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Re: [ox] Re: Kooperation 2



Hi Liste!

Na, das ist ja wiedermal ein Highlight-Thread :-) - dessen
Verästelungen ich noch nicht gelesen habe :-( .

Zu dem Punkt mit dem Vertrauen fällt mir was ein.

3 weeks (22 days) ago Johannes Stockmeier wrote:
^^^^^^^

Hoch lebe die Langsamkeit ;-) !

am 17.05.2001 9:30 Uhr schrieb Stefan Meretz unter stefan.meretz hbv.org:
Der Witz der Freie Software ist nun, dass sie - so sie ihren wertfreien
Kern bewahrt - eine Idee einer anderen Vergesellschaftung gibt. Das
Prinzip dieser anderen Vergesellschaftung ist ziemlich einfach: Ich
setze mit meinem individuellem Interesse gleichzeitig die
Allgemeininteressen durch. Das geht deswegen, weil strukturell es eben
genau umgekehrt zur Verwertungslogik läuft: Wenn die anderen sich
entfalten - und coole Software und Zeugs drumherum produzieren - ist das
genau in meinem Interesse, denn ich kann deren Produkte ja nutzen. Statt
Knappheits- ein Reichtumsparadigma. Damit sind viele Handlungen
entlastet: Von meinem Tun hängt nicht mehr meine Durchsetzung ab, das
heisst, ich handle nicht mehr (sachlich) gezwungen, sondern nach meinem
Gusto - anders geht Selbstentfaltung auch nicht. Ich kann entspannt im
Besten Sinne "tun und lassen, was ich will" - und das ist tendenziell ok
für alle.

Die Voraussetzung dafür, daß es funktioniert ist allgemeine Kompetenz. Weil
ich weis worum es geht, weil ich weis was die anderen machen, weis ich auch,
daß sie niemals gegen mein Interesse handeln. Wir ziehen an einem Strang,
arbeiten an einem Projekt, so ist das Heute ja partitiell schon in der
Teamarbeit verwirklicht -natürlich unter insgesamt entfremdeten Bedingungen,
aber daß eine Selbstorganisation überhaupt möglich ist, setzt voraus, daß
die Teammitglieder über die Erfordernisse des Arbeitsprozesses ungefähr
Bescheid wissen.

Nee, nee. Es ist nicht die allgemeine Kompetenz und das
allkontrollierende Individuzum, sondern ein Vertrauen in eine
bestimmte Kultur und insbesondere deren Stabilität...

Sosehr ich Dir zustimme in der Hinsicht, daß man nicht aus dem heutigen
allgemeinen Fetischbewußtsein heraus eine zukünftige Gesellschaft
konstruieren kann, so interessiert mich doch auch die Frage, wie wir uns aus
dem heutigen Zustand heraus bewegen. Und da sieht es doch so aus, als wenn
das Vertrauen gerade daraus erwächst, DASS wir eben sehen.

...und in der Tat ist so eine Kultur dann auch zu sehen. Ich kann hier
auch mit einem kleinen, aber sehr konkreten Beispiel aufwarten. Vor
ein paar Wochen habe ich mal meine DAT-Tapes (als Massenspeicher für
Computer) gesichtet und da vielen mir mal wieder Tapes in die Hände,
die ich vor ca. fünf Jahren gezogen hatte. Damals hatte ich mir einen
Abzug großer Teiles eines FTP-Servers gemacht, um die Freie Software,
die dort lagerte permanent greifbar zu haben - einfach mal so auf
Halde. Das war damals ein vernünftiges Vorgehen.

So etwas würde mir aber heute nicht mehr einfallen - heute hole ich
höchstens das, was ich konkret brauche. Da ist bei mir ganz konkret
ein Vertrauen gewachsen, daß diese Freie Software nicht mehr
verschwinden wird. Daß sie für mich quasi jederzeit verfügbar bleibt.
Hört sich klein an, ist es aber nicht, weil hier eine Entwicklung zu
sehen ist, auf die - in diesem Falle: - ich vertrauen kann.

Dieser Art sind m.E. die Vertrauenseffekte, um die es da geht.

Oder nimm' diese Liste hier. Wir alle - vermute ich mal - vertrauen
mittlerweile darauf, daß der soziale Raum, den wir uns hier gestalten,
so ist, wie er ist: offen, suchend, erkenntnisorientiert, aber dabei
auch nicht emotionslos. Wir vertrauen darauf aus konkreten Erfahrungen
und aus der Beobachtung bestimmter Ereignisse, die hier stattfinden -
z.B. wie mit Störungen umgegangen wird, wie die Umgangsformen ist,
etc. Gleichzeitig fügen sich die meisten hier (freiwillig) in das so
entstehende implizite und auch dynamische Regelsystem ein.

In diesem Kontext bestimmt sich übrigens auch das Verhältnis von
Einzelner zur Gruppe. Alle können sich "irgendwie" einbringen - ob es
"Erfolg" hat hängt von vielen Faktoren ab - u.a. sicher davon, wie
sehr sich eine Intervention am ungeschriebenen Regelsystem orientiert.
Wir bauen uns hier beim Gehen den Weg - übrigens etwas, was mir aus
den (wenigen) Kontakten mit der anglo-amerikanischen Kultur sehr viel
vertrauter ist, als aus deutsch geprägtem Denken. Aber ich schweife
ab.

Anyway hoffe ich, daß ich verdeutlichen konnte, wie m.E. Vertrauen
entstehen muß.

Den ?dynamischen Kern³ einer neuen Vergesellschaftungsform hast Du als
Vertrauen beschrieben. Das ist beim Geld im Prinzip auch so.

Ist es auch. Das Vertrauen in eine Währung - und im Extremfall sogar
in das Geldsystem insgesamt - ist ja sogar bei den bürgerlichen
ÖkonomInnen ein Thema.

Das zeigt sich
deutlich bei Wirtschaftskrisen, wo die Papiere plötzlich nichts mehr wert
sind. Nur daß beim Geld daß Vertrauen sich auf ein uneinklagbares Recht auf
äquivalente Leistung unabhängig von seiner sozialen Funktion bezieht.

Das Vertrauen auf unser heutiges Geld kann letztlich nur auf dem
Vertrauen in den ausgebenden Staat und dessen (Gewalt)möglichkeiten
beruhen. Nur wenn der ausgebende

Das
Vertrauen das Du beschreibst, geht dagegen mehr in die Richtung, daß das
soziale Interesse, oder das Interesse an der Sozialität irgendwie quasi
automatisch miteinbezogen ist.

Vertrauen basiert m.E. weniger auf irgendwelchen abstrakten
Überlegungen sondern auf konkreten Erfahrungen - jedenfalls ist das im
Zweifelsfall auch die gesündere Alternative. Die müssen stimmen - und
das tun sie bei der Freien Software.


						Mit Freien Grüßen

						Stefan
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