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Re: [ox] Re: Kooperation 2



am 17.05.2001 9:30 Uhr schrieb Stefan Meretz unter stefan.meretz hbv.org:


Ciao Stefan,
hier nun zum zweiten Teil Deiner Anmerkungen. die Diskussion ist ja
inzwischen fortgeschritten, ich konzentriere mich auf einen Aspekt.

Der Witz der Freie Software ist nun, dass sie - so sie ihren wertfreien
Kern bewahrt - eine Idee einer anderen Vergesellschaftung gibt. Das
Prinzip dieser anderen Vergesellschaftung ist ziemlich einfach: Ich
setze mit meinem individuellem Interesse gleichzeitig die
Allgemeininteressen durch. Das geht deswegen, weil strukturell es eben
genau umgekehrt zur Verwertungslogik läuft: Wenn die anderen sich
entfalten - und coole Software und Zeugs drumherum produzieren - ist das
genau in meinem Interesse, denn ich kann deren Produkte ja nutzen. Statt
Knappheits- ein Reichtumsparadigma. Damit sind viele Handlungen
entlastet: Von meinem Tun hängt nicht mehr meine Durchsetzung ab, das
heisst, ich handle nicht mehr (sachlich) gezwungen, sondern nach meinem
Gusto - anders geht Selbstentfaltung auch nicht. Ich kann entspannt im
Besten Sinne "tun und lassen, was ich will" - und das ist tendenziell ok
für alle.

Die Voraussetzung dafür, daß es funktioniert ist allgemeine Kompetenz. Weil
ich weis worum es geht, weil ich weis was die anderen machen, weis ich auch,
daß sie niemals gegen mein Interesse handeln. Wir ziehen an einem Strang,
arbeiten an einem Projekt, so ist das Heute ja partitiell schon in der
Teamarbeit verwirklicht -natürlich unter insgesamt entfremdeten Bedingungen,
aber daß eine Selbstorganisation überhaupt möglich ist, setzt voraus, daß
die Teammitglieder über die Erfordernisse des Arbeitsprozesses ungefähr
Bescheid wissen. Nun geht das innerhalb einer Automobilfabrik und innerhalb
der freien Softwareszene, was ist aber, wenn die Automobilisten software
benötigen und die FSler Autos? Wie geht da der Austausch vonstatten; ist es
realistisch anzunehmen, daß das Grundvertrauen von dem Du sprichst
sich auch auf die Bereiche des Nichtwissens, des Nichteinschätzenkönnens
erstrecken wird? Nun heißt es zwar, daß diejenigen selig seien, die glauben
ohne zu sehen, doch schiene mir das als Beschreibung einer abstrakten
Vermittlungsform doch etwas mager.
Sosehr ich Dir zustimme in der Hinsicht, daß man nicht aus dem heutigen
allgemeinen Fetischbewußtsein heraus eine zukünftige Gesellschaft
konstruieren kann, so interessiert mich doch auch die Frage, wie wir uns aus
dem heutigen Zustand heraus bewegen. Und da sieht es doch so aus, als wenn
das Vertrauen gerade daraus erwächst, DASS wir eben sehen. Je
unübersichtlicher die Verhältnisse werden -und das wird auch in einer freien
Gesellschaft so sein-, umso mehr bedürfte es doch eines sehr formalen,
sehr abstrakten Mediums, daß auch diese Größen fassen kann. Und da stehen
wir natürlich wieder vor dem gleichen Problem, wie bei dem allgemeinen
Äquivalent. 
Den ?dynamischen Kern³ einer neuen Vergesellschaftungsform hast Du als
Vertrauen beschrieben. Das ist beim Geld im Prinzip auch so. Das zeigt sich
deutlich bei Wirtschaftskrisen, wo die Papiere plötzlich nichts mehr wert
sind. Nur daß beim Geld daß Vertrauen sich auf ein uneinklagbares Recht auf
äquivalente Leistung unabhängig von seiner sozialen Funktion bezieht. Das
Vertrauen das Du beschreibst, geht dagegen mehr in die Richtung, daß das
soziale Interesse, oder das Interesse an der Sozialität irgendwie quasi
automatisch miteinbezogen ist. Habe ich mich deutlich genug ausgedrückt? Ich
weis, daß ich quasi von Dir Unmögliches verlange, nämlich ein System
wertfreier Vermittlung aus dem Zustand allgemeiner Gültigkeit des
Wertgesetzes zu beschreiben. Andererseits denke ich, daß ein solches System
schon längst existieren müsste, wenn es denn einmal geschichtsmächtig werden
sollte (egal ob dieser Gedanke jetzt HISTOMAT ist, oder nicht, ich stehe
dazu). Ähnlich wie das Geld ja auch schon in vorkapitalistischen Zeiten eine
-allerdings marginale- Rolle gespielt hat.

Johannes

JohSt



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