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Re: [ox] Grundsicherung



Liebe Leute, ich nehme hier mit Unterbrechung den Thread "Grundsicherung"
wieder auf. Ich komme leider nicht immer gleich zum Antworten - bin eben
ziemlich langsam.
Hier zu Hans-Gerts Mail:

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   LoGl 1 (19.1.01)
    - ich möchte aber zum Thema "Grundsicherung" doch noch die folgende
    Überlegung aus dem "Manifest gegen die Arbeit" zu bedenken geben
    (hab ich ja nur kopieren müssen ;-) :

    ... denn woher sonst sollte das Geld kommen, um dieses staatlich
    garantierte Grundeinkommen zu finanzieren, wenn nicht aus
    gelingenden Verwertungsprozessen?


HGG (20.1.01)
Nun, zunächst sicher _nur_ von da, denn in dieser Gesellschaft gibt es
nichts anderes.  Es geht also (heute zunächst) um Umverteilung,
"Reichtum teilen - Armut bekämpfen".  Steuerfinanzierte Bereiche gibt
es in der Gesellschaft genug (Schulen, Unis, die Bahn kriegt demnächst
bestimmt auch wieder eine kräftige Finanzspritze, EXPO's ...) Und
warum soll das, was für Strukturen geht, nicht auch für Personen gehen
(bzw. geht ja: für Politiker, Professoren, 15% Studenten (mit BaFöG),
...).  Es gibt natürlich ein paar Feinheiten ('Nützlichkeit' der
alimentierten Strukturen z.B.), die lasse ich hier aber aus
Platzgründen mal weg.  Ich will nur noch erwähnen, dass alle diese
Strukturen heute "arm" sind (aktuelle Debatte: Stellenkürzungen an
Unis in Sachsen), d.h. "Reichtum teilen - Armut bekämpfen" auch auf
diese strukturelle Armut zu beziehen ist.  Also Ansatz genug für
heutige Politik ebenso wie für fundamentale Überlegungen.  M.E. _die_
zentrale Frage linker Politik heute.


LoGl 2 (29.1.01)
Das Ziel "Umverteilung" ist ein bissl madig geworden - wenn der "Reichtum"
in großen Teilen aus Dingen besteht, die uns neurotisch, psychotisch und
auch physisch krank, ja die Biosphäre für Menschen unlebbar machen. Ich
glaub nicht, dass ich das hier ausführen muss. Wird schlimmstenfalls
nachgeholt. Auch mit den "steuerfinanzierten Bereichen" ist das so eine
Sache. Kampf um Bildung, damit der Standort noch Zukunft hat, uns noch
Arbeitsplätze bieten kann, Bahnen, damit wir rechtzeitig ins "Bergwerk"
eintauchen können? Ich kann nicht sehen, wie aus solcher Umverteilung was
Neues kommen soll - und in dieser Beschränkung wird seit jeher Umverteilung
gefordert.

Weiters hab ich nicht den Eindruck, dass sich aus den "Kürzungen" in diesen
"Strukturen" große Kämpfe entwickeln (lassen). Sie liegen vielmehr auf einer
anderen Linie des Kampfs, nämlich des Konkurrenzkampfs, in dem sich die
Tüchtigsten durchsetzen. Alle haben ihre Chance (die formale
Gleichberechtigung), bedauerlicher Weise können sie aber nicht alle
nützen. -
Die Herstellung von Solidarität für (systemimmanente) Verteilungskämpfe
scheitert m.E. zunehmend an dieser Hürde. Ich kann nicht erkennen, wie ein
in den Verwertungszwängen steckendes Denken zu einer Bewegung für eine
arbeitslose Grundsicherung führen soll.

    LoGl 1 (19.1.01 aus: "Manifest gg. d. Arbeit")
    Wer auf eine solche "Sozialdividende" baut (schon der Name spricht
    Bände), muß gleichzeitig klammheimlich auf eine privilegierte
    Position des "eigenen" Landes in der globalen Konkurrenz
    setzen. Denn nur der Sieg im Weltkrieg der Märkte würde es
    vorübergehend erlauben, einige Millionen kapitalistisch
    "überflüssiger" Mitesser zuhause durchzufüttern - unter Ausschluß
    aller Menschen ohne inländischen Paß, versteht sich.

HGG (20.1.01)
Andererseits ist primär der nationale (im Citoyen-Sinne) Rahmen heute
der, in dem um Fragen der Umverteilung gerungen werden kann. Dass das
keine leichte Sache ist, siehst Du an Lafontaine.  Du wirst mir
natürlich sofort erwidern 'Struktur statt Ideologie, das geht
prinzipiell nicht'. Aber wir reden ja gerade auf dieser Liste über
'Struktur', die die Großen der Branche auf einmal veranlasst, Geld in
Infrastruktur (hier: die OS-Bewegung) zu pumpen. Deine Argumente sind
also vollkommen okay, aber übersehen (vielleicht? darüber schreiben
wir hier) subtile Prozesse, die an diesen ehernen Prinzipien der
Kapitalverwertung nagen.

LoGl 2 (29.1.01)
Ich seh das eher so: Der nationale Rahmen ist vom Kapital gesprengt, in
diesem Rahmen kann immer weniger ausgehandelt werden, weil hier dem
Einzelkapital im Interesse des Gesamtkapitals immer weniger vorgeschrieben
werden kann. Die Nationalstaaten haben früher vor allem als Repräsentanten
ihrer Kapitalien miteinander konkurriert, heute immer als Anbieter günstiger
Verwertungsbedingungen gegenüber dem internationalisierten Kapital.
Das möglicher Weise Zukunftträchtige in der Freien Software-Bewegung ist, so
glaube ich, nicht Open Source, sondern der Umstand, dass ihre Produktion
nicht vom Verwertungszwang, sondern vom Bedürfnis individueller
Problemlösung angetrieben wird und sie Formen entwickelt, wie dies zu
gesellschaftlicher Problemlösung führt. Statt Problemlösung auch
Bedürfnisbefriedigung möglich. Meiner Meinung nach lässt sich eine solche
GPL-Gesellschaft nicht aus Umverteilung heraus erreichen, sondern nur durch
bewussten Bruch mit der Verwertung, durch Freikämpfen von Bereichen des
Lebens der Beteiligten, durch (Zer)Stören der von der Verwertung
beherrschten Bereiche.
Open Source funktioniert, denke ich, auch unter Verwertung, indem Software
nicht mehr als Mehrwertproduktion betrieben wird, sondern als
infrastrukturelle Voraussetzung für Verwertung. Das dürfte die Wertsumme
insgesamt schmälern und insofern den Kapitalismus als Ganzes schädigen, für
die beteiligten Einzelbetriebe aber die Kosten vermindern und damit deren
Verwertungsbedingungen verbessern. Das gehört dann zum Kapitel der
Verwissenschaftlichung der Produktion, die laut Marxens Überlegungen in den
Grundrissen zum Zusammenbruch der auf dem Wert beruhenden Produktionsweise
führt, ohne dass, sage ich, dadurch gesichert wäre, dass nichts noch Übleres
nachkommt.

HGG
Mit freundlichen Grüßen, Hans-Gert Gräbe

LoGl
Ebensolche, Lorenz Glatz





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