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Re: [ox] Die Anwendbarkeit der Werttheorie in der Informatik



Hallo Ralf und andere Marxexegeten,

könnt ihr mir zwei Begriffe "definieren" ;-), naja, erklären reicht
mir auch - zum einen
- allgemeine Arbeit
und zweitens
- general intellect

Ich versuche mal ein paar Rückbindungen Eurer Exegese an die Freie
Software:

RalfKrae aol.com schrieb:
Ich begreife das eher so: Marx schreibt über die Aneignung bzw. Anwendung des
gesellschaftlich (implizit hier: kostenlos, in den wissenschaftlichen
Bibliotheken und den akkumulierten Kenntnissen von TrechnikerInnen etc.) zur
Verfügung stehenden Wissens, der Resultate der Wissenschaften, als für das
Kapital kostenlose Produktivkraft. Ich denke auch, dass man das als eine Form
der Infrastruktur auffassen kann. Sie ist ein zunehmend zentraler Faktor der
Produktion des Reichtums. Die wissenschaftliche Arbeit, die hierfür geleistet
wurde, ist allgemeine Arbeit.

Nehme ich deine Beschreibung, dann ist das, was Freie Softwarehacker
betreiben, allgemeine Arbeit. Die GPL hat sie sozusagen der
Verwertung entzogen, in dem sie das Produkt entknappt und
verallgemeinert. Ja, sie dürfen auch Geld dafür kriegen, aber das
ist kein Lohn, sondern Spende (Hans-Gerts Büchse?).

Wichtig m.E.: hier und in den anderen
entsprechenden Passagen spricht Marx von Reichtum und eben nicht von Wert,
denn der wird durch die Aneignung der Wissenschaft nicht unmittelbar
tangiert, weil diese allgemeine Arbeit eben nicht werterhöhend in den Wert
der unter Anwendung ihrer Ergebnisse produzierten Waren eingeht, weil sie
eben umsonst zur Verfügung steht. Aber deswegen, also weil sie umsonst zur
Verfügung steht, und nicht weil sie wissenschaftliche Arbeit war, denn auf
den konkreten Inhalt der Arbeit kommt es in Bezug auf ihren produktiven
Charakter gar nicht an.

Das bestätigt das, oder? Diese allgemeine Hackerarbeit ist reich
aber wertlos. 

M.E. ist wissenschaftliche Arbeit, die direkt als Lohnarbeit für das Kapital
geleistet wird, und deren Resultate nicht der Öffentlichkeit zur freien
Verwendung zur Verfügung gestellt werden, zu betrachten wie andere geistige
Arbeit und Dienstleistungen auch. 

Ja, wie proprietäre Software. Software ist ja nix anderes als eine
bestimmte Wissensform (Hans-Gert?).

"Arbeit desselben Inhalts kann daher produktiv und unproduktiv sein. Z.B.
Milton, who did the 'Paradise lost', war ein unproduktiver Arbeiter. Der
Schriftsteller dagegen, der Fabrikarbeit für seinen Buchhändler liefert, ist
ein produktiver Arbeiter. Milton produzierte das 'Paradise lost' wie ein
Seidenwurm Seide produziert, als Betätigung seiner Natur. Er verkaufte später
das Produkt für 5 l. und wurde insofern Warenhändler. Aber der Leipziger
Literaturproletarier, der auf Kommando seines Buchhändlers Bücher, z.B.
Kompendien über Politische Ökonomie produziert, ist annähernd ein produktiver
Arbeiter, soweit seine Produktion unter das Kapital subsumiert ist und nur zu
dessen Verwertung stattfindet. Eine Sängerin, die wie der Vogel singt, ist
ein unproduktiver Arbeiter. Wenn sie ihren Gesang für Geld verkauft, ist sie
sofern Lohnarbeiter oder Warenhändler. Aber dieselbe Sängerin, von einem
entrepreneur engagiert, der sie singen läßt, um Geld zu machen, ist ein
produktiver Arbeiter, denn sie produziert direkt Kapital."

Produktiv vs. unproduktiv meinen also immer
kapitalproduktiv/-unproduktiv. So habe ich aber auch Christian Fuchs
gelesen: Wird die Arbeit aus der Revenue (einem Ertrag) bezahlt und
verzehrt sie diese insofern oder schafft sie die Revenue als
produktives Kapital.

Freie Softwarearbeit - wenn ich mal weiter von "Arbeit" rede - ist
also unproduktiv, wertlos und reich.

Mal folgenden Gedanken gedacht, nun auf stoffliche Produkte bezogen:
Wenn der der eigentlichen stofflichen Realisierung vorausgehende
nichtstoffliche Anteil der Produktion "verwertlost" und
"verunproduktiviert" wird - zum Beispiel in dem es als Freies
GPL-Wissen hergestellt wird - dann steht dieser dann allen
weltweiten stofflichen Realisierern zur Verfügung. Angenommen, das
passiert effektiv und durchgreifend und erfolgreich, dann wird das
Kostenniveau allein durch die stoffliche Realisierung bestimmt.
Platt gesagt: Ein aus einer Freien Wissensproduktion hervorgehendes
stoffliches Ding ist "wertloser" sprich "billiger" als das
proprietär hergestellte. Wenn nun das Verhältnis von
nichtstofflichem wertlosem Wissen und stofflichem werthaltigem Ding
sich zu Gunsten des Letzterem verschiebt, dann gehen tendenziell
alle proprietären Produzenten pleite. Die Kapitalverwertung entzieht
völlig immanent ihre eigene Substanz - den Wert.

Das ist dann nicht "tendenzieller Fall der Profitrate" (Fuchs) und
auch nicht "Abschmelzen der Wertmasse durch
Produktivitätssteigerung" (Kurz), sondern "Zersetzung der Wertbasis
durch Entwertung von Wissen". Ob dadurch der Kapitalismus
zusammenbricht, ist damit nicht gesagt - aber wertloser wird er
schon.

Ja, doch, da bin ich ganz mit Ralf einig ;-)

Ciao,
Stefan

-- 
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