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Re: [ox] GPL und OpenSource



On Sat, Jul 07, 2001 at 10:45:23AM [PHONE NUMBER REMOVED], thomas co-buero.de wrote:
Casimir schrieb:
Die GPL "verknappt also direkt Wissen" weil sie dessen Einsatz
in Verknappungsgebieten verbietet.

Ja, so sehe ich das bisher. Mir scheint, daß sich dies auch mit der
Diskussion über den Einsatz von LGPL und GPL bei GNU belegen läßt.

Zumindest das Wort "direkt"
kann ich in diesem Zusammenhang nicht teilen. Denn das hieße,
ich würde es für _natürlich_ halten, daß Wissen knapp ist.

Ich verstehe dich nicht. "direkt" benutzte ich im Sinne von
unmittelbar, d.h. nicht als Seiteneffekt.

GPL verknappt aber nicht Wissen schlechthin, sondern knappes 
Wissen, also Wissen, welches durch die Besitz- bzw. Produktions-
Verhältnisse knapp ist. Das heißt, Wissen, das wegen proprietärer 
Lizenz knapp ist, ist durch diese Verhältnisse _vermitteltes_
Wissen. Da die GPL also nur (derart) vermittteltes Wissen
verknappt, ist es falsch, von "direkter" oder "unmittelbarer"
künstlicher Verknappung zu sprechen.

Übrigens ist für mich der Ausdruck "künstliche Verknappung" sehr
ideologisch, was vielleicht erklärt, warum ich mich
gezwungen gesehen habe, gegen die m.E. damit unterstützte
Ideologie zu argumentieren.

Es gibt unter der Sonne kein Denken ohne Ideologie.


Man könnte in Analogie dagegen wettern, daß der Rat der Tiere
beschließt, die Umzäunung der ihm noch zur Verfügung stehenden
Wiesen zu verbieten. Das bedeutet natürlich aus Sicht der
Einheger eine Verknappung der Umzäunungspotenzen.

Nein. Das ist eine nicht zutreffende Analogie.
Dadurch, dass ich OpenSource Software benutze wird sie nicht mehr knapp.

Aber dadurch, daß Microsoft offene Standards absichtlich verletzt
und diese Verletzung Millionen von Kunden aufdrückt, dadurch wird
die allgemeine Benutzbarkeit von OpenSourc-SW knapp (weil die
Kommunikationsmöglichkeiten durch vorsätzlich erzeugte
Inkompatibilität eingeschränkt werden).

Außerdem ist es nicht undenkbar, daß die Möglichkeiten der
Entwicklung von OpenSource-SW durchaus auch dadurch eingeschränkt
sind, daß irgendein Proprietary-SW-Entwickler sagt, er habe aber
auf das, was ein OpenSource-Projekt machen will, schon irgendein
Recht angemeldet und das FS-Entwicklerteam ersteinmal fix von der
Bildfläche klagt. Kann das nicht sogar soweit gehen, wie bei der
Anmeldung von Domain-Namen mit dem alleinigen Zwecke des
meistbietenden Verkaufs? (Die Frage nach SW-Patenten ist ja nicht
von irgendwelchen Theoretikern erfunden worden, sondern bringt
knallharte materielle Interessen zum Ausdruck.)

Solange die Einschränkung der Benutzbarkeit von SW
gewinnbringend ist, und solange Gewinn als erstrebenswert gilt,
solange werden Mittel und Wege gefunden werden, die
Einschränkungen auszuweiten. Und die Ausweitung der
Einschränkungen geht nun mal nur auf Kosten des
uneingeschränkten. Deswegen hilft es nicht zu sagen, man könne
OpenSource ja nicht verbieten. Man kann offene Sourcen nämlich
trotzdem verknappen, indem ihre Einsatzmöglichkeiten verknappt
werden usw.

Zu diskutieren wäre, ob die politische Handlung, d.h. extrapolation der
Seiteneffekte auf die Zukunft, denn nützlich oder nicht so nützlich gegenüber
gesteckten Zielen ist.


Ich würde das so formulieren: Zu diskutieren wäre, ob die
Einschränkung des Heute für das Eintreten des Morgen nützlich ist
oder nicht. Da das Heute zum großen Teil rechtliche Formen
angenommen hat, wird auch die Negation des Heute, also das
Eintreten des Morgen, rechtliche Formen annehmen müssen. Das
liegt im Charakter der Negation, nicht im Charakter des Morgen
und sagt deshalb über das Morgen nicht so viel aus, wie über das
Heute.

