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Heutige Krise und Uebergang (was: Re: [ox] Tausch & Utopie)



Hi Rainer et al.!

Ich möchte wesentlich einen Punkt aus deiner Mail herausgreifen.

Dank auch für die richtigen Bemerkungen zu Kathedralenbau und Basaren.

8 days ago Rainer Fischbach wrote:
Ich glaube, daß man den relativ schnellen Erfolg der Entwicklung des
Linux-Kernels (und ähnlicher Projekte) auch anders erklären kann als durch
die sehr unplausible These der Aufhebung von Brooks Law: Erstens handelt es
sich um recht uninnovative, in ihrer Struktur, ihren internen und externen
Schnittstellen seit langem wohlbekannte, durch zugängliche Vorbilder
demonstrierte und in der Fachliteratur seit langem abgehandelte
Softwarearchitekturen. Zweitens gibt es eine große und weiter wachsende
Anzahl von Fachleuten und solchen, die es werden wollen, die diese
Architekturen kennen und auch die eingesetzten Methoden beherrschen. Die
schwierigsten  Entwurfs- und Abstimmungsfragen waren also schon gelöst und
das Zusammentreffen der weltweiten Expansion der Informatikausbildung mit
der Verbreitung des Internet brachte die kritische Masse an qualifizierter
und eingearbeiteter Arbeitskraft zusammen. Kurz: Die Linux-Erfahrung ist
nur begrenzt verallgemeinerbar.

Da hast du nicht ganz unrecht. Aber erstens ich bin nicht sicher, daß
dies so bleiben wird - m.E. stehen wir hier erst am Anfang einer
Entwicklung -, und zweitens denke ich auch, daß das nicht das
Entscheidende an Gnu/Linux ist. Na, wir werden's erleben...

Wenn man auf das Entscheidende: die horizontale Integration
schaut, dann ist auch der Toyotismus fordistisch. Er ist sogar dessen
konsequente Weiterentwicklung,

Das ist doch kein Wunder, der kommt doch daher. Aber der
Toyotismus (als Begriff bei Dir wohl auch nur in phänographischer
Funktion) steht vor einer qualitativer Herausforderung: die
Nutzung der letzten Ressource, des Menschen in seiner Ganzheit.
Und das pakt er nicht, ist meine These. Toyotismus steht für mich
(vielleicht ist das ein Unterschied zu anderen) _nicht_ für eine
fertige Epoche, sondern für einen Qualitätssprung, der ansteht,
aber kapitalismusimmanent nicht zu bewältigen ist (früher nannte
man diese Stelle `antagonistischen Widerspruch?).

Ich hatte mich an dieser Stelle explizit auf die engere
industrieorganisatorische Bedeutung der Begriffe einglassen. Wie sehr ich
mit Dir darin übereinstimme, daß jenseits der Kapitalverwertung auch eine
andere Qualität der Arbeit, die sich durchaus auch in höherer Produktivität
nierderzuschlagen vermöchte, beginnen könnte, so sehr möchte ich auch vor
einem schlichten Produktivismus warnen: Im Zentrum der heutigen Krise
liegen Koordinations- und Allokationsprobleme:

Hmmm... Woran würdest du das festmachen? Nehmen wir mal die
transnationalen Konzerne. Wo haben die Koordinations- und
Allokationsprobleme? Vielleicht auf dem Finanzsektor wo sie nicht mehr
wissen wohin mit den Geldmassen (siehe Siemens: Bank mit
angeschlossenem Elektroladen). Und die Allokation und Koordination
klappt doch für die zahlungsfähige Kundschaft nach wie vor recht gut -
auch dort wo die Krise schon weiter fortgeschritten ist als bei uns.

Lediglich die zahlungsfähige Kundschaft geht langsam aus - und das
sowohl national als auch international. Das würde ich aber nicht als
Koordinations- und Allokationsproblem sehen, unter dem vielleicht die
sog. realsozialistischen Länder gelitten haben -, sondern als höchst
kapitalismusimmanente Verwertungskrise buchstabieren.

Für mich ist es relativ leicht einzusehen, daß der
Gebrauchswertreichtum so groß wie nie zuvor in der Geschichte ist. Daß
z.B. auf diesem Planeten von der Nahrungsmittelproduktion her keiner
hungern müßte, dürfte sich ja mittlerweile rumgesprochen haben.
Lediglich stehen die blinden Marktgesetze einer besseren Welt im Wege
- na gut, ich schwärme ein bißchen ;-) .

die Fragen des was, wieviel,
wofür und für wen der Produktion. Innerhalb der Produktionssphäre sind sie
nicht zu lösen.

Richtig, denn das sind ihrer Natur nach politische Probleme und müssen
daher auf dem Stand der Produktivkraftentwicklung auch (wieder)
politisch gelöst werden.

Ich glaube auch nicht, daß es mit der Kommunikation der
»Fraktale« (noch so ein mißbrauchter Begriff aus der Mathematik) mit den
Verbrauchern übers Internet getan wäre.

Das sicher nicht. Aber es könnte ein Element einer Lösung bilden.

Mensch, wir wissen doch alle nicht wie es aussehen wird - und können's
auch strukturell gar nicht - viel zu sehr sind wir in unseren
Denkgehäusen gefangen. Aber alles gleich vom Tisch wischen kann's doch
auch nicht sein - oder?

Die heutige Industriestruktur, die
dazu komplementäre Infrastruktur und das heutige Produktspektrum
reflektieren doch die Interessen der Kapitalverwertung und nicht die einer
humanen Gesellschaft oder gar der Erhaltung von deren
Naturvoraussetzungen.

Dem stimme ich nachdrücklich zu! Und auch hier würde ich gerne
Gnu/Linux als Beispiel nehmen, um zu sehen, wie sich da Strukturen
anders entwickelt haben, und würde gerne schauen, ob sich da was
übertragen läßt und ggf. wie. Wir stochern halt alle noch im Nebel
herum aber die Gewißheiten stellen sich halt erst am Ende eines
geschichtlichen Prozesses ein.

Die Formel »laßt Produzenten und Konsumenten erst
über das Internet kommunizieren und schon bricht der Sozialismus aus« finde
ich etwas zu einfach. Ich meine, das müßten wir noch genauer diskutieren .
. .

Dafür sind wir ja vielleicht auch hier :-) .


						Mit li(e)bertären Grüßen

						Stefan





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