[ox] Prinzipielles/Teil II
- From: sabine.nuss gmx.de
- Date: Sun, 15 Apr 2001 16:10:36 +0200
(zum Verständnis dieser Mail bitte vorher die Mail "Prinzipielles/Teil I" lesen)
Hallo Stefan Mz., Stefan Mn., Benni, hallo alle,
verschiedentlich kam nun die Reaktion, dieses von mir angerissene Thema auf
der Konferenz zu diskutieren. Das hatte ich eigentlich auch vor. Im Grunde wollt
ich das alles gar nicht jetzt groß vor der Konferenz noch in der Liste
ausdiskutieren, da die ganze Energie gegenwärtig für die Organisation
gebraucht wird. Daher tuts mir fast schon wieder ein bisschen leid, nun doch so
viel Kraft zu absorbieren. Anyway. Auf den ein oder anderen Punkt aus euren
Reaktionen möchte ich doch kurz eingehen.
Ihr hattet angenommen, ich würde die Utopisten-Threads in dieser Liste hier
überbewerten und daher so reagieren. Dies stimmt nur zum Teil: Die Utopisten
waren der Auslöser, aber nicht der alleinige Anlass. Dass sich Oekonux als
Projektionsfläche anbietet, ist mir bewußt und dass eben nun halt die Utopisten
an der Reihe sind, so wie Stefan Mz. das ausgedrückt hat, mag auch stimmen.
Und Stefan Mn. hat ja auch recht, wenn er sagt, ich könnte mich da ja
widersprechend einmischen, usw. Alles richtig.
Aber so, wie es nun von euch dargestellt wird, nämlich dass mich mein
Eindruck, Oekonux gerät zur Metapher für eine utopische Weltsicht, täuscht -
so ist es auch nicht. Welche Außenwahrnehmung, hattet ihr verschiedentlich
gefragt, würde ich denn meinen?
Auffallen tut mir das (nicht nur, aber) immer mal wieder, wenn ich mit Abstand
auf das "Projekt Oekonux" schaue, beispielsweise durch die Augen eines
Dritten. Das können Freunde, Bekannte oder Medien sein. In den Nachrichten
der Rosa-Luxemburg-Stiftung (April 2001) beispielsweise wird auf Seite 2 die
Konferenz angekündigt mit einem eigenen Kommentar dazu. Darin wird das
Wort "frei" in dem Titel der Konferenz thematisiert. Ich zitiert mal:
"Welcher geschichtsbewußte Genosse zuckte nicht bei der Kalten-Kriegs-
Rede von der >>Freien Welt<< zusammen? Wer wüßte nicht schnurstracks,
dass sich hinter dem Satz >>Von der freien Software zur Freien Welt<<
hochverdächtiger technologischer Determinismus verbirgt? Warum unterstützt
die Rosa-Luxemburg-Stiftung ein offenbar politisch wie theoretisch obskures
Tagungsprojekt?"
blabla...dann wird kurz erklärt, was Oekonux ist (Wortkombination, Mailingliste,
usw.) und schließlich geht es weiter:
"...und arbeitet an einer einfachen Frage: Welche ökonomische Form und
politische Perspektive hat die Freie Software?"
Der erste einleitende Teil und die schließlich am Ende gestellte Frage, drückt
eigentlich sehr anschaulich das ganze Spannungsfeld aus, das uns seit Beginn
von Oekonux auch begleitet. Da sind die einen, die in Oekonux eine politische
Bewegung sehen (wenn ich dich, Stefan Mn. in deiner Mail so richtig
verstanden habe, wenn Du sagst: "Oekonux ist jedenfalls mit Abstand der
beste Hebel, der mir in zwölf Jahren radikalem politischen Engagement über
den Weg gelaufen ist") und die anderen, die darin ein thematisch abgestecktes
Diskussionsforum sehen, wobei das Thema neu und mit offenem Ausgang vor
uns liegt (das wäre dann ich). Beide Positionen machen Oekonux aus und sind
schließlich auch permanenter Diskussionsstoff und dagegen habe ich ja
überhaupt gar nichts einzuwenden. Mein Unbehagen beruhte nun lediglich
darauf, dass eine der beiden Sichtweisen die Hauptrepräsentationsform des
Projekts einnimmt und selbst da würde ich sagen, okay, dann ists halt so, aber
dann will ich nur die Organisation mittragen und nicht die Idendifikation mit der
Repräsentation. Das war alles.
Stefan Mz. schrieb nun:
Wie ein Bild außerhalb von Oekonux entsteht, ist mir nicht klar.
Das entsteht natürlich maßgeblich durch die Selbstpräsentation, insb. die
Wortwahl, die dafür gebraucht wird. Eine Projektionsfläche wird ja auch um so
größer, um so "größer" die Worte sind, die da benutzt werden. Wir hatten ja
nicht umsonst heftige Diskussionen um den Titel der Konferenz. Und dass die
"Freie Welt" ein Platzhalter für tausend unterschiedliche Assoziationen und
Gedanken sein kann, ist auch einleuchtend.
Ebenso steht in der Definition (Homepage) dessen, was Oekonux ist, nicht
drin, dass es ein Diskussionsforum sei, welche die ökonomischen und
politischen Formen der Freien Software diskutiert oder untersucht, sondern es
steht drin:
"Das Projekt Oekonux arbeitet seit Juli '99 an der Frage, ob und inwieweit die
Prinzipien Freier Software-Entwicklung - Verwertungsfreiheit, individuelle
Selbstentfaltung, kollektive Selbstorganisation und globale Vernetzung - als
Grundlage für eine neue, Freie Gesellschaft dienen können".
Also, die Utopisten verirren sich nicht ganz so beliebig auf die Oekonux-Seiten
und meiner Reaktion geht mehr voraus, als nur die aktuellen Threads zum
Thema. Das nochmal zur Motivation meiner Bedenken und meiner prinzipiellen
Mail, die ich in Pox gesendet hatte - ohne nun gleich so einen großen Thread
damit auslösen zu wollen.
Aber wurscht jetzt. Ich hatte ja gar nicht vor, "auszusteigen" - es ging mir nur
um die Form des Mitmachens, die ich eher "hinter den Kulissen" halten wollte.
Zu Stefan Mz. noch kurz:
Du hast geschrieben:
dafür nicht schlecht aus: Die "Keimformanhänger" (zu denen ich mich
zähle) sind da eher in einer kleinen Minderheit.
Das ist richtig und ich bin ja nach wie vor auch offen für das, was da passieren
wird auf der Konferenz.
Und dann sagtest du noch:
Ich bin auch kein Fan von Utopien, obwohl mir klar ist, dass ich
durch meine Beiträge auch mit eine Projektionsfläche für genau das
schaffe (es gibt aber auch andere Beiträge, die gar vom "Kommunismus"
sprechen;-)). I
Über diesen kleinen Seitenhieb musste ich natürlich schmunzeln, aber dazu
würde ich sehr gerne das ein oder andere (verteidigend - da ich das mit dem
Kommunismus überhaupt nicht in einem utopischen Sinne verstanden haben
möchte) sagen - aber das machen wir dann auf der Konferenz. "Wenn wir Zeit
finden", hast Du gesagt - ich glaube, auf diese Debatte werden wir in allen
möglichen Workshops und Vorträgen fast zwangsläufig stossen. Soviel dann
auch zu Bennis Bemerkung, wo wir dies unterbringen könnten.
So, das wars nun zu diesem Thread. Nun wieder weiter zur Organisation, okay?
Liebe Grüße
Sabine
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Web-Site: http://www.oekonux.de/
Organisation: projekt oekonux.de