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[ox] GPL im Architekturbereich



Hallo,

ich bin Landschaftsarchitekt und habe mir ein paar Gedanken zur 
Übertragbarkeit der GPL auf  Planungsprozesse im 
Architekturbereich gemacht.
Für mich stehen noch einige Fragen im Raum, die ich gerne 
diskutieren würde. Auf der Website habe ich diesbezüglich keine 
endgültigen Antworten gefunden.
Ich versuche, mich so auszudrücken, daß mich nicht nur 
PlanerInnen verstehen. Bei Unklarheiten fragt bitte nochmal nach.

Lanschaftsarchitekten planen u.a. Freianlagen, "frei" im Sinne von 
unbebaut. Auftraggeber sind Kommunen (Städte, Gemeinden... ;), 
Firmen oder Privatpersonen.
Im Planungsprozeß wird aus einer Zahl Ideen und Vorentwürfe ein 
Entwurf ausgearbeitet, der realisiert werden soll.
Für diesen Entwurf werden technische Ausführungspläne erstellt, 
die die Lage und die Details der einzelnen Elemente darstellen.

Sofern es die Honorarordnung für Architekten und Ingenieure, die 
für diese Berufsgruppen verbindlich ist, zulässt, könnte ein Entwurf 
unter der GPL veröffentlicht werden.
Nur, was hat die Menschheit davon, wenn ein Entwurf, der auf eine 
spezifische Situation (Form und Größe des Grundstücks, Bestand, 
Nutzungsansprüche, Exposition, Bodenverhältnisse u.a.) unter der 
GPL veröffentlicht wird?
Eine zweite Fläche zu finden, auf der dieser Entwurf _sinnvoll_ so 
oder ähnlich realisiert werden könnte wäre ziemlich 
unwahrscheinlich. 
Was sich eher übertragen liesse, sind Detaillösungen, z.B. 
Holzverbindungen oder auch eine ganze Pergola.
Viele Details stehen aber gar nicht unter einem Copyright, da sie 
dem Stand der Technik entsprechen und seit Jahren gängige 
Praxis sind. Hier könnte höchstens die Zeichnung an sich, nicht 
aber ihr Inhalt unter der GPL verbreitet werden, z.B. in Form einer 
Datenbank mit dxf-Dateien.

Es gibt noch einen weiteren Grund, warum die Gesamtplanung 
nicht unter der GPL veröffentlicht werden sollte.
Die freie Verfügbarkeit könnte nämlich dazu führen, daß ein 
Entwurf unreflektiert an anderer Stelle unter ungeeigneten 
Bedingungen realisiert würde und dadurch z.B. Pflanzen eingehen 
('ausfallen'). Das fiele dann zunächst auf denjenigen zurück, der die 
Planung gemacht hat, möglicherweise mit weitreichenden 
Konsequenzen. (Ansehensverlust usw.)

Bleibt festzustellen, daß die GPL insbesondere für Detailplanungen 
in Frage käme. D.h., Details wären frei verfügbar und könnten, und 
das ist vielleicht mit dem Zusammenstellen einer Linux-Distribution 
vergleichbar, als Dienstleistung von professioneller Seite aus zu 
einem Projekt zusammengestellt werden.
Über 3D-Gartenplaner, denen die Funktion von YAST & Co zufällt, 
lasse ich mich hier nicht aus. Die sind unbrauchbar.
Aber gerade die Verbreitung von Details lässt sich schwer 
kontrollieren.
Es ist kaum nachvollziehbar, wo überall eigene Zeichnungen 
eingesetzt wurden und ob sie auch unter der GPL weitergegeben 
werden, es ist ohnehin üblich, Ideen von anderen Projekten zu 
"klauen". Da fragt niemand nach dem Copyright.

Die Arbeit von Landschaftsarchitekten besteht nicht nur aus dem 
Zusammenstellen von Details, der umgekehrte Weg ist der 
Richtige: aus einer Idee wird ein Gesamtkonzept, das wiederum 
dann immer weiter verfeinert, d.h. detailliert wird.
Die Arbeit der Detailplanung entspricht also weniger als 50% der 
Planung.
Der Rest ist individuelle, auf ein einziges Projekt bezogene Arbeit.

Programmierer, so steht es in den zahlreichen Quellen, schreiben 
GPL-Software, z.B. weil sie für sich persönlich bessere Software 
haben wollen, oder weil sie als Studenten nichts besseres mit ihrer 
Zeit anzufangen wissen :)
EinE LandschaftsarchitektIn plant für sich selbst aber nur die 
wenigsten Gärten.
Woher soll dann in einer freien Gesellschaft die Motivation 
kommen, fast überwiegend für andere zu arbeiten? Wovon ernährt 
sie sich, insbesondere *auf dem Weg* in die freie Gesellschaft?

Oder will eine freie Gesellschaft gar keine PlanerInnen, die Ihren 
Lebensraum gestalten?
Tun das die Menschen selbst? Bin ich wertlos? ;) Oder dürfen wir 
uns ganz der verantwortungsvollen Tätigkeit der Moderation 
widmen, und den Planungsprozess professionell  begleiten? 
Wo wir schonmal am philosophieren sind: verbietet sich mir als 
selbstbestimmt arbeiten wollendem Menschen nicht die Annahme 
eines Auftrags der öffnetlichen Hand des Systems?

So das sind erstmal ein paar Fragen, über die ich mich gerne - 
auch mit nicht-ArchitektInnen  - austauschen wuerde.

Schoene Gruesse, 

Jens Wilke



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