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[ox] Re: Knappheit und GPL-Gesellschaft




Aus der DDR bringe ich die Erfahrung mit, daß mit einer
"Mangelwirtschaft" keine neue Politik zu machen ist. Die "Ökonomie muß
stimmen". Es wäre aber verhängnisvoll, mit dieser Begründung der
Ökonomie und ökonomischen Kalkülen die Herrschaft über die Gesellschaft
zu geben. Aus diesem Grund befürworteten die frühen kommunistischen
revolutionären Vorstellungen auch ein "Primat der Politik", was unter
Mangelbedingungen allerdings zu ökonomisch oft unsinnigem politischen
Voluntarismus führte. 
....
Deshalb müssen andere Bedingungen geschaffen werden, den
verhängnisvollen Selbstlauf der Ökonomie (die ihre Zwecke selbst setzt
und nicht mehr an menschliche Zwecke bindet) aufzuhalten und

Würdest du sagen, daß es diesen Selbstlauf der Ökonomie in
vorkapitalistischen Zeiten auch schon gab? Mangel gab es in
kapitalistischen Begriffen gedacht ja durchaus.

gesellschaftlichen Zielsetzungen zu unterwerfen.

Und auch individuellen Zielsetzungen. Das wäre mir wichtig. Zumindest
das ist ja etwas, was wir bei Freier Software beobachten können.

Dies führt zu einer
"Nach-ökonomischen Gesellschaftsformation"

Also einer, bei der die Ökonomie nicht mehr dominiert. Ok

IMHO geht es nicht darum, dass die Ökonomie "stimmt", unterworfen wird oder
nicht mehr dominiert, sondern darum, dass sie auf den Müllhaufen der
Geschichte wandert. Was die Ökonomen für Ökonomie halten, soll hier mal
nicht interessieren (obwohl die Frage der Knappheit mit der Ökonomie nicht
zwangsläufig verschwindet - aber darum kann sich ja die nächste Revolution
kümmern ;-)). Die Guten gehen ja auch davon aus, dass ein Auto weniger Wert
hat als ein Apfel, wenn ich Hunger habe und keinen Führerschein...

Mit der Ökonomie verhält es sich wie mit der Arbeit (bzw. die Kritik der
Arbeit ist ja ein von der Kritik der Ökonomie abgeleitetes): Es geht um
eine ausdifferenzierte Sphäre, gewissermassen in Soziologie-Neusprech um
ein autopoietisches, selbstreferenzielles System. Was die SoziologInnen
toll finden, weil das ihr Job ist, ist genau das Problem: Dass sich
Strukturen, Gesetzmässigkeiten etc. herausbilden, die vom Subjektiven
Willen unabhängig sind bzw. diesen erst setzen. Ähnlich liegt ja die Kritik
der Arbeit, die ja nicht böse ist, weil das Wort eine bestimmte Geschichte
hat (das Wort "Witz" wurde ja dereinst im Sinne von "Schlauheit" verwendet,
trotzdem muss man die Witzseite des Thule-Netzes nicht Schlau finden...
[Lustig allerdings auch nicht. Genug geklammert!]), sondern weil der
Begriff "Arbeit" genau die Tätigkeiten dieser - verselbstständigen,
fetischistischen usw. - Späre der Ökonomie umfasst und sonst nichts.
Tätigkeit wird nicht Arbeit, weil sie keinen Spass macht, sondern weil sie
Wert produziert, also gesellschaftlich notwendige/ gültige Arbeit ist
(hmmm, mich deucht, ich habe hier eine nette Tautologie produziert:
Tätigkeit ist Arbeit, weil sie Arbeit ist? Ich schieb's einfach auf den
Kapitalismus selbst!)

Was die Knappheit ohne Kapitalismus angeht: Die hats sicherlich gegeben,
aber aus Gründen, die inzwischen weitgehend repariert sind, die aber vor
allem ganz andere waren als die einer kapitalistischen Knappheit. Trotzdem
würde ich nicht mit Robert Kurz der Ansicht sein, wenn es mit der
Emanzipation nicht klappt, sollte man wenigstens zur Mußevollen
Sklavenhaltergesellschaft zurückkehren, wie es v.a. im - IMHO auch aus
anderen Gründen, ziemlich schlechten - Schwarzbuch durchscheint.

cu
Henrik

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http://www.oekonux.de/



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