Wichtig ist, daß es sich hier nicht einmal um eine aktuelle
Verknappung handelt, sondern nur um die Verhinderung bestimmter
Gebrauchsformen, genauer: Mißbrauchsformen.

Ich wollte herausstellen, dass es im Gegenteil bei der GPL um eine
eine aktuelle Verknappung erzwingende Lizenz,
mit der Absicht (d.h. gewünschter Wirkung) andere am Verknappen zu hindern,
handelt. Eine Analoge, die das Berücksichtigt, würde ich eher
zur Erziehung ziehen, wo oft Erwachsene dem Kind etwas vorschreiben wollen,
um eine beabsichtigte Wirkung zu erzielen. 
Kurz nochmal: GPL ist erzieherisch.

Das ist zwar in meinen Augen nicht ganz unrichtig, ist aber
erstens durchaus sehr ideologisch und zweitens verharmlosend
formuliert.  Denn es geht sehr wohl um ein konkretes Verbot: das
Verbot neue Zäune zu errichten. Und das hat nicht nur
erzieherische Wirkung, sondern es hat (insoweit es praxisrelevant
ist) durchaus realitätsgestaltende Wirkung. Genauso wie der
Verzicht auf ein solches Verbot realitätsgestaltende Wirkung hat:
wozu gibt es sonst überhaupt Rechtsvorschriften?
 
Für die Gefangenen der umzäunten Wiesen bedeutet dies allerdings
eine Verdüsterung ihrer expansiven Aussichten. Aber Verknappung
kann man dies wohl kaum nennen, wenn man sich nicht auf ihre
Seite stellen möchte.

Das hört sich ein wenig nach Krieg an.

Wenn Du eine proprietäre Lizenz liest, dann weißt Du, wo dieser
"Krieg" angefangen hat und welchen Charakter er auf welcher Seite
hat.

Dennoch würde ich von solchen Wörtern in diesem Zusammenhang
lieber absehen, um nicht das, was Krieg wirklich bedeutet, zu
verharmlosen. Aber ein unüberbrückbarer Konflikt liegt hier
durchaus vor.

Ebensowenig, wie die Beschränkung der zulässigen
Luftverschmutzung als Verknappung bezeichnet werden kann, da
hier nicht Luft verknappt wird. -- Außer natürlich für die,
die nichts besseres mit ihr vorhaben, als sie zu verschmutzen.

Vielleicht sollten wir klären, was denn unter Verknappung
zu verstehen ist.  Ich hatte das bisher nur für Waren gedacht,
das nichtsein von etwas ist eine Qualität, die vielleicht auch
zur Ware gemacht werden kann, aber das verstehe ich bisher nicht
so richtig.

Kann vielleicht Stefan Meretz hier die  Begriffskärung unterstützen ? 

Würde mich auch freuen. Vielleicht ja noch jemand?
(Ich werd solange weiter drüber nachdenken.)

Knappheit ist also kein objektiver Begriff, sondern ist a
priori Subjekt-bezogen und verrät sehr viel über die Zwecke,
die ein Subjekt verfolgt. Ob es sie aus eigenem Interesse
verfolgt oder gezwungenermaßen, daß hat auf den ideologischen
Gehalt der Verwendung von "Knappheit" keinen Einfluß.

Ich habe nicht über Knappheit gesprochen, sondern um künstliche_Verknappung.
Ich habe nicht definiert, was ich darunter verstehen will, sorry.

Ja, wie schon gesagt, wenn Knappheit nicht ideologiefrei ist,
dann ist es "künstliche Verknappung" erst recht nicht. 
Dennoch:
Vielleicht können wir dies zusammen nachholen.
(ich dachte das machen wir gerade... :-)
Ich würde vorschlagen, dies auch nur für den beschränkten Bezug im
Rahmen von Wissen, Information, Algorithmus etc zu tun.

