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Re: [ox] Re: Kooperation



Hi Benni, Stefan, alle!

Ich klinke mich hier mal kurz in den sehr spannenden Thread ein.

3 days ago Benni Baermann wrote:
On Wed, May 09, 2001 at 12:39:23PM [PHONE NUMBER REMOVED], Stefan Meretz wrote:
Ich sehe es umgekehrt: Das alienistische Programm ist eine
Implementierung der Verwertungslogik. Und dann gibt's da noch andere
ugly things, die auch ihre Rolle im Spiel haben (Kirchen, Unis
etc.), obwohl sie selbst nicht direkt nach Verwertungslogik
funktionieren (Kirchen? Warum bedauern sie die Austritte? Könnten
doch froh sein, die Ungläubigen los zu sein! - Ja, die Kohle.).

Mir _klingt_ das zu sehr nach Hauptwiderspruch.

[Der Zusammenhang war die Herrschaft, die auch in anderen Gebieten
ausgeübt wird.]

Das ist vor allem eine Frage, wie du die Welt betrachtest. StefanMz
betrachtet sie mehr aus der kybernetischen Maschine und du - und noch
stärker wohl Christoph Spehr - betrachten wohl mehr den
Herrschaftsaspekt. Ich neige dazu, breit verstehen zu wollen, warum
Menschen tun, was sie tun, und eher Möglichkeiten der Veränderung
ihrer Bedingungen zu erforschen - was einige hier ja tun.

Das sind sicher Dinge aus den persönlichen Vergangenheiten, die
unterschiedliche Weltsichten zur Folge haben. Weitere, die hier öfter
mal kommen sind z.B. eine Sicht von den wenig/nicht industrialisierten
Weltregionen her oder von der Ökologie. Alle diese unterschiedlichen
Weltsichten sind parallel richtig - finde ich. Alle können einen
wichtigen Beitrag zum Gesamtbild leisten und tun es auch. Auch hier
also Befruchtung durch Non-Exklusivität/Inklusivität.

IMHO kann es nicht darum gehen, Handlungen (v.a. anderer) als gut
oder böse oder sonstwas zu beurteilen. Es geht für mich darum, sie
zu verstehen, weil ihre subjektiven Begründungen potenziell auch
meine Gründe sein können. Darüber sollten wir uns unterhalten: Was
haben wir für Gründe bestimmte Dinge mitzumachen, bei anderen aber
zu widerstehen?

Wichtige Frage, die auch mit unseren je persönlichen Geschichten
zusammenhängt. Mit bestimmten Erfahrungen was geht und was nicht, was
gut getan hat und was weh.

Deswegen finde ich es so wichtig, daß viele hier auf der Liste und
auch auf der Konferenz andere, neue, positive Erfahrungen machen
können und wir so auch rekursiv (im informatischen Sinne) unsere
Weltsicht verändern können.

Eine Frage bzgl. Freier Software wäre vielleicht, was das für Leute
sind, die Freie Software schreiben und wie sind sie dahingekommen.
Mein Eindruck ist, daß es da keinen gemeinsamen Nenner außer
Abwesenheit von heftiger Profitorientierung gibt (sonst würden sie
*nichts* kostenlos abgeben). Heute gibt's aber auch eine Bewegung, in
die sich einzuklinken für manche auch ein Grund sein mag. Ich sag' mal
dieses Gefühl Teil eines größeren Ganzen zu sein, hinter dem sie zur
Abwechslung auch mit gutem Gewissen stehen kann.

Eine andere Frage wäre, inwiefern Freie Software die Erfahrung von
Menschen verändert. Dieses kostenlos-und-trotzdem-gut-Ding ist dabei
sicher für viele ein ganz wichtiger Punkt, der ihre Erfahrung so
heftig erweitert, daß sie anfangen neugierig zu werden.

Ja. Völlig korrekt. Aber irgendwann muss man sich auch entscheiden
und das ist keine beliebige Entscheidung.

Aber eine begründete. Andere Gründe müssen her!

Du schreibst, das Du diese Wörter nicht magst, aber letzten Endes
geht es doch genau darum: Rauszufinden, wie man handeln _soll_. Das
ist eine ganz altmodisch moralisch normative Frage. Und da geht es
eben auch um Personen.

Wieso soll? Du sollst gar nix. Die Frage ist doch warum willst Du
wie handeln? Das bedeutet statt normativem Diskurs, der immer
ausgrenzend ist, ein einschliessender Gründediskurs. Wäre meine Idee
dazu.

Ja, solange man _diskutiert_ kann man das so handhaben. Irgendwann
kommt es aber zu Handlungen und dann braucht man auch ein "soll".

Oder halt ein "will". Ich vertraue da auf die Verantwortung von
Menschen, die kein "soll" brauchen (modulo Entlastungsfunktion),
sondern die sich in Kenntnis der Situation für ein "will" entscheiden.

Aber es reicht eben auch
nicht aus, nur die guten Gründe des Arschlochs zu verstehen und ihn
ansonsten Arschloch sein zu lassen.

Für was reicht es nicht aus? Diese Frage scheint mir hier nicht
vernachlässigbar.

Wenn die ArchlöchIn dich nicht tangiert, dann reicht es definitiv aus.

Wenn die ArchlöchIn dich dagegen tangiert, dann bist du auf einer
anderen Ebene. Dann geht es nämlich darum deine Interessen (gegen sie)
durchzusetzen. Ob sie dann eine ArchlöchIn ist oder nicht, ist dabei
nur noch eine taktische Frage.

Ich denke schon, daß die Frage ArchlöchIn oder nicht wirklich relevant
nur in der Frage persönlicher Sympathien ist.

Wenn man nur analysiert landet man irgendwann im Elfenbeinturm.

Das war doch gerade der Witz worum es in "Reibung erzeugt Wärme"
ging. Theorie und Praxis sind gegenseitig aufeinander angewiesen.
Praxis ist aber immer normativ (oder?) und dazu muss die Theorie
sich irgendwie verhalten.

Also Theorie hat auch ihre normativen Anteile, die sich dann
gewöhnlich wohl Ideologie nennen. Das sehen wir ja in unserem Laden
hier schon, daß die Gedanken, die hier entwickelt werden, für den
einen oder die andere mittlerweile zunehmend normativ werden.


						Mit Freien Grüßen

						Stefan


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Organisation: projekt oekonux.de


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