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Re: [ox] Subsistenz vs. Freie Software



Hi Franz!

3 days ago Franz J Nahrada wrote:
Stefan Merten schreibt:
Freie Software ist aber *nicht* - und das kann ich gar nicht genug
betonen - ein Wirtschaften ausschließlich für die je eigenen Zwecke -
und das ist Subsistenz soweit ich dieses Wort verstanden habe. Zwar
wird Freie Software aufgrund der individuellen Selbstentfaltung
produziert, aber das Bedürfnis nach dem Produkt ist nur ein Aspekt
dabei. Wichtig ist aber, daß dieses Produkt eben nicht anderen
entzogen wird, sondern für die Menschheit zum Abholen bereit liegt -
natürlich auch, weil es durch die Möglichkeiten digitaler Kopie
praktisch unbegrenzt verfügbar, also nicht knapp ist. Das ist aber mit
keiner Definition von Subsistenz vereinbar, die ich mir vorstellen
kann.

Der Witz an Subsistenz ist m.E. die freie Verfügbarkeit lokaler Ressourcen,

Wieso das denn? Was hat Subsistenz mit freier oder gar Freier
Verfügbarkeit zu tun? Kleiner Brockhaus:

	Subsistenzwirtschaft: landwirtschaftliche Wirtschaftsform, die
	ganz oder überwiegend für die Selbstversorgung produziert.

Das "landwirtschaftlich" können wir wohl schmerzfrei weglassen - mit
freier Verfügbarkeit hat das dennoch nichts zu tun.

das heißt, die Beziehung auf natürliche, sich selbst reproduzierende
Produktionsvoraussetzungen.

Wieso "Das heißt"? Was hat freie Verfügbarkeit mit dieser Beziehung zu
tun?

Aber wenn du dich auf "sich selbst reproduzierende
Produktionsvoraussetzungen" beziehst, dann reden wir von etwas ganz
anderem. Atemluft ist z.B. so etwas. Reproduziert sich (noch) ohne
menschliches Zutun.

Deine These wäre also, daß wir "natürliche, sich selbst
reproduzierende Produktionsvoraussetzungen" brauchen - Subsistenz und
freie Verfügbarkeit hin oder her.

In gewisser Weise also so etwas
ähnliches wie Freie Software.

Ggf. wäre der Überflußfaktor vergleichbar - wenn denn der
Selbstreproduktionsgrad mindestens so hoch ist wie die Bedürfnisse.

Ich würde wirklich gerne mal mit
Dir auf den Krametterhof oder zu sonst einem Permakulturprojekt
fahren, da kommst Du aus dem Staunen nicht heraus, wie genau das,
was Dich an Freier Software so fasziniert, auch in unserem
Verhältnis zur Natur realisiert werden soll: Mühelose Reproduktion
durch intelligentes ökologisches Design.

Ich kenne zwar nur ein Permakulturprojekt ausgesprochen flüchtig, aber
ich würde anders argumentieren: Wenn die LandwirtIn nur zuschauen
müßte, wie alles wächst, warum macht sie sich dann so viel Arbeit -
und daß und warum zumindest ein Bioland-Hof eine Menge Arbeit macht,
kriege ich jährlich beim Hoffest meines Lebensmittellieferanten
erklärt.

Spätestens seitdem die Permakultur erfunden ist, könnte die LandwirtIn
ja nach deiner These die Hände in den Schoß legen und sich stärker
selbstentfaltenden Dingen als Unkraut jäten zuwenden.

Quintessenz: Ich bin skeptisch, ob das klappt. Daß es soll, kann ich
mir gut vorstellen. Ob's realistisch ist bezweifele ich stark.

insofern stimmt es einfach
nicht, wenn Du schreibst:

Und die beschriebenen Projekte sind ja gerade *kein* Abkoppeln vom
Zwang zum Erwerb. Sie ersetzen lediglich mangels Masse - das ist eben
das Prekäre daran - den Zwang zum Gelderwerb durch einen anderen
Zwang. Oder kannst du mir ein Projekt aus diesem Sektor nennen, bei
dem ich Tag um Tag, Woche um Woche, Monat um Monat, Jahr um Jahr
nichts beitragen kann und trotzdem bekomme was ich brauche? Ich kenne
jedenfalls keins. Bei Freier Software ist das aber so. Bei den o.g.
Projekten muß - da steckt der Zwang - ich mir meine
Bedürfnisbefriedigung ertauschen. Darin unterscheiden sie sich in
keiner Weise von der Arbeitgesellschaft - NewWork hat die Arbeit ja
sogar im Namen.

"Nichts beitragen und trotzdem bekommen was ich brauche" gibts
nicht mal bei freier Software.

Aber natürlich gibt's das da.

Installieren und einrichten muß ich mir
mein System nämlich schon, und auch die Arbeit zu wissen welche
Dinger wie funktionieren muß ich mir antun.

Auch wenn ich mir den Emacs noch ins Heim schleppen muß oder
meinetwegen für ein Vorinstallation bezahle: Ich muß für den Emacs
selbst keinen Finger krumm machen. Der "wächst" quasi völlig ohne mein
Zutun und ich muß auch nicht dafür hergeben.

Um bei deinem Vergleich zu bleiben: Wenn ich hinaus in die Natur gehe
und mir dort Früchte pflücke oder Pilze sammele, dann haben wir etwas,
was Freier Software in dieser Hinsicht ähnelt. Besser vielleicht noch
tatsächlich die Permakultur, in der ich einfach mein Schwein für den
Sonntagsbraten einsammele. Da hätten Menschen irgendwann mal mit ihrer
Tätigkeit den Grundstein gelegt.

Sagen wir mal so: Ich würde dir recht geben, wenn mit diesen Methoden
eine Nahrungsmittelversorgung der Weltbevölkerung auf dem erreichten
(Bedürfnis)niveau erreicht werden könnte. Aber sollte das tatsächlich
gehen, dann frage ich mich, warum seit tausenden von Jahren da kein
Mensch drauf gekommen ist.


						Mit li(e)bertären Grüßen

						Stefan


----------------------
http://www.oekonux.de/



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