 
Die Frage ist also auch noch vergleichbar mit der berühmten
Frage danach, ob ein Selbstverteidiger wohl ein gewaltsamer
Mann sei. Da man Gewalt nicht ohne Gewalt abwehren kann,
ist es ein leichtes, ihn der Gewalttätigkeit zu bezichtigen.
Das einzige Problem ist, daß man damit die wahren Verhältnisse
umgekehrt. Ebenso werden in der These, die GPL verknappe das
Wissen, die Verhältnisse pervertiert. Denn was sie verknappt,
das ist die Ausweitung der Knappheit von Wissen, also die
Verknappung von Wissen. So wie die Gegengewalt die Ausweitung
der Gewalt "gewaltsam"(?!) verhindert.

Es scheint mir, dass du Begriffen auch gleich eine moralische
Dimension zuzuordnen gewöhnt bist. 

Ich bin es nicht gewöhnt, die moralische Dimension dessen, was
ich tue, denke, sage usw. zu verheimlichen. Auch nicht die
politische und ideologische Dimension.

Ich möchte überhaupt nicht
moralisch argumentieren. 

Du kannst es aber nicht verhindern. Selbst Gott hat moralisch
gehandelt, als er A.&E. aus dem Paradies vertrieben hat (mit
Argumentieren hat er sich gar nicht erst lange aufgehalten).

In meiner Sicht ist jemand, der
gerade Gewalt einsezt auch gewalttätig. 

Selbst wenn "gewalttätig" für Dich keinen negativen Klang hat,
kannst Du nicht darüber hinwegsehen, daß es diesen Klang aber für
fast alle anderen hat. "Gewalttätig" suggeriert Aggressivität, ob
Du das willst oder nicht, unabhängig von der Etymologie des
Wortes oder der Logik Deines Satzbaus.  Deshalb ist es eine Lüge,
wenn ich dies als Attribut auf jemanden anwende, der Gewalt
abwehrt. Auf solchen (nicht wirklich) subtilen Lügen basiert
Demagogie, die versucht, Menschen mit "der Wirklichkeit" (wie sie
jetzt ist) zu versöhnen und sie zu Knechten der gegenwärtigen
Verhältnisse zu machen. (Ich möchte Dir aber keineswegs
vorwerfen, daß Du Dich dieses Instrumentariums vorsätzlich
bedienst oder so. Sorry, falls das so angekommen sein sollte.)

Ob die Gewalteinsetzung
zweckmäßig ist oder nicht, darüber sollte gestritten werden; aber
erst, nachdem zuvor die zu erstreitenden Ziele kommuniziert wurden.
Ich schlage vor, den Begriff "zweckmäßig" (Im Sinne von Heinrich Jacoby)
anstelle von moralisch gut, pervert, oder ähnlichem zu benutzen.

- ("pervertiert" ist nicht mehr oder weniger moralisch als
   "zweckmäßig" und alle anderen Wörter auch. Ich meinte damit
   "verkehrt" im Sinne von "umgedreht", es war nicht als
   Beschimpfung gemeint.)

- Kannst Du mir die Definition von H.Jacoby zuschicken?

- Die Ausweitung von proprietärer Software zu verhindern scheint
  mit nicht nur ein zweckdienliches Mittel für die Ausweitung der
  Verfügbarkeit freier Software und der Möglichkeiten der
  Entwicklung freier Software im weiteren Sinne), sondern es
  scheint mir geradezu eine notwendige Begleiterscheinung 
  zu sein (so wie das Verschwinden des Heute eine notwendige
  Begleiterscheinung des Eintretens des Morgen ist ;-)

Nochmals: Nachdenken ist für mich nicht bewerten. 

Ist es aber doch.

Irgendetwas
nicht denken zu sollen, das ist reaktionäre Ideologie.

Für mich auch!  Nicht werten zu sollen ist aber genauso
reaktionär. Und die Annahme bzw. Behauptung, es gäbe jemanden,
der über Wertung erhaben sei, ist es auch (siehe oben, zur
Moral).

Ich schlage vor:
* erst denken und (Begriffe) klären.
* dann Ziele und Absichten kommunizieren
* danach eine Wahl treffen im vorher abgesteckten Möglichkeitsraum

Wenn wir nach dem ersten Stadium nicht aufhören sollen zu denken,
dann bin ich durchaus einverstanden ;-)

Und außerdem nur, wenn ich beim Denken nicht meine Ziele und
Absichten verschleiern muß -- oder so tun muß, als hätten alle
anderen keine Ziele und Absichten. Das würde nämlich die Analyse
empfindlich beeinträchtigen.

