irgendjemandem aus der Kritischen Theorie (Adorno?) mal
als die zweite Natur bezeichnet worden.

So
bin ich z.B. davon überzeugt, daß wir heute strukturell nicht mehr in
der Lage sind, die Denkweise eines mittelalterlichen oder gar antiken
Menschen nachzuvollziehen.

*grins* ----- so weit zurück mußt Du da gar nicht gehen....

Message understood ;-) .

Nähern wir uns wenigstens?


						Mit li(e)bertären Grüßen

						Stefan





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