[ox] GPL im Architekturbereich
- From: "Jens Wilke" <jens wilke.org>
- Date: Sun, 20 May 2001 18:58:34 +0200
Hallo,
ich bin Landschaftsarchitekt und habe mir ein paar Gedanken zur
Übertragbarkeit der GPL auf Planungsprozesse im
Architekturbereich gemacht.
Für mich stehen noch einige Fragen im Raum, die ich gerne
diskutieren würde. Auf der Website habe ich diesbezüglich keine
endgültigen Antworten gefunden.
Ich versuche, mich so auszudrücken, daß mich nicht nur
PlanerInnen verstehen. Bei Unklarheiten fragt bitte nochmal nach.
Lanschaftsarchitekten planen u.a. Freianlagen, "frei" im Sinne von
unbebaut. Auftraggeber sind Kommunen (Städte, Gemeinden... ;),
Firmen oder Privatpersonen.
Im Planungsprozeß wird aus einer Zahl Ideen und Vorentwürfe ein
Entwurf ausgearbeitet, der realisiert werden soll.
Für diesen Entwurf werden technische Ausführungspläne erstellt,
die die Lage und die Details der einzelnen Elemente darstellen.
Sofern es die Honorarordnung für Architekten und Ingenieure, die
für diese Berufsgruppen verbindlich ist, zulässt, könnte ein Entwurf
unter der GPL veröffentlicht werden.
Nur, was hat die Menschheit davon, wenn ein Entwurf, der auf eine
spezifische Situation (Form und Größe des Grundstücks, Bestand,
Nutzungsansprüche, Exposition, Bodenverhältnisse u.a.) unter der
GPL veröffentlicht wird?
Eine zweite Fläche zu finden, auf der dieser Entwurf _sinnvoll_ so
oder ähnlich realisiert werden könnte wäre ziemlich
unwahrscheinlich.
Was sich eher übertragen liesse, sind Detaillösungen, z.B.
Holzverbindungen oder auch eine ganze Pergola.
Viele Details stehen aber gar nicht unter einem Copyright, da sie
dem Stand der Technik entsprechen und seit Jahren gängige
Praxis sind. Hier könnte höchstens die Zeichnung an sich, nicht
aber ihr Inhalt unter der GPL verbreitet werden, z.B. in Form einer
Datenbank mit dxf-Dateien.
Es gibt noch einen weiteren Grund, warum die Gesamtplanung
nicht unter der GPL veröffentlicht werden sollte.
Die freie Verfügbarkeit könnte nämlich dazu führen, daß ein
Entwurf unreflektiert an anderer Stelle unter ungeeigneten
Bedingungen realisiert würde und dadurch z.B. Pflanzen eingehen
('ausfallen'). Das fiele dann zunächst auf denjenigen zurück, der die
Planung gemacht hat, möglicherweise mit weitreichenden
Konsequenzen. (Ansehensverlust usw.)
Bleibt festzustellen, daß die GPL insbesondere für Detailplanungen
in Frage käme. D.h., Details wären frei verfügbar und könnten, und
das ist vielleicht mit dem Zusammenstellen einer Linux-Distribution
vergleichbar, als Dienstleistung von professioneller Seite aus zu
einem Projekt zusammengestellt werden.
Über 3D-Gartenplaner, denen die Funktion von YAST & Co zufällt,
lasse ich mich hier nicht aus. Die sind unbrauchbar.
Aber gerade die Verbreitung von Details lässt sich schwer
kontrollieren.
Es ist kaum nachvollziehbar, wo überall eigene Zeichnungen
eingesetzt wurden und ob sie auch unter der GPL weitergegeben
werden, es ist ohnehin üblich, Ideen von anderen Projekten zu
"klauen". Da fragt niemand nach dem Copyright.
Die Arbeit von Landschaftsarchitekten besteht nicht nur aus dem
Zusammenstellen von Details, der umgekehrte Weg ist der
Richtige: aus einer Idee wird ein Gesamtkonzept, das wiederum
dann immer weiter verfeinert, d.h. detailliert wird.
Die Arbeit der Detailplanung entspricht also weniger als 50% der
Planung.
Der Rest ist individuelle, auf ein einziges Projekt bezogene Arbeit.
Programmierer, so steht es in den zahlreichen Quellen, schreiben
GPL-Software, z.B. weil sie für sich persönlich bessere Software
haben wollen, oder weil sie als Studenten nichts besseres mit ihrer
Zeit anzufangen wissen :)
EinE LandschaftsarchitektIn plant für sich selbst aber nur die
wenigsten Gärten.
Woher soll dann in einer freien Gesellschaft die Motivation
kommen, fast überwiegend für andere zu arbeiten? Wovon ernährt
sie sich, insbesondere *auf dem Weg* in die freie Gesellschaft?
Oder will eine freie Gesellschaft gar keine PlanerInnen, die Ihren
Lebensraum gestalten?
Tun das die Menschen selbst? Bin ich wertlos? ;) Oder dürfen wir
uns ganz der verantwortungsvollen Tätigkeit der Moderation
widmen, und den Planungsprozess professionell begleiten?
Wo wir schonmal am philosophieren sind: verbietet sich mir als
selbstbestimmt arbeiten wollendem Menschen nicht die Annahme
eines Auftrags der öffnetlichen Hand des Systems?
So das sind erstmal ein paar Fragen, über die ich mich gerne -
auch mit nicht-ArchitektInnen - austauschen wuerde.
Schoene Gruesse,
Jens Wilke
________________________________
Web-Site: http://www.oekonux.de/
Organisation: projekt oekonux.de