Was Du jetzt mit Möglichkeitsraum meinst verstehe ich nicht.
Ist der nicht durch die Realität vorgegeben?

Ideologisch ist es meiner Ansicht nach, den Möglichkeitsraum a priori zu
begrenzen.

- Unter GPL bleibt der Programmierer von proprietärer SW von
  der Nutzung ausgeschlossen.

Genau das war mein Argument.

- Unter proprietären Lizensen bleiben fast alle anderen
  Programmierer von proprietärer SW als auch alle anderen
  Programmierer und alle Anwender und Benutzer sowie potentielle
  Interessierte von der Nutzung (bestimmter Aspekte) der SW
  ausgeschlossen (sofern sie nicht bereit sind, sich ebenfalls
  beim Eigentümer der SW zu verdingen).

Sicher.

Letzteres ist es aber, was der Programmierer von proprietärer SW
macht, also auch mit der bisher freien SW machen "will" (also
soll bzw. wozu er sich gezwungen sieht).  Ihn (in dieser
Funktion) in Schutz zu nehmen, heißt also alles dieser Funktion
unterwerfen zu wollen.

Nein. Das ist nicht schlüssig und auch ungenau. Ich möchte niemanden
in Schutz nehmen bzw verurteilen oder nicht.

Bitte erkläre.

Da Du die GPL der "künstlichen Verknappung" bezichtigst, habe ich
gedacht, daß Du die Interessen der Programmierer vertreten
willst, die gezwungen sind, bei Herstellern von proprietärer SW
zu arbeiten.

Der Ausdruck "künstliche Verknappung" ist für mich eine
"Bezichtigung" (also eine Wertung), weil Du ja sicher auch nicht
(aufgrund der Entfernung des Mondes von der Erde) von einer
künstlichen_Verknappung der Möglichkeiten des Mondtourismus
sprechen würdest oder? Und wenn es für Dich dazwischen einen
Unterschied gibt, dann ist es einer, der mit Deiner subjektiven
Wertung zu tun hat. Daß ich diese Deine "künstliche" Bewertung
aufgrund der verwendeten Wörter als eine negative gedeutet habe,
scheint mir nicht unbedingt unsachlich. Aber das kannst Du ja
nochmal geraderücken, wenn es doch anders gemeint gewesen sein
sollte.

Und außerdem heißt es, das Motiv zum
Programmieren, welches über das sich-dem-Zwang-unterordnen
hinausgeht, als minderwertig zu betrachten.

Wieder eine implizite (moralische) und nicht zutreffende Wertungsungterstellung.


Ich  würde sagen, ich  habe einen  Fakt konstatiert,  nämlich die
implizite Wertung  Deines Arguments explizit  ausgedrückt. Es sei
Dir unbenommen,  a) zu beweisen, daß  meine Schlußfolgerungen aus
dem von Dir gesagten unlogisch sind, oder b) Dein Argument besser
auszudrücken,  oder c)  Dein Argument  zu verbessern...   -- oder
einfach mein Argument zu verbessern (d) ;-).

Warum sollte
eigentlich ein Programmierer, der nicht (nur) aus Lust am
Resultat programmiert, mehr Zugang zu Wissen haben, als einer,
dem es "nur" um die freie Entwicklung des Wissens zu tun ist (der
sie also nicht gleichzeitig Beschränkungen unterwirft)?!

Freies Programmieren wird nicht durch die GPL verknappt, sondern
durch die Bedingungen, die den Programmierer dazu zwingen, unfrei
zu programmieren. Bei denen soll er sich auch bitteschön
beschweren.

GPL verbietet das einsetzen von Wissen zu einem Bestimmten zweck.
Ich denke, darüber könnten wir einig werden ?

Ja. 

 > > Ist also politisch.

Ja, genauso politisch, wie die Beschwerde, die GPL bedeute
Verknappung!

Widerum ein Mißverständniss.
Ich verstehe nicht, wie meine Äußerung als Beschwerde verstanden werden kann.

-- das verstehe ich hinwiderum nicht..., aber gut, ich umformuliere
wie folgt:

GPL ist genauso politisch wie die Formulierung, die GPL bedeute
künstliche_Verknappung.

Gruß,
Casimir.
________________________________
Web-Site: http://www.oekonux.de/
Organisation: projekt oekonux.de


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